TE Vwgh Erkenntnis 1995/12/21 95/07/0035

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Veröffentlicht am 21.12.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
VwRallg;
WRG 1959 §10 Abs3;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §12 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §138 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde

1. des FH und 2. der UH, beide in S, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 15. Dezember 1994, Zl. III/1-35.656/2-94, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: M, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 20. Mai 1993 führte M. G. bei der Bezirkshauptmannschaft Horn (BH) Beschwerde darüber, daß durch die von J. E. veranlaßte Errichtung eines ca. 40 m tiefen Brunnens ihr Hausbrunnen versiegt sei. Sie ersuchte die BH um Abhilfe.

Die BH zog zur Beantwortung der Frage, ob von dem neuerrichteten Brunnen Einwirkungen auf den Hausbrunnen der Einschreiterin M. G. ausgingen, einen Amtssachverständigen für Hydrogeologie bei. Dieser stellte fest, bei dem von J. E. errichteten Brunnen handle es sich um einen artesischen Brunnen. Ob ein Zusammenhang zwischen den beiden Brunnen bestehe, wäre durch einen längeren Pumpversuch zu klären.

Am 27. Juli 1993 sprachen die Beschwerdeführer bei der BH vor und erklärten, ihr Hauswasserbrunnen sei in den letzten Tagen derart abgesunken, daß sie die Wasserversorgung ihres Wohnhauses daraus nicht mehr bestreiten könnten. Als Ursache sei der von J. E. errichtete Brunnen anzusehen.

Am 2. August 1993 wurde der vom Amtssachverständigen angeregte Pumpversuch durchgeführt.

Mit Schreiben vom 17. August 1993 gab das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung - Abteilung Hydrologie - folgendes Ergebnis des Pumpversuches bekannt:

"Der Pumpversuch hat gezeigt, daß zwischen dem Brunnen von Frau M. G. und dem neuerrichteten Bohrbrunnen der Familie E. offensichtlich ein hydraulischer Zusammenhang besteht, der offensichtlich zum Absinken des Wasserstandes im Brunnen G. geführt hat.

Ein solcher unmittelbarer hydraulischer Zusammenhang zwischen dem Brunnen E. und den anderen Brunnen H. 1, H. 2 (das sind die Beschwerdeführer) und P. ist durch den Pumpversuch nicht nachzuweisen.

Da beim Brunnen E. artesisch gespanntes Grundwasser aufgeschlossen wurde, hat sich vermutlich ein neuer Gleichgewichtszustand des Grundwasserkörpers eingestellt. Es ergibt sich nun die Frage, welche Menge an Grundwasser durch die Erschließung des artesischen Wassers oder knapp nach der Bohrung abgeflossen ist. Ohne entsprechende Beweissicherung vor, während und nach einer Brunnenbohrung ist diese Rückrechnung bzw. deren Nachweis der früheren Mächtigkeit des Grundwasserkörpers insbesondere in Bereichen mit Kluftwässern äußerst schwierig. Außerdem existieren keine verläßlichen Aufzeichnungen der Lage des Grundwasserspiegels in dem Brunnen ... (der Beschwerdeführer), sowie im Brunnen G. vor Durchführung der Brunnenbohrung.

Die Wiederherstellung des früher bestehenden Grundwasserkörpers vor Entlastung durch den Abzug der artesisch gespannten Wässer ist aus fachlicher Sicht nur schwer möglich. Dazu müßte der Brunnen E. versiegelt werden und sich der Druck im Grundwasserkörper wieder entsprechend aufbauen. Es ist auch festzustellen, ob in den Wintermonaten, wenn eine Grundwasseranreicherung im Einzugsgebiet der Brunnen stattfindet, ein artesischer Überlauf im Brunnen E. erfolgt. Dazu müßten regelmäßig Wasserspiegelmessungen im Brunnen E. durchgeführt werden."

Die BH führte am 27. September 1993 eine mündliche Verhandlung durch. Dabei führte der Amtssachverständige für Hydrogeologie zu der Frage, ob es sich bei dem mit dem Tiefbrunnen angebohrten Grundwasser um artesisches Wasser handelt und ob eine Beeinträchtigung anderer Liegenschaften durch diese Brunnenanlage gegeben ist, folgendes aus:

"Bei dem im Bereich des Anwesens E. hergestellten Brunnen handelt es sich um eine rund 40 m tiefe Anlage, die im Lufthebeverfahren hergestellt wurde. Nach den von der ausführenden Firma G. zu diesem Brunnen erhaltenen Auskünften wurde bei der Abteufung des Brunnens bis rund 30 m unter Gelände eine bindige lockere Segmentabfolge durchfahren. Nach den erhaltenen Angaben wurde in dieser Abfolge kein wesentlicher Grundwasserzulauf zur Bohrung beobachtet. Erst ab 30 m unter Gelände wurde andersartiges Material, offenkundig Zersatz des basalen kristallinen Festgesteines vorgefunden und bis zur Endteufe des Brunnens bei 40 m durchfahren. Nach den erhaltenen Informationen lag ab 30 m unter Gelände ein massiver Grundwasserandrang zur Bohrung vor. Dieser massive Grundwasserandrang erreichte ein derartiges Ausmaß, daß sich ein Überlauf über Gelände einstellte. Aus fachlicher Sicht ist aus dieser Situation der eindeutige Schluß zu ziehen, daß mit der gegenständlichen Brunnenbohrung ab 30 m unter dem natürlichen Gelände artesisch gespanntes Grundwasser angefahren und aufgeschlossen wurde.

Nach dem Ausbau der Bohrung zur nunmehrigen Brunnenanlage ging der artesische Überlauf aus der Anlage verloren. Worauf dieser Verlust zurückzuführen ist, läßt sich derzeit nicht ohne weiteres aussagen. Denkbar wäre, daß durch die angewendete Brunnenbautechnologie bzw. Bohrtechnologie, die für Lockermaterialkomplexe nicht besonders geeignet ist, im Außenraum der Brunnenbohrung und deren unmittelbarem Umfeld Wegsamkeiten geöffnet wurden, die zu einem nicht erkennbaren Druckabbau der artesischen Wässer geführt haben. Denkbar wäre auch, daß vom Filteraufsatzrohr zum nächsten Vorfluter eine unterirdisch verlegte Ableitung geschaffen wurde.

Tatsache ist aus fachlicher Sicht, daß durch die druckabbauende Dauersituation in dem von diesem ursprünglich artesisch gespannten Grundwasservorkommen abhängigen Drucksystem massive Verhaltensveränderungen auf allen Ebenen des lokalen Grundwassergeschehens bewirkt wurden. Es ist immer mit großen Problemen verbunden, nach einem Eingriff in ein Grundwassersystem mit offenkundigen Dauerfolgen eindeutige Aussagen darüber zu treffen, in welchem Ausmaß und in welcher Intensität derartige Veränderungen stattgefunden haben bzw. stattfinden. Dies trifft für jedes Grundwassersystem zu, in hohem Maße jedoch für Grundwässer in gespanntem oder gar artesisch gespanntem Zustand. Es ist in der Regel nahezu unmöglich, für Vergleichszwecke auf seriöse Weise den ursprünglichen Zustand zu rekonstruieren. Im gegenständlichen Fall wurde aufgrund eines Pumpversuches versucht, der Frage nachzugehen, ob durch Entnahmen aus dem Brunnen E. nachteilige Auswirkungen auf den Hausbrunnen G. erfolgen. Darüberhinaus wurden noch weitere Hausbrunnen in dieses Versuchsprogramm einbezogen. Mit diesem Pumpversuch konnte der eindeutige Nachweis erbracht werden, daß zwischen dem vom Brunnen E. erschlossenen artesischen Grundwasservorkommen und dem über dem Schachtbrunnen G. aufgeschlossenen eher seichten Grundwasservorkommen ein hydraulischer Zusammenhang vorliegt. Dieser hydraulische Zusammenhang äußert sich darin, daß durch die Entnahmen aus dem aufgeschlossenen druckhaften Grundwasservorkommen auch der Wasserspiegel des vom Brunnen G. aufgeschlossenen freien Grundwassers abgesenkt wird. Bei den anderen im Rahmen dieses Versuches mitbeobachteten Brunnen konnte ein derartiger eindeutiger Zusammenhang nicht eruiert werden. In diesem Zusammenhang muß allerdings aus fachlicher Sicht festgestellt werden, daß ein Pumpversuch keine absolute Nachweisbarkeit in diesem konkreten Fall für allfällige Zusammenhänge darstellt. Dies schon deshalb nicht, da dieser Pumpversuch mehr oder weniger überlagernd über eine bereits offenkundig veränderte Situation vorgenommen wurde.

Der ursprüngliche Zustand im Drucksystem dieses artesischen Grundwasserkomplexes kann aus fachlicher Sicht nur dadurch wiederhergestellt werden, daß die Brunnenbohrungen bei gleichzeitigem Ziehen der Brunnenrohre und Verpressen der Bohrungen annähernd wiederhergestellt werden kann. Allerdings ist zu diesem Vorgang zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes festzustellen, daß dieser Vorgang langsam nach Maßgabe der aktuellen natürlichen Anreicherungssituation des Grundwassers durch Niederschläge abläuft. Die Verpressung müßte mit bauelastischem bindigen Material z.B. Bentonit vorgenommen werden."

Mit Bescheid vom 14. Oktober 1993 verpflichtete die BH J. E. gemäß § 138 Abs. 1 lit. a und Abs. 4 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959), innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung dieses Bescheides den auf dem Grundstück Nr. n1, KG T., hergestellten 40 m tiefen Bohrbrunnen durch Ziehen der Brunnenrohre bei gleichzeitiger Verpressung der Bohrung mit bauelastischem, bindigem Material (z.B. Bentonit) zu beseitigen.

In der Begründung bezieht sich die BH auf die Eingabe von M. G. vom 20. Mai 1993; die Beschwerdeführer werden nicht erwähnt. Was die Sachverhaltsfeststellung betrifft, übernimmt die BH zur Gänze die Feststellungen, die der Amtssachverständige für Hydrogeologie bei der mündlichen Verhandlung getroffen hat, also auch die Feststellung, durch den Pumpversuch habe der eindeutige Nachweis erbracht werden können, daß zwischen dem von J. E. errichteten Brunnen und dem Brunnen G. ein hydraulischer Zusammenhang vorliege, während bei den anderen im Rahmen dieses Versuches mitbeobachteten Brunnen ein derartiger Zusammenhang nicht eruiert habe werden können.

In rechtlicher Hinsicht führt die BH aus, der von J. E. errichtete Brunnen bedürfe einer wasserrechtlichen Bewilligung; diese könne aber nicht erteilt werden, weil dem öffentliche Interessen entgegenstünden, da durch das Anbohren des artesisch gespannten Grundwassers das örtliche Grundwasservorkommen derart beeinflußt worden sei bzw. beeinflußt werde, daß eine Versorgung der nicht an eine zentrale Wasserleitung angeschlossenen Ortsbevölkerung mit Hausbrunnen zum Teil unmöglich geworden sei.

In der Zustellverfügung dieses Bescheide scheinen die Beschwerdeführer nicht auf. Er wurde ihnen lediglich mit Schreiben vom 25. November 1993 "zur Kenntnisnahme" übermittelt.

Mit Eingabe vom 13. Dezember 1993 suchten J. E., M. P. und die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (mP) bei der BH um die Einräumung einer Frist zur Vorlage von Projektsunterlagen zwecks Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für den vom wasserpolizeilichen Auftrag der BH vom 14. Oktober 1993 erfaßten Brunnen an. Dieses Projekt solle auch die Wasserversorgung der Nachbarin M. G. sicherstellen.

Mit Eingabe vom 31. März 1994 suchte die mP bei der BH um die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für den von J. E. errichteten Bohrbrunnen auf Grundstück Nr. 19 der KG T. an.

Mit Bescheid vom 18. Juli 1994 erteilte die BH der mP gemäß § 10 Abs. 2 und 3 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für die Entnahme von Grundwasser aus einem auf dem Grundstück Nr. n1, KG T., errichteten 40 m tiefen Grundwasserbrunnen zur Versorgung der Liegenschaften Parzelle Nr. 19 und 1460 (T. 41A und 59) mit dem erforderlichen Trink- und Nutzwasser gemäß den Projektsunterlagen.

In der Begründung wird zu den von den Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwendungen ausgeführt, der durchgeführte Pumpversuch habe keine Beeinträchtigung der Brunnenanlage der Beschwerdeführer ergeben.

Die Beschwerdeführer beriefen.

Bei der von der belangten Behörde am 30. November 1994 durchgeführten mündlichen Verhandlung umriß der Verhandlungsleiter das Beweisthema für den Amtssachverständigen für Hydrogeologie mit folgenden Fragen:

    "1. Kann bei einem längeren Pumpversuch oder bei einem auf

andere Art durchgeführten Pumpversuch nachgewiesen oder

ausgeschlossen werden, ob der Brunnen ... (der

Beschwerdeführer) durch die Errichtung des Brunnens ... (der

mP) beeinträchtigt wird?

    2. Wie läßt sich das Absinken des Grundwasserspiegels sonst

erklären, wenn dies nicht durch den Brunnen ... (der mP)

verursacht wird?

3. Warum wurde der Pumpversuch abweichend von den ursprünglichen Vorgaben durchgeführt und worin bestanden diese Abweichungen?

4. Liegt im jetzigen Zeitpunkt eine Beeinträchtigung der ... (Beschwerdeführer) vor?"

Der Amtssachverständige beantwortete diese Fragen wie folgt:

"1. Es wurde in dieser Angelegenheit im Jahre 1993 ein mehrstündiger Pumpversuch aus dem Bohrbrunnen durchgeführt. Ziel dieses Pumpversuches war die Klärung der Frage, ob und in welchem Ausmaß hydraulische Zusammenhänge und Beziehungen zwischen dem von den seichten Schachtbrunnen diverser Hausbrunnen und dem ursprünglich artesisch gespannten Tiefenwasser des Bohrbrunnens aufgeschlossenen Grundwasser bestehen. Der Pumpversuch hat aus fachlicher Sicht ein durchaus nachvollziehbares und schlüssiges Ergebnis erbracht, da im wesentlichen ein stationärer Zustand im hydraulischen Gefüge des Grundwassersystems dieses Gebietes erreicht wurde. Es wurde lediglich beim Hausbrunnen G. ein eindeutiger Nachweis für einen hydraulischen Zusammenhang zwischen dem seichten Grundwasservorkommen und dem Tiefenwasser nachgewiesen. Beim Brunnen ... (der Beschwerdeführer) konnte ein derartiger Nachweis im Rahmen dieses Pumpversuches nicht abgeleitet werden. Es ist davon auszugehen, daß ein längerzeitiger Pumpversuch keine wesentlichen oder entscheidenden anderen Erkenntnisse erbringen wird. Sollte jedoch die grundsätzliche Bereitschaft für eine Wiederholung des Pumpversuches über einen längeren Zeitraum bestehen, dann wäre dies sicherlich als eine Möglichkeit zu bezeichnen und zu betrachten, durch die gewisse offensichtlich vorliegende Vorbehalte gegen die Schlüssigkeit des Ergebnisses des bereits durchgeführten Pumpversuches beseitigt werden könnten.

2. Der Pumpversuch fand zu einem Zeitpunkt statt, zu dem der Bohrbrunnen bereits mehrere Monate existiert hat. Hiezu kommt noch, daß keinerlei Aufzeichnungen über die Grundwassersituation am Brunnenstandort und dessen Umfeld aus der Zeit vor der Errichtung des Bohrbrunnens vorliegen. Hinsichtlich der Wasserstände in den alten Schachtbrunnen im Ortsgebiet von T. kann daher lediglich auf größenordnungsmäßige Angaben und Beschreibungen der Brunneneigentümer und Ortsbewohner zurückgegriffen werden. Aus fachlicher Sicht erscheinen diese Angaben nicht nachvollziehbar und beweisbar und daher nicht unbedingt für die Abgabe einer gutächtlichen Beurteilung geeignet. Es wird die Auffassung vertreten, daß beweiskräfte Aussagen und gutächtliche Feststellungen auf nachvollziebare Beweisführungen, Untersuchungen und dergleichen aufbauen müssen.

3. Der Pumpversuch wurde über einen kürzeren Zeitraum, jedoch mit der vorgesehenen Pumpmenge zur Durchführung gebracht. Die zunächst angenommene voraussichtliche Dauer des notwendigen Pumpversuches basierte auf bestimmten Erfahrungswerten. Im gegenständlichen Fall wurde durch den Leiter des Pumpversuches festgestellt, daß sich die notwendigen Aussagen und Auswertungen aus dem Versuch bereits nach einem kürzeren Zeitraum treffen lassen. Diese Entscheidung kann als durchaus richtig bezeichnet werden, da die graphische Darstellung des Versuchesablaufes zeigt, daß zum Abschluß bzw. bei der Beendigung des Pumpversuches ein stationärer Zustand im Grundwasserverhalten vorlag.

4. Wie bereits erwähnt, existieren hydrographische Daten über die Lage des Grundwasserspiegels bzw. der Brunnenwasserspiegel im Raum T. in einem repräsentativen Umfang erst seit der Durchführung des Pumpversuches im August 1993. Es besteht daher keine fachlich untermauerte Möglichkeit, eine Aussage drüber zu treffen, ob vor der Errichtung des gegenständlichen Brunnens im Brunnen ... (der Beschwerdeführer) ein von der derzeitigen Situation abweichender deutlich höherer Brunnenwasserstand gegeben war. Aus fachlicher Sicht kann nicht ausgeschlossen werden, daß im ursprünglichen Zustand vor der Errichtung des gegenständlichen Bohrbrunnens im Brunnen ... (der Beschwerdeführer) ein wesentlich höherer Brunnenwasserstand vorgelegen ist, der durch die Errichtung des gegenständlichen Bohrbrunnens negativ verändert wurde. Durch den Bestand des gegenständlichen Bohrbrunnens und die aus diesem Brunnen vorgesehene Entnahmemenge kann sich jedoch keine unzulässige Veränderung im Wasserspiegelniveau des Brunnens ... (der Beschwerdeführer) ergeben."

Mit Bescheid vom 15. Dezember 1994 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab.

In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahren sei davon auszugehen, daß eine Beeinträchtigung des Brunnens der Beschwerdeführer durch den Brunnen der mP nicht vorliege. Zwar habe der Amtssachverständige für Hydrogeologie in der Berufungsverhandlung ausgeführt, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß vor der Errichtung des Bohrbrunnens im Brunnen der Beschwerdeführer ein höherer Wasserstand vorgelegen sei; eine negative Beeinflussung durch die Errichtung sei aus fachlicher Sicht im Bereich des Möglichen anzusiedeln. Es bestehe jedoch letztlich aus fachlicher Sicht keine Möglichkeit, eine fachlich untermauerte Aussage über die tatsächliche Beeinflussung abzugeben. Der Amtssachverständige begründe dies damit, daß hydrographische Daten über die Lage des Grundwasserspiegels im Raum T. erst seit der Durchführung des Pumpversuches im August 1993 vorlägen. Aufgrund der Stellungnahme des Amtssachverständigen sei davon auszugehen, daß eine Beeinflussung der Grundwassersituation durch die Tiefbohrung erfolgt sei. Es habe jedoch aus fachlicher Sicht nicht mehr eruiert werden können, wie sich die Beeinflussung ausgewirkt habe. Es sei daher nicht objektiv nachweisbar, daß die Brunnen der Anrainer durch die Bohrung trockengefallen seien. Eine Rekonstruktion der ursprünglichen Situation sei technisch kaum durchführbar und der Erfolg eines derartigen Versuches wäre ungewiß. Da somit der Nachweis eines negativen Einflusses auf den Brunnen der Beschwerdeführer nicht habe erbracht werden können, sei die Abweisung des Ansuchens um nachträgliche Bewilligung, gestützt auf die Beeinträchtigung fremder Rechte, nicht in Betracht gekommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Durch den angefochtenen Bescheid erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht "auf Nichtbeeinträchtigung bestehender Wasserrechte nach § 12 Abs. 2 WRG und in dem uns nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 zustehenden Recht auf Beseitigung einer wasserrechtlichen Neuerung" verletzt.

Die Beschwerdeführer bringen vor, es läge ein rechtskräftiger Bescheid vor, der die Abtragung und Beseitigung des Bohrbrunnens der mP zum Inhalt habe. Nach ständiger Rechtsprechung schließe ein auf § 138 Abs. 1 WRG 1959 gegründeter rechtskräftiger wasserpolizeilicher Auftrag die nachträgliche Erteilung einer Bewilligung für das gleiche Vorhaben aus. Schon aus diesem Grund sei eine Bewilligung für die Brunnenanlage zu versagen gewesen.

Seitens der Gutachter sei stets zum Audruck gebracht worden, es bestehe durchaus die Möglichkeit, daß durch die Errichtung der Bohrbrunnenanlage der Wasserstand im Brunnen der Beschwerdeführer beeinträchtigt worden sei. Ein entsprechender Nachweis sei im nachhinein bei Bestehen der Bohrbrunnenanlage aus fachlicher Sicht nicht mehr möglich. Da die Anlage ursprünglich konsenslos errichtet worden und ein Nachweis ohne Beseitigung nicht mehr möglich sei, wäre es Angelegenheit der mP gewesen, nachzuweisen, daß durch die von ihr errichtete Bohranlage eine Beeinträchtigung der Brunnenanlage der Beschwerdeführer mit Sicherheit nicht erfolgt.

Im Beschwerdefall seien die Wasserrechtsbehörden vom Zustand nach Errichtung des Bohrbrunnens ausgegangen. Eine Ermittlung des ursprünglichen Zustandes sei nicht einmal ansatzweise versucht worden; dies mit der lapidaren Begründung, dem Sachverständigen sei dies nicht möglich, da er sich dazu nur auf die Angaben der Grundeigentümer bzw. Ortsbewohner verlassen müsse, die nicht sonderlich beweiskräftig seien.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mP hat ebenfalls eine Gegenschrift vorgelegt und begehrt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der wasserpolizeiliche Auftrag der BH vom 14. Oktober 1993 spricht nicht über einen Antrag der Beschwerdeführer ab. Dies ergibt sich daraus, daß die Beschwerdeführer in diesem Bescheid nicht erwähnt sind und daß die BH in sachverhaltsmäßiger Hinsicht von der Annahme ausgeht, andere Brunnen als jener der M. G. würden durch die Errichtung des Brunnens der mP nicht berührt. Konsequenterweise scheinen die Beschwerdeführer auch nicht in der Zustellverfügung des Bescheides auf. Dieser wurde ihnen lediglich zur Kenntnis zugestellt. Aus diesem Bescheid können die Beschwerdeführer nicht die Unzulässigkeit der Erteilung der nachträglichen Bewilligung für den Brunnen der mP ableiten.

Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen des Amtssachverständigen für Hydrogeologie handelt es sich beim Brunnen der mP um einen artesischen Brunnen. Ein solcher bedarf nach § 10 Abs. 3 WRG 1959 jedenfalls der wasserrechtlichen Bewilligung. Diese ist zu verweigern, wenn durch den artesischen Brunnen fremde Rechte beeinträchtigt werden. Dabei ist es gleichgültig, ob diese Beeinträchtigung durch die Errichtung oder durch Bestand und Betrieb des artesischen Brunnens herbeigeführt wird. Die Bewilligung ist auch dann zu versagen, wenn durch die konsenslose Errichtung ein fremde Rechte beeinträchtigender Zustand geschaffen wurde, auch wenn durch Bestand und Betrieb des artesischen Brunnens keine weitere, zusätzliche Beeinträchtigung mehr eintritt.

Ausgehend von dieser rechtlichen Situation wäre zu ermitteln gewesen, welche Verhältnisse vor Durchführung der rechtswidrigen Brunnenbohrung für die Beschwerdeführer bestanden. Von diesem Zustand wäre bei der Beurteilung einer Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführer durch den Brunnen der mP auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1979, Zl. 1893/77).

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde davon ausgegangen, von Bestand und Betrieb des artesischen Brunnens ginge keine Beeinträchtigung des Hausbrunnens der Beschwerdeführer aus; ob bereits durch die Errichtung des Bohrbrunnens ein Zustand geschaffen worden sei, der gegenüber dem früheren Zustand eine Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführer darstelle, könne nicht festgestellt werden.

Aus den von dem Amtssachverständigen im Laufe des Verfahrens abgegebenen Äußerungen läßt sich nicht zweifelsfrei ableiten, ob der durchgeführte Pumpversuch lediglich Aufschluß über die vom Betrieb des Bohrbrunnens auf die Hausbrunnen ausgehenden Einwirkungen gibt - wie die belangte Behörde meint - oder ob durch den Pumpversuch jeder Zusammenhang zwischen den beteiligten Brunnen als nicht existent erwiesen wurde. Die Ausführungen im Schreiben des Amtes der Niederösterreichsichen Landesregierung - Abteilung Hydrologie vom 17. August 1993 - könnten in Richtung der letztgenannten Auslegung gedeutet werden, während die Ausführungen des von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen eher das Gegenteil zu indizieren scheinen. Durch konkrete Befragung der Sachverständigen wäre präzise zu klären gewesen, worüber der Pumpversuch Aufschluß gegeben hat.

Es trifft zwar zu, daß der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige bei der mündlichen Verhandlung geäußert hat, es bestünde keine sachlich untermauerte Möglichkeit, eine Aussage darüber zu treffen, ob vor der Errichtung des Bohrbrunnens der mP im Brunnen der Beschwerdeführer ein von der derzeitigen Situation abweichender deutlich höherer Wasserstand gegeben war. Diese Aussage erfolgte aber auf der Grundlage der dem Sachverständigen zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zur Verfügung stehenden Datenbasis. Nichts ausgesagt ist damit darüber, ob eine Möglichkeit besteht, die für die Beantwortung der Frage nach den Auswirkungen der Errichtung des Bohrbrunnens der mP auf den Brunnen der Beschwerdeführer erforderlichen Unterlagen zu beschaffen. Diese Frage wäre dem Sachverständigen aber schon deswegen zu stellen gewesen, weil von dem im Verfahren zur Erlassung des wasserpolizeilichen Auftrages beigezogenen Amtssachverständigen mehrmals die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes - offenkundig als Möglichkeit zur Feststellung der vor der Brunnenerrichtung gegebenen Verhältnisse - angesprochen und auch aufgezeigt wurde, wie diese zu bewerkstelligen sei. Daß diese Wiederherstellung des vorigen Zustandes als sehr schwer bezeichnet wurde, schließt ihre Durchführung nicht aus. Als Mittel zur Datengewinnung ausgeschlossen wäre sie nur, wenn sie unmöglich wäre oder keine verwertbaren Ergebnisse zeitigte.

Die Wiederherstellung des vorigen Zustandes zum Zwecke der Gewinnung von Beweismitteln kann von der mP verlangt werden, da der von ihr zur Bewilligung beantragte Brunnen ohne die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung hergestellt und dadurch der den Beweisnotstand auslösende Zustand geschaffen wurde.

Es erhebt sich allerdings die Frage, was zu geschehen hat, wenn auch bei Ausschöpfung aller für die Beweisführung zur Verfügung stehenden Mittel nicht mehr festgestellt werden kann, ob durch die Errichtung des Bohrbrunnens der mP eine dauernde Beeinträchtigung der Hausbrunnen der Beschwerdeführer bewirkt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, eine Bewilligung dürfe nur dann versagt werden, wenn die Beeinträchtigung eines bestehenden Rechtes im Ermittlungsverfahren zweifelsfrei erwiesen wird. Die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung genügt nicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 1970, SlgNF 7821/A; vom 8. Juni 1982, Zl. 82/07/0006; vom 14. Juni 1983, Zl. 83/07/0026, u.a.). Eine Analyse dieser Erkenntnisse zeigt aber, daß sie keine Fälle betreffen, in denen durch die konsenslose und damit rechtswidrige Vornahme einer bewilligungsbedürftigen Maßnahme ein Zustand geschaffen wurde, der eine Beantwortung der Frage nach den Auswirkungen dieser Maßnahme auf fremde Rechte nicht mehr ermöglicht. Diese Erkenntnisse sind daher auf derartige Fälle nicht anwendbar.

Das AVG enthält für den Fall, daß eine Beweisführung nicht möglich ist, keine Bestimmungen. Es kann als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz gelten, daß aus einer unter Mißachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. Im Beschwerdefall wurde der Bohrbrunnen ohne die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung errichtet. Falls es nicht möglich ist, unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Mittel festzustellen, ob dadurch Rechte der Beschwerdeführer beeinträchtigt wurden, dann hat dies zur Folge, daß die Wasserrechtsbehörde für den rechtswidrig geschaffenen Brunnen keine Bewilligung erteilen darf.

Da der Sachverhalt im wesentlichen Punkten eine Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995070035.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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