TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/19 94/16/0304

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Veröffentlicht am 19.10.1995
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Index

23/01 Konkursordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

BAO §210 Abs1;
BAO §217 Abs1;
BAO §299 Abs2;
BAO §299;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;
GrEStG 1955 §4 Abs2;
KO §1;
KO §46 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des Dr. K, Rechtsanwalt in W, als Masseverwalter im Konkurs des W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. November 1994, GZ GA 9-1080/94, betreffend Aufhebung einer Berufungsvorentscheidung über Säumniszuschlag im Aufsichtsweg, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem Inhalt der Beschwerde wurde über das Vermögen des Wolfgang W. am 16. Juni 1993 der Konkurs eröffnet. Der Gemeinschuldner hatte mit Kaufvertrag vom 6. Dezember 1985 die Liegenschaft EZ 1550 Grundbuch Z erworben und gegenüber dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern beantragt, den Erwerbsvorgang im Sinne der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 zur Errichtung einer Arbeiterwohnstätte von der Grunderwerbsteuer zu befreien.

Nach Ablauf von acht Jahren gab Wolfgang W. auf entsprechende Anfrage bekannt, daß auf der genannten Liegenschaft eine Arbeiterwohnstätte nicht errichtet worden sei. Daraufhin erließ das Finanzamt am 7. März 1994 einen Bescheid über Grunderwerbsteuer in Höhe von S 73.677,--.

In weiterer Folge schrieb das Finanzamt am 9. Mai 1994 einen Säumniszuschlag in Höhe von S 1.474,-- vor. Dagegen wurde mit der Begründung Berufung erhoben, nach Eröffnung des Konkurses seien Säumniszuschläge unzulässig. Mit Berufungsvorentscheidung vom 30. Juni 1994 wurde der Berufung stattgegeben.

In den Akten befindet sich eine Eingabe des Beschwerdeführers an das Finanzamt vom 1. Juni 1994, aus der hervorgeht, daß es sich nach Meinung des Beschwerdeführers bei der Grunderwerbsteuerschuld um eine Konkursforderung handle. In einer Mitteilung vom 14. Juni 1994 wurde hierauf vom Finanzamt die Ansicht vertreten, die Grunderwerbsteuerschuld sei eine Masseforderung. Der Abgabenanspruch entstehe mit "Aufgabe des begünstigten Zweckes (Weiterveräußerung des erworbenen Grundstückes)" und weiters durch Zeitablauf. Der die Abgabenpflicht auslösende Sachverhalt sei erst nach Konkurseröffnung erwirklicht worden.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufungsvorentscheidung vom 30. Juni 1994 gemäß § 299 Abs. 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. In der Begründung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Grunderwerbsteuerschuld sei gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 mit Ablauf von acht Jahren nach Verwirklichung des Erwerbsvorganges, also am 6. Dezember 1993, und somit nach Eröffnung des Konkurses, entstanden. Seien aber Abgabenforderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, so habe die Nichtentrichtung der Abgabe die Säumniszuschlagspflicht zur Folge.

In der Beschwerde gegen diesen Aufhebungsbescheid wird dessen inhaltiche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem ersten Satz des auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 unterlagen unter anderem die im § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 bezeichneten Erwerbsvorgänge mit dem Ablauf von acht Jahren der Steuer, wenn das Grundstück nicht innerhalb dieses Zeitraumes zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist. Nach dem dritten Satz dieser Gesetzesstelle unterlagen solche Erwerbsvorgänge der Steuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wurde. Die Absicht, den begünstigten Zweck zu erfüllen, ist vorerst nur ein Willensentschluß. Solche Willensentschlüsse sind zunächst keine beweisbaren Tatsachen, sondern nur das Ergebnis eines Denkvorganges. Sie werden erst dann zu einer - auch steuerlich erheblichen - Tatsache, wenn der Willensentschluß durch eine Willenserklärung, also die Manifestation des Willens, in die Außenwelt tritt (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 21. November 1968, 923/68, Slg. Nr. 3813/F, vom 21. Februar 1985, 83/16/0049, und vom 25. Juni 1992, 91/16/0033, 0034). Wird hingegen nach außen dokumentiert, daß diese Absicht nicht mehr besteht, so ist der begünstigte Zweck aufgegeben und damit der Nachversteuerungstatbestand im Sinne des § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 erfüllt.

Nach § 299 Abs. 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde in Ausübung des Aufsichtsrechtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Eine solche Aufhebung eines Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes ist solange ausgeschlossen, als Unklarheiten im Sachverhalt bestehen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 17. September 1981, 81/16/0096, Slg. Nr. 5615/F). Vor Erlassung eines Aufhebungsbescheides nach Abs. 2 des § 299 BAO muß also der Sachverhalt, aus dem sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden Bescheides ergibt, einwandfrei geklärt sein (vgl. das Erkenntnis vom 16. Februar 1983, 81/13/0150).

Im Falle eines Konkursverfahrens ist hinsichtlich der Beurteilung der Abgabenfälligkeiten der Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuldigkeit von entscheidender Bedeutung. Vor der Konkurseröffnung entstandene Abgabenforderungen können nicht Masseforderungen sein. Sofern ihre Fälligkeit nach Eröffnung des Konkursverfahrens eintritt, kann bei (nach Abgabenrecht) verspäteter Entrichtung keine Pflicht zur Entrichtung des Säumniszuschlages entstehen, weil diesfalls die insolvenzrechtlichen Fälligkeitsregelungen den abgabenrechtlichen Vorschriften vorgehen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2225 unter Hinweis auf die hg. Judikatur). Sind Abgabenforderungen aber nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und nach diesem Zeitpunkt fällig geworden, so hat dies im Falle der Unterlassung der Entrichtung die Säumniszuschlagspflicht zur Folge (Stoll, aaO, 2226).

Im Beschwerdefall hat der Gemeinschuldner in seiner Anfragebeantwortung vom 10. Februar 1994 bekanntgegeben, daß er - nach Ablauf von acht Jahren ab Verwirklichung des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorganges - eine Arbeiterwohnstätte nicht errichtet hat. Damit war der Nachversteuerungstatbestand nach dem ersten Satz des § 4 Abs. 2 GrEStG 1955, und zwar im Beschwerdefall am 6. Dezember 1993, erfüllt. Auch im Vollstreckungsverfahren wurde von der Abgabenbehörde gegenüber dem Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß die Steuer durch "Zeitablauf" entstanden ist, ohne daß der Beschwerdeführer dieser Auffassung entgegengetreten ist. Dieser Sachverhalt, nämlich das ungenützte Verstreichen der Acht-Jahres-Frist, war im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides für die belangte Behörde als Oberbehörde mit keinen Unklarheiten belastet. Da aber bei einem solchen Sachverhalt, wie er der belangten Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorlag, die Berufungsvorentscheidung - die der Ansicht, die in Rede stehende Abgabenforderung sei eine Konkursforderung, gefolgt war - mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet war, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid zu Recht erlassen.

Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber erstmals in der Beschwerde vorbringt, der Gemeinschuldner habe seine Absicht, eine Arbeiterwohnstätte zu errichten, bereits anläßlich einer vor Eröffnung des Konkurses durchgeführten Tagsatzung am 25. Mai 1993 aufgegeben - wodurch den Nachversteuerungstatbestand nicht des ersten, sondern des dritten Satzes des § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 erfüllt worden wäre -, so übersieht er, daß im gegenständlichen Beschwerdeverfahren lediglich zu prüfen ist, ob die belangte Behörde auf Grund des ihr vorliegenden Sachverhaltes - an dessen Ermittlung sowohl der Gemeinschuldner als auch der Beschwerdeführer als Masseverwalter beteiligt gewesen sind - davon ausgehen konnte, daß der von der Abgabenbehörde erster Instanz erlassene Bescheid (hier: Berufungsvorentscheidung) mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet gewesen ist. Da wie ausgeführt der angefochtene Bescheid aber unter diesem Gesichtspunkt dem Gesetz entspricht, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994160304.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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