TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/19 95/04/0164

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Veröffentlicht am 19.12.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §356 Abs4;
GewO 1994 §376 Abs2 Z11;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §79;

Betreff

Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Sulyok und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des 1. des Dr. MD, Rechtsanwalt in S, und 2. des Dr. ND, Rechtsanwalt in S, letzterer vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, gegen den Bescheid des BMfwA vom 20. 6. 1994, Zl. 316.085/1-III/A/2a/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren nach § 79 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: X-Ges.m.b.H. in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die mitbeteiligte Partei betreibt in S, I-Straße 2, einen Gastgewerbebetrieb. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 26. Jänner 1993 wurden der mitbeteiligten Partei für diese Betriebsanlage gemäß § 79 GewO 1973 weitere Auflagen vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer neben anderen Personen Berufung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. Juni 1994 wurden diese Berufungen gemäß § 63 Abs. 1 AVG i.V.m. § 356 Abs. 4 GewO 1994 als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides führte der Bundesminister aus, der Landeshauptmann von Salzburg habe mit rechtskräftigem Bescheid vom 22. Juli 1991 bestätigt, es handle sich bei dem gegenständlichen, aus einem Pavillon und einem Sitzgarten mit ca. 50 Verabreichungsplätzen bestehenden Espresso um eine gemäß § 376 Z. 11 GewO 1973 genehmigte Betriebsanlage mit einer "Sperrstundenfestsetzung" von 24.00 Uhr. Nach Darstellung des Inhaltes der maßgeblichen Rechtsvorschriften führte der Bundesminister weiter aus, die Parteistellung der Nachbarn in sogenannten Folgeverfahren, zu denen auch das Verfahren gemäß § 79 GewO 1994 zur Vorschreibung zusätzlicher Auflagen zähle, sei im § 356 Abs. 4 leg. cit. geregelt. Danach hätten, wie sich aus dem Hinweis in Abs. 4 auf Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ergebe, nur diejenigen Nachbarn Parteistellung, die im ursprünglichen Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage oder im Genehmigungsverfahren zur Änderung der Betriebsanlage bereits durch spätestens bei der Augenscheinsverhandlung der diesbezüglichen Genehmigungsverfahren Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erhoben und dadurch Parteistellung erlangten. Da es sich bei der gegenständlichen Betriebsanlage um eine gemäß § 376 Z. 11 GewO 1973 genehmigte Betriebsanlage handle und, wie auf Grund der Aktenlage zu ersehen sei, seit 1. August 1974 kein Änderungsverfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage auf Grund eines Ansuchens gemäß § 81 leg. cit. durchgeführt worden sei, erübrige sich eine Prüfung, ob die nunmehrigen Beschwerdeführer im ursprünglichen Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage oder in einem Verfahren zur Änderung der Genehmigung der Betriebsanlage durch Erhebung rechtzeitiger und rechtserheblicher Einwendungen oder durch zulässige Erhebung nachträglicher rechtserheblicher Einwendungen Parteistellung erlangt hätten. Die Nachbarn könnten daher erst in einem allenfalls nach § 81 GewO 1994 auf Grund eines Antrages des Betriebsinhabers eingeleiteten Verfahren durch entsprechende Einwendungen Parteistellung erlangen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 27. Februar 1995, B 1769/94, die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem subjektiv-öffentlichen Recht auf Anerkennung als Partei und Ausübung der Parteienrechte, insbesondere auf Erhebung von Rechtsmitteln sowie auf rechtliches Gehör verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes machen die Beschwerdeführer geltend, die in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltene Feststellung, es sei seit dem 1. August 1974 betreffend die in Rede stehende Betriebsanlage kein Änderungsverfahren gemäß § 81 GewO 1973 durchgeführt worden, sei insoweit aktenwidrig, als mit einem Ansuchen der mitbeteiligten Partei vom 27. April 1983 auf Hinzunahme der vor der Betriebsstätte gelegenen Gartenfläche als Gastgarten sehr wohl ein Antrag auf Abänderung der Betriebsanlage gestellt worden sei, über welchen allerdings bis heute nicht rechtswirksam abgesprochen worden sei. Allerdings habe die Gewerbebehörde den Gastgarten in der Folge als genehmigte Betriebsfläche angesehen und das dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Verfahren beziehe sich zu einem guten Teil auf eben diesen Gastgarten. Der Begründung im angefochtenen Bescheid, die gegenständliche Betriebsanlage sei gemäß § 376 Z. 11 GewO 1973 als genehmigt anzusehen, fehle jedwede Grundlage im festgestellten Sachverhalt, es lasse sich in keiner Weise überprüfen, wieso die belangte Behörde von dieser Rechtsansicht ausgehe. Aus dem gesamten Akteninhalt und aus der gesamten Geschichte des gegenständlichen Gastgewerbebetriebes ergebe sich vielmehr das Gegenteil, nämlich daß es sich schon immer um eine bewilligungspflichtige Betriebsanlage gehandelt habe. Sie hätte bereits auf Grund der Gewerbeordnung 1859 einer Betriebsanlagengenehmigung bedurft. Es stehe außer Frage, daß sie auch heute einer Betriebsanlagengenehmigung bedürfe. Es sei daher bis heute keine genehmigte Betriebsanlage gegeben. Aber selbst wenn die Rechtsansicht der belangten Behörde richtig wäre, habe sie die Bestimmung des § 356 Abs. 4 GewO 1973 unrichtig angewendet. Denn diese Bestimmung könne verfassungskonform nur so ausgelegt werden, daß im Verfahren gemäß § 79 GewO 1973 auch diejenigen Nachbarn Parteistellung erlangten, die bei der Augenscheinsverhandlung im Rahmen des Verfahrens nach § 79 GewO 1973 rechtswirksame Einwendungen erheben. Dies müsse umso mehr für Anwendungsfälle des § 376 Z. 11 GewO 1973 gelten, in welchen eine Betriebsanlagengenehmigung fingiert werde. In diesen Fällen hätten ja die Nachbarn gar keine Möglichkeit gehabt, in einem Genehmigungsverfahren Parteistellung zu erlangen. Durch die Übergangsbestimmung des § 376 Z. 11 leg. cit. sollte lediglich verhindert werden, daß bereits bestehende, nach den zuvor geltenden Bestimmungen nicht genehmigungspflichtige Anlagen, die nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 genehmigungspflichtig wären, nicht auf Grund des Inkrafttretens der neuen Gewerbeordnung einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren unterworfen werden müßten. Zum Schutz der Nachbarn sei jedoch angeordnet worden, daß die §§ 79 und 81 leg. cit. auch für solche Anlagen Anwendung fänden. Es sei jedenfalls nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen, für solche Anlagen die Parteirechte der Nachbarn auch in Folgeverfahren auszuschließen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 91/04/0122, zur diesbezüglich unverändert gebliebenen Rechtslage nach der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, dargelegt, daß sich aus dem Wortlaut des § 356 Abs. 4 GewO 1973, welcher auf den Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hinweist, ergibt, daß die Parteistellung des Nachbarn unter anderem im Verfahren nach § 79 davon abhängt, daß ihm bereits im Verfahren betreffend die Genehmigung der Betriebsanlage (oder Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage) Parteistellung zukam. Zur näheren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Von dem durch Zitierung des Abs. 3 im Abs. 4 des § 356 GewO 1994 postulierten Erfordernis der Erhebung geeigneter Einwendungen in einem über Antrag auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage anberaumten Augenscheinsverhandlung für die Zuerkennung der Parteistellung in einem in der Folge nach § 79 durchgeführten Verfahren kann im Hinblick auf den eine solche Ausnahme nicht erfassenden Wortlaut des § 356 Abs. 4 leg. cit. nicht abgegangen werden. Dies trifft auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Betriebsanlage zufolge der Übergangsbestimmung des § 376 Z. 11 Abs. 2 leg. cit. keiner Genehmigung bedarf, zu. Insbesondere können, wie dies die Beschwerdeführer offensichtlich meinen, Erklärungen, welche im Rahmen einer in einem nach § 79 GewO 1994 eingeleiteten Verfahren abgehaltenen Augenscheinsverhandlung abgegeben werden, schon deshalb nicht als "Einwendungen" im Sinne des § 356 Abs. 3 leg. cit. verstanden werden, weil der Begriff der Einwendung jedenfalls einen Verfahrensgegenstand voraussetzt, dessen Verwirklichung der Einwendende mit seiner Erklärung entgegentritt. Der Verhandlungsgegenstand eines Verfahrens nach § 79 leg. cit. sind aber die gemäß § 74 Abs. 2 leg. cit. (durch Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen) wahrzunehmenden Interessen, sodaß dagegen gerichtete Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994, welche ihrem Wesen nach ebenfalls die Wahrnehmung der gemäß § 74 Abs. 2 geschützten Interessen zum Gegenstand haben müssen, schon begrifflich nicht denkbar sind.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsansicht der belangten Behörde, den Beschwerdeführern komme in dem in Rede stehenden Verfahren nach § 79 GewO 1973 Parteistellung deshalb nicht zu, weil sie bisher in einem mit Bezug auf die in Rede stehende Betriebsanlage nach den §§ 77 oder 81 abgeführten Genehmigungsverfahren Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 nicht erhoben haben, auch unter Berücksichtigung des Umstandes nicht als rechtswidrig zu erkennen, daß sich den Beschwerdeführern bisher eine derartige Gelegenheit noch gar nicht geboten hat. Ob aber die belangte Behörde die Frage, ob es sich bei der in Rede stehenden Betriebsanlage um eine solche handelt, die unter die Bestimmung des § 376 Z. 11 fällt, richtig gelöst hat, ist mit Rücksicht auf die dargestellte Rechtslage für die Beantwortung der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Rechtsfrage ohne Relevanz, sodaß darauf hier nicht weiter einzugehen ist.

Auch die Behauptung der Beschwerdeführer, die mitbeteiligte Partei habe bereits einmal ein Ansuchen auf Genehmigung der Änderung der in Rede stehenden Betriebsanlage gestellt, mag für sich allein an dem gefundenen Ergebnis nichts zu ändern, weil, wie bereits oben ausgeführt, nicht die Antragstellung durch den Inhaber der Betriebsanlage sondern die Erhebung von Einwendungen durch die Nachbarn in der über diesen Antrag anberaumten Augenscheinsverhandlung dessen Parteistellung begründet. Daß derartiges geschehen sei, wird in der Beschwerde aber nicht behauptet.

Es läßt somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Gewerberecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995040164.X00

Im RIS seit

24.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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