TE Vwgh Erkenntnis 1995/10/23 93/10/0004

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Veröffentlicht am 23.10.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §1 Abs5;
ForstG 1975 §1 Abs6;
ForstG 1975 §4 Abs1;
ForstG 1975 §40;
ForstG 1975 §41;
ForstG 1975 §42;
ForstG 1975 §43;
ForstG 1975 §44;
ForstG 1975 §45;
ForstG 1975 §46;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der Österreichischen Bundesbahnen, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 4. Dezember 1992, Zl. 18.231/05-IA8/92, betreffend Maßnahmen gemäß § 41 Abs. 5 ForstG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 22. Februar 1991 stellte die beschwerdeführende Partei bei der Bezirkshauptmannschaft Judenburg (BH) unter anderem den Antrag, der Eigentümerin des Grundstückes Nr. 241/7 der KG Pöls gemäß § 41 Abs. 5 iVm § 4 Abs. 1 letzter Satz des Forstgesetzes 1975 (ForstG) geeignete Maßnahmen zur Hintanhaltung von Waldbränden aufzutragen und sie zu verhalten, entlang der Bahnlinie Fohnsdorf-Pöls einen 30 m breiten Schutzstreifen freizuhalten, den dort vorhandenen Jungwald zu entfernen und weitere Aufforstungen zu unterlassen. Begründet wurde dieser Antrag im wesentlichen damit, daß die Grundeigentümerin im Jahre 1985 entlang der Bahnlinie eine Aufforstung ohne Bedachtnahme auf den bestehenden Bahnbetrieb durchgeführt habe. Ihr Grundstück sei im Kataster als landwirtschaftlich genutzt ausgewiesen. Die Anlage des Jungwaldes unmittelbar entlang der Bahnlinie begünstige an dieser Stelle in hohem Maße die Gefahr der Entstehung und Ausweitung von Bränden. So sei es am 9. März 1989 durch Funkenflug im Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb zu einem ausgedehnten Brand in der angelegten Jungwaldkultur gekommen. Gemäß § 1 Abs. 5 ForstG würden zwar unter anderem Christbaumkulturen, die nicht auf Waldboden angelegt worden seien, nicht als Wald im Sinne des Forstgesetzes gelten, doch fänden gemäß § 4 Abs. 1 letzter Halbsatz bestimmte forstrechtliche Bestimmungen, nämlich jene des IV. Abschnittes über den Forstschutz und damit auch die Bestimmungen über die Verhütung von Waldbränden (§§ 40 f.) bereits ab dem Vorhandensein des Bewuchses Anwendung.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 1991 wies die BH den Antrag der beschwerdeführenden Partei gemäß § 4 Abs. 1 ForstG ab. Nach der Begründung habe die Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstückes mit Schreiben vom 10. Februar 1988 die Aufforstung als "Kurzumtriebsfläche" gemäß § 1 Abs. 5 ForstG gemeldet, was seitens der Bezirksforstinspektion Judenburg zur Kenntnis genommen worden sei. Solche Flächen seien nicht als Neubewaldung im Sinne des § 4 Abs. 1 leg. cit. zu qualifizieren, weshalb die Bestimmungen des IV. Abschnittes nicht anzuwenden seien.

Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung, wobei sie im wesentlichen vorbrachte, daß eine reine Wortinterpretation der §§ 1 Abs. 5 und 4 Abs. 1 letzter Satz ForstG nicht zielführend sei. Bei teleologischer Betrachtungsweise sei vielmehr davon auszugehen, daß die Bestimmungen des IV. Abschnittes des Forstgesetzes auf jeden forstlichen Bewuchs anzuwenden seien, auch wenn dieser, wie im gegenständlichen Fall, nicht als Wald gelte und daher nicht zur Gänze den Bestimmungen des Forstgesetzes unterliege. Es könne nicht im Sinne des Forstgesetzgebers sein, daß der forstliche Bewuchs einer Neubewaldung den Bestimmungen des IV. Abschnittes unterliege, jedoch bei einer Meldung als Kurzumtriebsfläche innerhalb von zehn Jahren nach der Durchführung der Aufforstung die Anwendbarkeit des IV. Abschnittes wieder entfalle.

Da der Landeshauptmann über die Berufung nicht entschied, beantragte die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 5. Juni 1992 den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Antrag vom 22. Februar 1991 abgewiesen. Nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und des bisherigen Verfahrensgeschehens vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, daß die gegenständliche Fläche gemäß § 1 Abs. 5 ForstG nicht als Wald im Sinne des Forstgesetzes anzusehen sei; eine Neubewaldung im Sinne des § 4 Abs. 1 ForstG sei somit ausgeschlossen. Bei einer Neubewaldung sei die Waldeigenschaft zwar erst mit Vorliegen der in § 4 Abs. 1 genannten Kriterien gegeben (bestimmte Überschirmung bei Naturverjüngung bzw. Zeitablauf bei Aufforstung), die Bestimmungen des IV. Abschnittes seien jedoch bereits ab Vorhandensein des Bewuchses - somit vor Eintritt der Waldeigenschaft - anzuwenden. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf Kurzumtriebsflächen sei jedoch ausgeschlossen, da § 1 Abs. 5 ForstG die Anwendbarkeit des § 4 nur für den Fall des Unterbleibens einer Meldung als Kurzumtriebsfläche vorsehe. Da der objektive Ausdruck des Gesetzes deutlich und eindeutig sei, komme eine weitere (teleologische) Interpretation nicht in Frage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 Abs. 5 und 6 ForstG haben folgenden Inhalt:

"(5) Nicht als Wald im Sinne des Abs. 1 gelten auch Flächen, die im Kurzumtrieb mit einer Umtriebszeit bis zu 30 Jahren genutzt werden, sowie Forstgärten, Forstsamenplantagen, Christbaumkulturen und Plantagen von Holzgewächsen zum Zwecke der Gewinnung von Früchten wie Walnuß oder Edelkastanie, soweit sie nicht auf Waldboden angelegt wurden und ihre Inhaber die beabsichtigte Betriebsform der Behörde binnen 10 Jahren nach Durchführung der Aufforstung oder Errichtung dieser Anlagen gemeldet hat. Erfolgt eine solche Meldung nicht, findet § 4 Anwendung.

(6) Auf die im Abs. 5 erster Satz angeführten Anlagen finden die Bestimmungen der §§ 43 bis 46, auf Forstgärten und Forstsamenplantagen überdies jene des XI. Abschnittes, auf Christbaumkulturen überdies jene der §§ 83 und 84 Anwendung."

§ 4 Abs. 1 ForstG bestimmt:

"§ 4.(1) Grundflächen, die bisher nicht Wald waren, unterliegen im Falle der Aufforstung (Saat oder Pflanzung) nach Ablauf von zehn Jahren ab deren Durchführung, im Falle der Naturverjüngung nach Erreichen einer Überschirmung von fünf Zehnteln ihrer Fläche, den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes; die Bestimmungen des IV. Abschnittes sind jedoch bereits ab dem Vorhandensein des Bewuchses anzuwenden."

Der mit "Forstschutz" überschriebene IV. Abschnitt des Forstgesetzes regelt in Pkt. A in den §§ 40-42 den Schutz vor Waldbrand. Der dabei mit "Vorbeugungsmaßnahmen" überschriebene § 41 lautet auszugsweise:

"(4) Zur Hintanhaltung von Waldbränden an Stellen, die infolge des Betriebes einer Eisenbahn durch Funkenflug oder sonstige brandverursachende Einwirkungen besonderer Brandgefahr ausgesetzt sind, hat die Behörde im Einvernehmen mit der für die Eisenbahnangelegenheiten zuständigen Behörde dem Eisenbahnunternehmen die Durchführung geeigneter Schutzmaßnahmen in dem betroffenen Wald und in dessen Gefährdungsbereich (wie die Errichtung und Erhaltung von feuerhemmenden Vorkehrungen etwa in Form von Wundstreifen oder die Entfernung von leicht entzündbaren Gegenständen aus dem gefährlichen Bereich) mit Bescheid aufzutragen. Der Waldeigentümer hat solche Maßnahmen sowie das Betreten seines Grundes zu dulden. Für die ihm daraus entstehenden vermögensrechtlichen Nachteile hat er Anspruch auf eine angemessene Entschädigung; hiefür finden die Bestimmungen des § 31 Abs. 4 bis 10 sinngemäß Anwendung.

(5) Bei Neubewaldung entlang von Eisenbahnanlagen hat die Behörde die Durchführung der Schutzmaßnahmen gemäß Abs. 4 dem Waldeigentümer mit Bescheid aufzutragen."

In der Beschwerde wird darauf verwiesen, daß auf dem streitgegenständlichen Grundstück im Jahre 1985 eine Christbaumkultur angelegt worden sei. Da eine Meldung im Sinne des § 1 Abs. 5 letzter Satz zunächst nicht erfolgt sei, sei ab dem Vorhandensein eines Bewuchses im Sinne des § 4 Abs. 1 der IV. Abschnitt des Forstgesetzes zur Anwendung gekommen. Das bedeute, daß entsprechende Brandschutzmaßnahmen nach § 41 ForstG hätten angeordnet werden können. Eine Meldung als Kurzumtrieb sei erst im Jahre 1988 erfolgt. Damit hätte jedoch - im Sinne der Interpretation der belangten Behörde - § 4 keine Anwendung mehr gefunden und hätten keine Brandschutzmaßnahmen mehr angeordnet werden können. Dies bedeute jedoch, daß nach den tatsächlichen Verhältnissen im Grunde gleiche Sachverhalte ungleich behandelt würden. Eine solche Differenzierung sei in keiner Weise sachlich gerechtfertigt. Jede Auslegung einer Norm habe vielmehr unter Bedachtnahme auf ihre Stellung im Normengefüge und dem der Norm innewohnenden Zweck zu erfolgen. Der Passus des § 1 Abs. 5 ForstG ("Erfolgt eine solche Meldung nicht, findet § 4 Anwendung.") könne in Verbindung mit § 4 Abs. 1 ForstG sinnvoll nur als Ausnahme von der generellen Regelung des ersten Halbsatzes von § 4 Abs. 1 (der vollen Anwendbarkeit des Forstgesetzes nach zehn Jahren) verstanden werden und bedeute damit, daß, wenn eine ordnungsgemäße Meldung binnen zehn Jahren erfolge, eine solche Fläche weiterhin nicht in den vollen Anwendungsbereich des Forstgesetzes gelange. Würde keine Meldung erfolgen, dann wäre nach zehn Jahren die volle Anwendbarkeit des Forstgesetzes gegeben. Der zweite Halbsatz des § 4 Abs. 1 (die Anwendbarkeit der Bestimmungen des IV. Abschnittes) müsse hingegen für beide Fälle (gemeldete wie nicht gemeldete Flächen) gelten, denn in beiden Fällen handle es sich um eine "waldähnliche" Fläche.

Die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, daß sowohl bei Meldung einer Fläche im Kurzumtrieb als auch bei Unterlassung einer solchen Meldung die Bestimmungen des IV. Abschnittes des Forstgesetzes zur Anwendung zu kommen hätten, widerspricht schon einer systematischen Auslegung des Gesetzes: Wenn nämlich auch bei einer entsprechenden Meldung im Sinne des § 1 Abs. 5 ForstG die Bestimmungen des IV. Abschnittes des Forstgesetzes zur Anwendung kämen, so ist nicht ersichtlich, weshalb § 1 Abs. 6 ausdrücklich vorsieht, daß auf die in Abs. 5 erster Satz angeführten Anlagen die Bestimmungen der §§ 43 bis 46 (die sich ebenfalls im IV. Abschnitt finden) Anwendung finden. Die Bestimmung des § 1 Abs. 6 ForstG wäre insofern überflüssig, was dem Gesetzgeber jedoch nicht unterstellt werden kann.

Erfolgt nach § 1 Abs. 5 ForstG keine Meldung, daß eine Fläche im Kurzumtrieb genutzt wird, so findet nach dem letzten Satz dieser Bestimmung § 4 - und somit auch die Bestimmungen des IV. Abschnittes - Anwendung. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß bei einer entsprechenden Meldung die Bestimmungen des IV. Abschnittes nicht zur Anwendung kommen sollen. Da die beschwerdegegenständliche Fläche aufgrund einer Meldung nach § 1 Abs. 5 nicht als Wald im Sinne des Forstgesetzes gilt, kommt eine Durchführung geeigneter Schutzmaßnahmen in dem betroffenen Grundstück mangels Waldeigenschaft gar nicht in Frage. Dies bedeutet allerdings nicht, daß auf der gegenständlichen Fläche (einer Christbaumkultur) nicht auch die Durchführung geeigneter Schutzmaßnahmen angeordnet werden kann, wenn die Fläche etwa zum Gefährdungsbereich eines Waldes (vgl. dazu § 40 Abs. 1 ForstG) gehörte. Daß diese Voraussetzungen im Beschwerdefall gegeben wären, wurde von der beschwerdeführenden Partei allerdings nicht behauptet.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993100004.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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