TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/30 91/08/0178

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Veröffentlicht am 30.09.1994
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §14 Abs2;
AlVG 1977 §19 Abs1;
AlVG 1977 §21 Abs1;
AlVG 1977 §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 25. Oktober 1991, Zl.IVb/7022/7100 B, VNr. 920/2886 150647, betreffend Bemessung des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde - in Bestätigung des Bescheides des Arbeitsamtes Versicherungsdienste - festgestellt, daß der Beschwerdeführerin ab 12. Jänner 1989 das Arbeitslosengeld gemäß § 21 Abs. 1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (in der Folge: AlVG) in der Höhe von S 223,80 täglich (Lohnklasse 57) gebühre. In der Begründung wurde nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen darauf verwiesen, daß die Beschwerdeführerin am 24. Oktober 1988 (nach einer Beschäftigung bei der Firma M vom 1. Dezember 1986 bis 30. Juli 1987 und einem anschließenden Krankenstand bis 23. Oktober 1988) einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt habe. Das Arbeitslosengeld sei der Beschwerdeführerin daraufhin - da noch ein Restanspruch von 63 Tagen der Lohnklasse 95 (aufgrund des monatlichen Bruttoeinkommens von S 43.575,-- bei der Firma X, bei der die Beschwerdeführerin vom 1. Juli 1982 bis 30. Juli 1986 beschäftigt war) gegeben gewesen sei - vom 24. Oktober bis 20. November 1988 (= 28 Tage) in der Höhe von S 355,50 täglich gewährt worden. Vom 21. November bis 6. Dezember 1988 sei die Beschwerdeführerin bei der Firma W in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Für den 7. Dezember 1988 habe ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 16 Abs. 1 lit. l AlVG aufgrund der ihr gebührenden Urlaubsabfindung für einen Tag geruht. Ab 8. Dezember 1988 sei der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Restanspruches von 35 Tagen der Lohnklasse 95 bis 11. Jänner 1989 Arbeitslosengeld in der Höhe von S 355,50 täglich gewährt worden. Für die Neubemessung des Leistungsanspruches ab 12. Jänner 1989 sei für die Lohnklasse der Verdienst bei der Firma W herangezogen und aufgrund der errechneten monatlichen Entlohnung von S 16.684,-- ein Arbeitslosengeld in der Lohnklasse 57 in der Höhe von S 223,80 täglich angewiesen worden.

Die Beschwerdeführerin habe gegen den darüber ergangenen bescheidmäßigen Abspruch des Arbeitsamtes Berufung erhoben, da ihrer Ansicht nach für die Neubemessung des Arbeitslosengeldes ab 12. Jänner 1989 das bei der Firma M erzielte Bruttomonatsgehalt in der Höhe von S 22.500,-- maßgeblich sei. Danach stünde ihr ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Lohnklasse 80 zu.

Demgegenüber vertrat jedoch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen die Auffassung, daß es sich bei der Geltendmachung von Arbeitslosengeld nach der Beschäftigung bei der Firma W am 8. Dezember 1988 um eine von der Geltendmachung von Arbeitslosengeld am 24. Oktober 1988 verschiedene völlig neue Geltendmachung gehandelt habe. Ausgehend von dieser neuen Geltendmachung sei sowohl die Anwartschaft bzw. die Bezugsdauer als auch der Lohnklassenzeitraum neu zu beurteilen gewesen. Dies hätte jedoch zur Folge, daß das Dienstverhältnis bei der Firma W vom 21. November bis 6. Dezember 1988 nunmehr zu erfassen gewesen sei. Den Bestimmungen der §§ 14, 18 und 21 AlVG könne kein anderer Wortsinn beigelegt werden, als daß bei der Beurteilung des Anspruches von der jeweiligen Geltendmachung auszugehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob der Beschwerdeführerin ab 12. Jänner 1989 Arbeitslosengeld aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Firma W in der Lohnklasse 57 zusteht oder aufgrund des bereits früher (24. Oktober 1988) angemeldeten, aber nicht effektuierten Anspruches aufgrund der Beschäftigung bei der Firma M in der Lohnklasse 80.

Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführerin bis 11. Jänner 1989 aufgrund ihres Restanspruches von 63 Tagen ein Arbeitslosengeldfortbezug in der Lohnklasse 95 (S 355,50 täglich) zustand.

Gemäß § 7 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer

1.

arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist

2.

die Anwartschaft erfüllt und

3.

die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

Gemäß § 14 Abs. 1 AlVG ist bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

Gemäß § 14 Abs. 2 AlVG ist bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 20 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

Gemäß § 19 Abs. 1 AlVG ist Arbeitslosen, die das zuerkannte Arbeitslosengeld nicht bis zur zulässigen Höchstdauer in Anspruch nehmen, auf Anmeldung der Fortbezug des Arbeitslosengeldes für die restliche zulässige Bezugsdauer zu gewähren, wenn a) die Anmeldung innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren, gerechnet vom Tag der Zuerkennung des Anspruches, erfolgt und wenn b) abgesehen von der Anwartschaft, die Voraussetzungen des Anspruches erfüllt sind.

Gemäß § 21 Abs. 1 AlVG idF der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 wird der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes nach Lohnklassen bemessen. Für die Festsetzung der Lohnklasse ist das Entgelt im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) der letzten 26 Kalenderwochen (182 Kalendertage) bzw. bei monatlicher Auszahlung das Entgelt der letzten 6 Kalendermonate vor dem ersten Tag der zuletzt eingetretenen Arbeitslosigkeit bzw. vor dem Ende der Versicherungspflicht maßgebend. Sonderzahlungen im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) sind anteilsmäßig zu berücksichtigen. Zeiten, in denen der Arbeitslose infolge Kurzarbeit oder Erkrankung (Schwangerschaft) nicht das volle Entgelt oder wegen Beschäftigungslosigkeit kein Entgelt bezogen hat, sowie Zeiten einer Lehrlingsentschädigung, wenn das Lehrverhältnis während des Berechnungszeitraumes geendet hat und es für den Arbeitslosen günstiger ist, bleiben bei der Berechnung des für die Festsetzung der Lohnklasse maßgebenden Entgeltes außer Betracht. In diesem Fall ist das Entgelt durch die Zahl der Versicherungstage zu teilen und mit 30 zu multiplizieren. Dies stellt das Monatsentgelt dar.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Beschäftigung vom 1. Juli 1982 bis 30. Juli 1986 zunächst einen Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Lohnklasse 95 erworben hatte. Am 24. Oktober 1988 hat sie einen neuerlichen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt, wobei ihr aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Firma M vom 1. Dezember 1986 bis 30. Juli 1987 ein Arbeitslosengeldanspruch in der Lohnklasse 80 zugestanden wäre. Da zu diesem Zeitpunkt noch ein Restanspruch von 63 Tagen in der Lohnklasse 95 bestand (und ihr Antrag zutreffend auch als "Anmeldung" des Restanspruches gewertet wurde: vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 93/08/0122), hat die Beschwerdeführerin zunächst noch gemäß § 19 AlVG Arbeitslosengeld in der Lohnklasse 95 bezogen (voraussichtliches Ende 25. Dezember 1988). Nachdem die Beschwerdeführerin durch 28 Tage hindurch Arbeitslosengeld in dieser Lohnklasse bezogen hatte, nahm sie am 21. November 1988 eine Beschäftigung bei der Firma W auf, die nach 16 Tagen am 6. Dezember 1988 endete. Im Anschluß daran bezog die Beschwerdeführerin ab 8. Dezember 1988 für weitere 35 Tage Arbeitslosengeld in der Lohnklasse 95 fort. Im Anschluß daran kam es zu einer Neubemessung des Arbeitslosengeldes ab 12. Jänner 1989.

Die belangte Behörde vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, daß am 12. Jänner 1989 sämtliche Voraussetzungen gemäß § 7 AlVG gegeben gewesen seien und nunmehr der erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 21 leg. cit. neu zu bemessen gewesen sei. Dabei übersieht sie jedoch, daß zu diesem Zeitpunkt (ebenso wie am 8. Dezember 1988) die Voraussetzung der Anwartschaft im Sinne des § 14 Abs. 2 AlVG nicht gegeben war. Eine solche lag jedoch im Zeitpunkt der Geltendmachung am 24. Oktober 1988 vor. Der ab diesem Tag gebührende Arbeitslosengeldanspruch (vgl. dazu das Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zl. 88/08/0079) wurde jedoch nicht effektuiert, sondern durch den Fortbezugsanspruch der Beschwerdeführerin verdrängt. Da sich - wie die Beschwerde zutreffend feststellt - aus § 19 AlVG ableiten läßt, daß ein einmal entstandener Arbeitslosengeldanspruch für den Zeitraum von drei Jahren nicht untergehen soll, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen einmal vorgelegen sind, trat dieser Anspruch mit 12. Jänner 1989 wieder in Wirksamkeit (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 93/08/0122). Der Beschwerdeführerin stand daher ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach der Lohnklasse 80 zu.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991080178.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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