TE Vfgh Beschluss 1993/11/30 B1445/93

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Veröffentlicht am 30.11.1993
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
VfGG §33
VfGG §82 Abs4
FremdenG §70 Abs1
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde gegen einen Bescheid der BPolDion Wien betreffend die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes mangels Erschöpfung des Instanzenzuges (vgl §70 Abs1 FremdenG). Die von der Beschwerdeführerin vorgenommene "Verbesserung" der Beschwerde wegen Angabe einer falschen Aktenzahl und Beilage eines falschen Bescheides läuft auf ein unzulässiges Austauschen des Beschwerdegegenstandes hinaus und ist sohin unbeachtlich. Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags. Ist die Parteihandlung zwar vorgenommen worden, weist sie aber einen inhaltlichen und damit nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht verbesserungsfähigen Mangel auf, so kann dieser Mangel nicht im Wege der Wiedereinsetzung beseitigt werden.

Spruch

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit Schriftsatz vom 11. August 1993 erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter gegen "den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 30.6.1993, IV-643.896/FrB/93, zugestellt am 30.6.1993" Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Sie führte dazu ua. aus, daß sie am 25. Mai 1993 bei der belangten Behörde die Erteilung eines Sichtvermerkes beantragt habe, und "in weiterer Folge am 29.6.1993 die bescheidmäßige Ablehnung des Sichtvermerksantrages verkündet und in weiterer Folge der angefochtene Bescheid erlassen" wurde.

Der der Beschwerde angeschlossene Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien mit der oben angeführten Aktenzahl stammt allerdings vom 26. Juli 1993 (beim Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin eingelangt am 30. Juli 1993) und betrifft die Verhängung eines auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes gemäß §18 Abs1 iVm. Abs2 Z2 FrG über die Beschwerdeführerin.

2. Mit Schriftsatz vom 18. August 1993 brachte die Beschwerdeführerin - wiederum durch ihren Vertreter - eine "Verbesserung" ihrer Beschwerde vom 11. August 1993 ein. Darin wird ausgeführt, in der Anfechtungserklärung in der Beschwerde sei richtigerweise der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien mit der Aktenzahl IV-643.986/FrB/93 gemeint. Aus dem Inhalt der (ursprünglichen) Beschwerde ergebe sich eindeutig, daß sich die Beschwerde gegen die Verweigerung der Erteilung eines Sichtvermerkes richte. Unter einem wurde der "richtige" angefochtene Bescheid in Kopie beigebracht, in eventu vorsichtshalber ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt, weil die Anführung der falschen Aktenzahl und die Beilage des falschen Bescheides auf ein Versehen langjähriger und äußerst zuverlässiger Mitarbeiterinnen zurückzuführen sei.

II. 1.1. Die vorliegende Beschwerde wendet sich ausdrücklich gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien mit der Aktenzahl IV-643.896/FrB/93, dieser Bescheid lag auch der Eingabe bei und zumindest weite Teile der Beschwerdeausführungen betreffen auch den Bescheid, mit dem ein Aufenthaltsverbot verhängt wurde. Sohin kann auch nicht von einem bloßen Vergreifen im Ausdruck gesprochen werden (vgl. VfSlg. 7966/1976). Die von der Beschwerdeführerin vorgenommene "Verbesserung" der Beschwerde läuft daher auf ein unzulässiges Austauschen des Beschwerdegegenstandes hinaus und ist sohin unbeachtlich.

1.2. Zum tatsächlich bekämpften Bescheid ist zu bemerken, daß Behörde iSd. FrG, soferne nichts anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde ist, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese (§65 Abs1 FrG).

Über Berufungen gegen Bescheide nach dem FrG entscheidet gemäß seinem §70 Abs1 die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz. Die Unzulässigkeit einer Berufung gegen die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes wird im FrG nicht bestimmt.

1.3. Die Beschwerde war daher zufolge Nichterschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen.

2. Auch der Eventualantrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig:

2.1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VerfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden. Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung - für sie - den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte.

Die Zulässigkeit einer Wiedereinsetzung setzt stets eine Versäumung, also die vollständige Unterlassung einer Parteihandlung voraus. Ist die Parteihandlung zwar vorgenommen worden, weist sie aber einen inhaltlichen und damit nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht verbesserungsfähigen Mangel auf, so kann dieser Mangel nicht im Wege der Wiedereinsetzung beseitigt werden (vgl. VfSlg. 12093/1989).

2.2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war, da eine Frist nicht versäumt wurde, zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 11244/1987, 12093/1989).

III. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Fremdenrecht, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B1445.1993

Dokumentnummer

JFT_10068870_93B01445_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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