TE Lvwg Erkenntnis 2022/11/22 LVwG 46.23-7150/2022

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Veröffentlicht am 22.11.2022
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Entscheidungsdatum

22.11.2022

Index

81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

WRG 1959 §38
WRG 1959 §12
  1. WRG 1959 § 38 heute
  2. WRG 1959 § 38 gültig ab 31.03.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2011
  3. WRG 1959 § 38 gültig von 01.10.1997 bis 30.03.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 74/1997
  4. WRG 1959 § 38 gültig von 01.07.1990 bis 30.09.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 252/1990

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Dr. Rath über die Beschwerde des Herrn CD, geb. am XXXX, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 11.08.2022, GZ: BHGU-384789/2022-14,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.     Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde

s t a t t g e g e b e n

und der bekämpfte Bescheid aufgehoben und der Antrag der Gasthaus AB GmbH vom 07.04.2022

a b g e w i e s e n.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 11.08.2022 wurde der Gasthaus AB GmbH die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung eines Parkplatzes durch Geländeanhebung auf den Gst. Nr. XXXX und XXXX, jeweils KG S, innerhalb des 30-jährigen Hochwasserabflussbereiches des Tbach, nach Maßgabe des in der Begründung enthaltenen Befundes und der vorgelegten Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, unter Vorschreibung und Einhaltung von Auflagen, erteilt. Wie sich aus dem Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen ergibt, ist aufgrund der bestehenden Lage der Sockelmauer und der Projektserhöhung des dortigen Bestandes die Zustimmung des Grundeigentümers XXXX, KG S, für die „Maßnahme Mauererhöhung“ vor Bauinangriffnahme, formell erforderlich.

In der fristgerecht erhobenen Beschwerde gegen den Bewilligungsbescheid hat der Grundeigentümer CD ausgeführt, dass er unter falschen Informationen und unter falschen Angaben des Herrn Geschäftsführers der AB GmbH die Unterschrift geleistet hätte und nunmehr sein Einverständnis zurückziehen würde.

Die Beschwerde wurde der Antragstellerin der Gasthaus AB GmbH gemäß § 10 VwGVG zur Kenntnisnahme übermittelt. In der dazu ergangenen Äußerung führte die Antragstellerin aus, dass der Beschwerdeführer grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes XXXX, KG S, sei und hätte er die Zustimmung für die geplante Maßnahme in Form einer Erhöhung der bestehenden Sockelmauer entlang der südlichen Grundstücksgrenze des Grundstückes XXXX, gemäß dem Maßnahmenplan 01 der H GmbH vom 17.05.2022 erteilt. Der Beschwerdeführer hätte somit keine Parteistellung, es liegen keine maßgeblichen Negativauswirkungen auf Fremdgrundstücke aufgrund des Projektes vor und zudem hätte der Beschwerdeführer keine Einwendungen erhoben und seine Zustimmung für die Erhöhung der bestehenden Sockelmauer erteilt. Der Beschwerdeführer sei somit nicht berechtigt, eine Beschwerde zu erheben und sei die Beschwerde somit als unzulässig zurückzuweisen. Weiters wäre aus der Beschwerde nicht ersichtlich, welche Beschwerdegründe der Beschwerdeführer eigentlich geltend machen würde. Der Beschwerdeführer würde behaupten, dass der Bescheid an Rechtswidrigkeit leide. Der Beschwerdeführer würde in seiner Beschwerde sein Einverständnis zurückziehen. Ob eine Zustimmungserklärung rechtswirksam sei, sei nach den zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Der Beschwerdeführer hätte sich keinen Widerruf seiner Zustimmungserklärung vorbehalten und könne damit nicht einfach seine Zustimmungserklärung nachträglich zurückziehen. Der Beschwerdeführer sei daher an seine Zustimmungserklärung gebunden.

Sachverhalt:

Mit Eingabe vom 07.04.2022 hat die Gasthaus AB GmbH um die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Parkplatzes auf den Grundstücken XXXX und XXXX, alle KG S, im XXXX Bereich des Tbach, angesucht. Am 17.05.2022 hat an Ort und Stelle eine kommissionelle Erhebung und mündliche Verhandlung stattgefunden. In dieser Verhandlung hat der wasserbautechnische Amtssachverständige eine Stellungnahme zum Projekt abgegeben und insbesondere ausgeführt, dass Befund und Gutachten erst erfolgen kann, wenn verschiedene Unterlagen nachgereicht werden. Eine Nachreichung betraf die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers durch, die von der Bauinangriffnahme berührte Grundstücksfläche XXXX – Erhöhung des Sockelbestandes.

Nachdem die Ergänzungsunterlagen nachgereicht wurden, hat der wasserbauchtechnische Amtssachverständige Befund und Gutachten erstattet und im Wesentlichen die beantragte Geländeanhebung zur Errichtung eines Parkplatzes innerhalb des 30-jährigen Hochwasserabflussbereiches des Tbach, positiv begutachtet. Es wurde ausdrücklich festgehalten, dass aufgrund der bestehenden Lage der Sockelmauer und Projekterhöhung des dortigen Bestandes die Zustimmung des Grundeigentümers XXXX der KG S, wie schon in der wasserbautechnischen Stellungnahme zur mündlichen Verhandlung am 17.05.2022 formuliert, formell erforderlich ist.

Im Zuge des Verfahrens hat der Grundeigentümer des Grundstückes XXXX,
KG S, folgende Stellungnahme abgegeben:

„Als grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes XXXX der KG S, erteile ich, Herr CD, wohnhaft in S, S, die Zustimmung für die geplante Maßnahme in Form einer Erhöhung der bestehenden Sockelmauer entlang der südlichen Grundstücksgrenze des Grundstückes XXXX gemäß dem beigelegten Maßnahmenplan 01 der H GmbH vom 17.05.2022.“

Mit der nunmehrigen Beschwerde hat der Beschwerdeführer und Grundeigentümer des Grundstückes XXXX, KG S, seine Zustimmung zur Erhöhung der bestehenden Sockelmauer ausdrücklich zurückgezogen.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 24 VwGVG konnte die gegenständliche Entscheidung auf Grundlage des Aktes der belangten Behörde getroffen werden, da „die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt“ und dem Entfall weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest und es sind keine Fragen der Beweiswürdigung aufliegend (vgl. VwGH 29.01.2016, Ra 2015/06/0124).

Die für das Verfahren wesentlichen rechtlichen Bestimmungen:

§ 12 WRG Abs 1 und 2:

Grundsätze für die Bewilligung hinsichtlich öffentlicher Interessen und fremder Rechte.

(1) Das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung ist derart zu bestimmen, daß das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.

(2) Als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.“

§ 38 WRG:

„(1) Zur Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer oder in Gebieten, für die ein gemäß § 42a Abs. 2 Z 2 zum Zweck der Verringerung hochwasserbedingter nachteiliger Folgen erlassenes wasserwirtschaftliches Regionalprogramm (§ 55g Abs. 1 Z 1) eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht vorsieht, sowie von Unterführungen unter Wasserläufen, schließlich von Einbauten in stehende öffentliche Gewässer, die nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, ist nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Die Bewilligung kann auch zeitlich befristet erteilt werden.

(2) Bei den nicht zur Schiff- oder Floßfahrt benutzten Gewässerstrecken bedürfen einer Bewilligung nach Abs. 1 nicht:

a)   Drahtüberspannungen in mehr als 3 m lichter Höhe über dem höchsten Hochwasserspiegel, wenn die Stützen den Hochwasserablauf nicht fühlbar beeinflussen;

b)   kleine Wirtschaftsbrücken und -stege; erweist sich jedoch eine solche Überbrückung als schädlich oder gefährlich, so hat die Wasserrechtsbehörde über die zur Beseitigung der Übelstände notwendigen Maßnahmen zu erkennen.

(3) Als Hochwasserabflußgebiet (Abs. 1) gilt das bei 30jährlichen Hochwässern überflutete Gebiet. Die Grenzen der Hochwasserabflußgebiete sind im Wasserbuch in geeigneter Weise ersichtlich zu machen.“

§ 63 WRG:

„Um die nutzbringende Verwendung der Gewässer zu fördern, um ihren schädlichen Wirkungen zu begegnen, zur geordneten Beseitigung von Abwässern und zum Schutz der Gewässer kann die Wasserrechtsbehörde in dem Maße als erforderlich

a)   Dienstbarkeiten begründen, die den Zugang zu einem öffentlichen Gewässer eröffnen oder erheblich erleichtern;

b)   für Wasserbauvorhaben, deren Errichtung, Erhaltung oder Betrieb im Vergleich zu den Nachteilen von Zwangsrechten überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten läßt, die notwendigen Dienstbarkeiten einräumen oder entgegenstehende dingliche Rechte einschließlich Nutzungsrechte im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, einschränken oder aufheben, damit die genehmigte Anlage mit den zu ihr gehörigen Werken und Vorrichtungen hergestellt, betrieben und erhalten sowie der Vorschreibung sonstiger Maßnahmen entsprochen werden kann;

c)   Liegenschaften und Bauwerke, ferner Werke, Leitungen und Anlagen aller Art ganz oder teilweise enteignen, wenn in den Fällen der unter lit. b bezeichneten Art die Einräumung einer Dienstbarkeit nicht ausreichen würde;

d)   wesentliche Veränderungen der Grundwasserverhältnisse gestatten, wenn diese sonst nur durch unverhältnismäßige Aufwendungen vermieden werden könnten und die Voraussetzungen von lit. b zutreffen.“

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes XXXX, KG S. An der Grundstücksgrenze dieses Grundstückes befindet sich eine Sockelmauer, welche zur Verwirklichung des gegenständlichen Projektes erhöht werden muss. Der Beschwerdeführer ist daher als Grundeigentümer Partei im Verfahren und darf sein bestehendes Recht gemäß § 12 Abs 1 WRG durch das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung nicht verletzt werden. Für die Verwirklichung der zu errichtenden Anlage bedarf es der Zustimmung des Beschwerdeführers.

Die Antragstellerin, die Gasthaus AB GmbH, benötigt daher die ausdrückliche Zustimmungserklärung des betroffenen Grundeigentümers. Diese ist Sachentscheidungsvoraussetzung iSd der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. VwGH vom 08.04.1986, 85/07/0329 u.a.).

Der Beschwerdeführer hat zwar im Zuge des Bewilligungsverfahrens die Zustimmung für die Erhöhung der Sockelmauer auf seinem Grundstück XXXX, KG S, erteilt. Die Zustimmung kann in jeder Lage des Verfahrens, also bis zum rechtskräftigen Abschluss desselben und daher auch erst im Zuge des Beschwerdeverfahrens, vom Grundeigentümer verwehrt werden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist es unbeachtlich, aus welchem Grund oder zu welchem Zweck die Verweigerung geschieht.

Der Widerruf einer Zustimmungserklärung ist mangels gegenteiliger gesetzlicher Regelung bis zur Rechtskraft der Entscheidung zulässig (vgl. VwGH vom 19.12.1995, 95/05/0292 und vom 16.02.1982, 81/05/014).

Der Widerruf der Zustimmungserklärung ist kein Fall einer Einwendung, sondern stellt eine Zustimmungserklärung eine Sachentscheidungsvoraussetzung dar (vgl. VwGH vom 18.05.1995, 94/06/0271).

Da die Versagung der Zustimmung einen Versagungsgrund für das wasserrechtliche Bewilligungsverfahren darstellt, da die Zustimmung des Grundeigentümers Bewilligungsvoraussetzung ist, leidet der Bescheid an einem rechtserheblichen Mangel, der zur Aufhebung zu führen hat.

Zwangsrechte können für Anlagen gemäß § 38 WRG nicht eingeräumt werden. Bei Vorhaben gemäß § 38 (Baumaßnahme im XXXX Bereich) ist die Zustimmung des Grundeigentümers eine Vorrausetzung, ohne deren Vorliegen die Behörde keine wasserrechtliche Bewilligung erteilen kann (vgl. VwGH 25.05.1950, SG1464, 25.07.2002, 2001/07/0069). Die Gründe aus denen ein Grundeigentümer die zivilrechtliche Einwilligung versagt, sind im wasserrechtlichen Verfahren nicht von Bedeutung. Da sich somit die Prüfung, ob allenfalls ein Zwangsrecht für die gegenständliche wasserrechtliche Bewilligung eingeräumt werden könnte, erübrigt, war auch der Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung der Gasthof AB GmbH vom 07.04.2022 abzuweisen. Da die Zustimmungserklärung wie bereits oben ausgeführt, eine Bewilligungsvoraussetzung im gegenständlichen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren ist, leidet der angefochtene Bescheid an einem rechtserheblichen Mangel, der zu dessen Aufhebung führt.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Wasserrecht, Bewilligungsverfahren, Grundinanspruchnahme, Grundeigentümer, Zustimmung, Widerruf, Versagung, Rechtskraft der Entscheidung, Zwangsrecht, Beschwerdeverfahren, Bewilligungsvoraussetzung, Versagungsgrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2022:LVwG.46.23.7150.2022

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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