TE Vfgh Erkenntnis 1993/12/18 G227/92

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Veröffentlicht am 18.12.1993
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Index

20 Privatrecht allgemein
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
EMRK 7. ZP Art5
EMRK Art8
ABGB §93

Leitsatz

Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung der Regelung des Ehenamens; keine Verfassungswidrigkeit dieser Regelung; keine Bevorzugung des Mannes durch die gesetzliche Vermutung der Wahl des Mannesnamens als Ehename mangels ausdrücklicher anderslautender Vereinbarung anläßlich der Eheschließung; bloße Bedachtnahme auf die tatsächlichen Gepflogenheiten; kein Verstoß gegen das Gebot gleicher zivilrechtlicher Rechte und Pflichten der Ehegatten; kein Verstoß gegen das Recht auf Privat- und Familienleben; Ordnungsfunktion des Namensrechts im öffentlichen Interesse

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. §93 ABGB regelt die namensrechtlichen Wirkungen der Eheschließung in der Fassung der Novelle BGBl. 97/1986 wie folgt:

"§93. Die Ehegatten haben den gleichen Familiennamen zu führen. Dieser ist der Familienname eines der Ehegatten, den die Verlobten vor oder bei der Eheschließung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde als gemeinsamen Familiennamen bestimmt haben. Mangels einer solchen Bestimmung wird der Familienname des Mannes gemeinsamer Familienname.

Derjenige Ehegatte, der nach Abs1 den Familiennamen des anderen Ehegatten als gemeinsamen Familiennamen zu führen hat, hat hiebei das höchstpersönliche Recht, seinen bisherigen Familiennamen unter Setzung eines Bindestrichs nachzustellen. Er hat das Recht zu verlangen, daß er in Urkunden aller Art mit diesem Doppelnamen bezeichnet wird. Die Führung der Personenstandsbücher und die Ausstellung von Personenstandsurkunden werden durch diese Anordnungen nicht berührt.

Ein Familienname, der von einem früheren Ehegatten aus einer geschiedenen oder aufgehobenen Ehe abgeleitet wird, darf weder im Sinn des Abs1 als gemeinsamer Familienname bestimmt oder geführt noch im Sinn des Abs2 nachgestellt werden; dann beziehen sich die Abs1 und 2 auf den zuletzt vor der Schließung der geschiedenen oder aufgehobenen Ehe geführten Familiennamen."

1. Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung des §93 ABGB in der Fassung BGBl. 97/1986, in eventu des 3. Satzes seines ersten Absatzes. Sie habe am 16. Oktober 1992 in Nevada einen österreichischen Staatsangehörigen geheiratet, wobei eine einvernehmliche Bestimmung des gemeinsamen Familiennamens unterblieben sei, weil beide Verlobte nicht bereit waren, ihren bisherigen Namen aufzugeben. Nach §93 Abs1 Satz 3 ABGB in Verbindung mit den §§9 und 13 des Gesetzes über das Internationale Privatrecht sei daher der Familienname des Mannes der von Satz 1 geforderte gemeinsame Familienname geworden. Diese Rechtsfolgen berührten die Rechtssphäre der Antragstellerin ohne behördliche Entscheidung. Ein anderer Weg zur Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit stehe ihr nicht zur Verfügung:

"Die Antragstellerin könnte wohl beim Magistrat der Stadt Wien den Antrag stellen, ihren nunmehrigen Familiennamen 'Scheibelhofer' durch Bescheid in ihren Geburtsnamen 'Köstner' abzuändern. Daraus folgt jedoch nicht, daß ein Individualantrag gegen §93 ABGB unzulässig wäre. Ein zumutbarer Umweg wäre nämlich in der Stellung eines Namensänderungsantrages nur dann zu erblicken, wenn die Antragstellerin in der Folge der Prüfung des §93 ABGB erreichen könnte, oder präziser gesagt: wenn der Verfassungsgerichtshof in die Lage käme, auf eine gegen den letztinstanzlichen abweisenden Bescheid gerichtete und verfassungsrechtliche Bedenken enthaltende Beschwerde der Antragstellerin hin den §93 ABGB als präjudizielle Bestimmung gemäß Art140 Abs1 Satz 1 B-VG von Amts wegen in Prüfung zu ziehen.

aa) Eben daran mangelt es im gegenständlichen Fall. Die Namensänderung eines österreichischen Staatsbürgers ist gemäß §1 Abs1 NamensänderungsG (NÄG) auf Antrag zu bewilligen, wenn ein wichtiger Grund im Sinn des §2 vorliegt und wenn §3 der Bewilligung nicht entgegensteht. Nachdem der Name der Antragstellerin weder lächerlich noch anstößig wirkt und auch sonst keiner der in Z1 bis 6 des §2 Abs1 genannten Gründe in Frage kam, könnte sie ihren Namensänderungsantrag nur auf Z7 stützen und glaubhaft zu machen versuchen, daß die Wiedererlangung ihres Geburtsnamens notwendig sei, um unzumutbare Nachteile in wirtschaftlicher Hinsicht und in ihren sozialen Beziehungen zu vermeiden, und daß diese Nachteile auf andere Weise nicht ausgeglichen werden könnten. Die Behörde müßte einen solchen Antrag jedoch mit der Begründung abweisen, daß sich für die Antragstellerin wohl Nachteile in ihren sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen ergeben hätten, daß diese aber nicht über das Maß hinausgehen, das jede Frau in Kauf nehmen muß, die den Namen ihres Mannes anzunehmen gezwungen ist, und daß sie aus diesem Grund nicht als 'unzumutbar' im Sinn des §2 Abs1 Z7 NÄG anzusehen sind.

Durch eine Verfassungsgerichtshofsbeschwerde gegen den diese Ansicht bestätigenden Berufungsbescheid des Landeshauptmanns wäre für die Antragstellerin nichts gewonnen. Dem Verfassungsgerichtshof wäre es verwehrt, aus Anlaß der Beschwerde den §93 ABGB von Amts wegen zu prüfen, weil der Bescheid nicht auf §93 ABGB gründet, der Gerichtshof diese Bestimmung folglich nicht anzuwenden hätte und nicht in Prüfung ziehen könnte.

Schon aus diesem Grund ist die Stellung eines Namensänderungsantrages kein zumutbarer Umweg.

bb) Aber auch dann, wenn entgegen der Auffassung der Antragstellerin ein wichtiger Grund im Sinn des §2 Abs1 Z7 NÄG vorläge, könnte sie auf dem Umweg über einen Namensänderungsantrag ihre Normbedenken nicht an den Verfassungsgerichtshof herantragen. Denn in diesem Fall müßte ihrem Antrag von der Behörde nämlich stattgegeben werden.

Es hat zwar zunächst den Anschein, daß ein solcher Namensänderungsantrag lediglich die Umgehung des §93 Abs1 ABGB bezweckt und aus diesem Grund gemäß §3 Abs1 Z1 NÄG abzuweisen ist. Für diese Ansicht spricht auch die Regierungsvorlage zum NÄG (467 BlgNR XVII.GP, 10), in der zu §4 folgendes bemerkt wird:

'Wird dem Antrag stattgegeben, soll sich die Wirkung der Änderung des Familiennamens auch auf den anderen Ehegatten erstrecken, wenn dieser den gleichen Familiennamen wie der Antragsteller geführt hat und dem Personenkreis des §1 Abs1 angehört. Ließe man davon Ausnahmen zu, würde damit die Umgehung von Rechtsvorschriften ermöglicht. Eine solche Umgehung zu verhindern, ist aber der Zweck des §3 Z1.'

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten hat diese Einschätzung aber nicht geteilt. Über einen Abänderungsantrag von Dr. Partik-Pable und Genossen wurde dem §4 ein in der Regierungsvorlage nicht enthaltener zweiter Satz angefügt, der die Beibehaltung des bisherigen Namens durch den Ehepartner des Namensänderungswerbers ermöglicht. Diese Änderung ist wiederum nur im Zusammenhang mit den im Ausschuß geführten Diskussionen um §93 ABGB verständlich. Nach der erklärten Zielsetzung des Ausschusses sollte auf diese Weise ausnahmsweise ein Ehegatte, der gezwungen war, seinen bisherigen Namen aufzugeben, die Gelegenheit erhalten, über eine Namensänderung zu seinem bisherigen Namen zurückkehren zu dürfen (AB 510 BlgNR XVII.GP 1):

'Das bürgerliche Recht sieht zwar im §93 ABGB die Führung des gleichen Familiennamens vor, in begründeten Ausnahmefällen hat sich aber gezeigt, daß die Beibehaltung des bisherigen Namens aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen für einen Ehepartner zweckmäßig sein kann.'

In der Debatte im Plenum stand nicht das NÄG, sondern die Problematik des §93 ABGB im Mittelpunkt der Diskussion. Nach eingehender Beratung faßte der Nationalrat den Entschließungsantrag, den Bundesminister für Justiz zu ersuchen, zu prüfen, inwieweit §93 ABGB geändert werden sollte, um zu ermöglichen, daß Ehepartner das Recht erhalten, ihren bisherigen Familiennamen dem gemeinsamen Familiennamen nicht nur nach-, sondern auch voranzustellen, und gegebenenfalls im Nationalrat eine diesbezügliche Regierungsvorlage einzubringen (StenProtNR XVII.GP 6305, 6310).

Sinn und Zweck der Änderung des §4 lag also darin, in begründeten Ausnahmefällen über eine Namensänderung eine Möglichkeit zu schaffen, daß beide Ehegatten während ihrer Ehe ihren ursprünglichen Namen weiterhin führen. Insoweit steht also §3 Z1 NÄG der Bewilligung nicht entgegen.

Im Fall des Vorliegens eines wichtigen Grundes gemäß §2 NÄG wäre der Namensänderungsantrag also nicht wegen Vorliegen des Versagungsgrunds gemäß §3 Z1 abzuweisen gewesen; die Befassung des Verfassungsgerichtshofes mit den Bedenken gegen §93 ABGB würde also wiederum an der fehlenden Präjudizialität dieser Bestimmung scheitern.

cc) Der Verfassungsgerichtshof hat zwar schon einmal einen gegen §93 ABGB gerichteten Individualantrag mit der Begründung zurückgewiesen, daß ein anderer zumutbarer Umweg in Betracht komme, nämlich ein Feststellungsantrag gemäß §8 Abs1 des Namensänderungsgesetzes (vgl VfSlg 9132/1981). Diese Entscheidung erging jedoch zu einem Zeitpunkt, als noch das alte reichsdeutsche NamensänderungsG 1938 (RGBl. 1938 I 9) in Geltung stand. Dieses Gesetz sah im Gegensatz zu dem gegenwärtig geltenden NÄG 1988 eine bescheidmäßige Feststellung des Namens ausdrücklich vor. In solchen Fällen hat der Verfassungsgerichtshof die Erlangung eines Feststellungsbescheids als zumutbaren Umweg angesehen (vgl VfSlg 9048/1981, 9470/1982, 9487/1982). Der Gerichtshof hat es aber von Anfang an unterlassen, die Subsidiarität des Individualantrags und die Subsidiarität eines gesetzlich nicht vorgesehenen Feststellungsantrags gegeneinander auszuspielen. Wenn - wie hier - der einzige Zweck eines Feststellungsbescheides darin bestünde, ein Mittel zu gewinnen, um die gegen §93 ABGB bestehenden Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, dann ist ein solcher Feststellungsbescheid seit Einführung des Individualantrages eben kein für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendiges Mittel mehr (VfSlg 11402/1987)."

Zwar hätten der zweite Satz des Abs1 und die Abs2 und 3 keine unmittelbare Auswirkung auf die Rechtssphäre der Antragstellerin, sie stünden jedoch mit den Sätzen 1 und 3 in untrennbarem Zusammenhang (Hinweis auf VfSlg. 10384/1985 zu §93 ABGB idF BGBl. 412/1974).

In der Sache ist der Antrag wie folgt begründet:

"Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragstellerin gehen in zwei Richtungen. Sie betreffen 1. die Regel, daß mangels einvernehmlicher Bestimmung der Mannesname zum gemeinsamen Familiennamen wird, und 2. den Zwang zur Führung des gleichen Familiennamens überhaupt.

1. a) §93 Abs1 Satz 3 ABGB verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art2 StGG, Art7 Abs1 B-VG, Art14 iVm Art8 bzw Art12 EMRK). Er enthält eine Bestimmung, die - ohne daß hierfür ein sachlicher Grund vorhanden wäre - Männer privilegiert: Im 'Streitfall' bzw. Zweifelsfall müssen nicht sie, sondern die Frauen ihren bisherigen Namen aufgeben und den Namen ihres Gatten führen. Darin liegt ein durch Art7 Abs1 Satz 2 B-VG ausgeschlossenes 'Vorrecht des Geschlechts' und eine durch Art14 EMRK ausgeschlossene im Geschlecht begründete Benachteiligung im Genuß der Konventionsrechte.

Diskriminierte Personen und Gruppen hatten seit jeher namensrechtliche Schikanen zu erdulden. Dies ist kein Zufall: Wer über den Namen eines anderen bestimmt, bestimmt über dessen Identität. In diesem Zusammenhang sei beispielsweise an die Demütigung der Juden erinnert, die im 19. Jahrhundert aus einer Liste 'genehmigter' Namen auszuwählen hatten und während des Dritten Reichs zwingend einen zusätzlichen Vornamen mit Kennzeichnungsfunktion führen mußten.

Auch die familiensrechtlichen Namensregeln sind ein Reflex von Machtstrukturen. In einer patriarchalischen Gesellschaft ist es nur folgerichtig, daß der Mann bei Eingehen einer Ehe seinen Namen und damit einen wesentlichen Teil seiner Identität behält, während die Frau ihren Namen und damit auch einen Teil ihrer Identität von ihrem Gatten abzuleiten gezwungen ist.

Der Gesetzgeber hat anläßlich der Familienrechtsreform 1975 versucht, das überkommene Leitbild der patriarchalischen Ehe durch jenes der partnerschaftlichen Ehe zu ersetzen, und hat dieses Ziel weitgehend verwirklicht. Seither besteht die Möglichkeit, daß die Ehegatten den Namen der Frau als gemeinsamen Familiennamen bestimmen. Die Tatsache, daß es dem Mann für diesen Fall verwehrt war, seinen bisherigen Namen dem gemeinsamen Familiennamen nachzustellen, hat dazu geführt, daß §93 ABGB in der Fassung BGBl 1975/412 vom Verfassungsgerichtshof als gleichheitswidrig aufgehoben wurde (VfSlg 10384/1985).

Die vom Gesetzgeber daraufhin getroffene Neuregelung, gegen die sich dieser Prüfungsantrag wendet, enthält wiederum eine Zweifelsregelung zugunsten des Mannesnamens. Diese war in der Regierungsvorlage noch nicht enthalten, wurde vom Justizausschuß aber damit gerechtfertigt, daß 'unnützer Verwaltungsaufwand' vermieden werde und daß der Verfassungsgerichtshof eine solche 'Zweifelsregel' für zulässig erklärt habe (AB 893 BlgNR XVI.GP 1). Damit bezieht er sich auf folgende Ausführungen im Erkenntnis VfSlg 10384/1985:

'Auch die im zweiten Satz des Abs1 (der alten Fassung) enthaltene Differenzierung dürfte im gegebenen Zusammenhang nicht von Bedeutung sein; diese Regelung scheint nämlich nicht etwa den künftigen gemeinsamen Familiennamen zu bestimmen, sondern bloß (unter Bedachtnahme auf die traditionsbedingte Wahrscheinlichkeit) die technische Vorgangsweise bei der gewiß in jedem Fall auf einem übereinstimmenden Entschluß beruhenden Auswahl des gemeinsamen

Familiennamens festzulegen ... Der VfGH wertet daher den zweiten

Satz des ersten Absatzes des §93 auch nicht als eine ... Bevorzugung

des Mannes, sondern als die technisch einfachste Form, die von den Verlobten regelmäßig gewünschte Rechtsfolge eintreten zu lassen.'

Diese Argumentation des Verfassungsgerichtshofs, bei der er sich auf einen Autor beruft, dem er bezeichnenderweise im selben Erkenntnis ein Verständnis des Gleichheitssatzes attestiert, 'das dem Bereich einer fremden Rechtsordnung entstammt', vermag nicht zu überzeugen. Daß in der Namenswahl zwischen den Verlobten immer Konsens herrscht, ist vielleicht der Regelfall. Es kommt aber immer wieder vor, daß die Verlobten dem Standesbeamten erklären, beide ihren Namen beibehalten zu wollen. Solche Fälle mögen selten sein; sie kommen aber mindestens genauso oft vor wie die Bestimmung des Namens der Frau zum gemeinsamen Familiennamen. Diesen letzteren Fall wollte der Verfassungsgerichtshof aber völlig zu Recht als gleichwertige Möglichkeit betrachtet wissen, die vom Gesetzgeber nicht wegen ihrer Seltenheit vernachlässigt werden dürfe (VfSlg 10384/1985).

Dazu kommt noch, daß die Argumentation des Verfassungsgerichtshofs entgegen der Ansicht des Ausschusses auf die von ihm formulierte Neufassung des §93 ABGB gar nicht übertragbar ist. Nach der alten, aufgehobenen Regelung bestand nur die Möglichkeit, den Namen der Frau als gemeinsamen Familiennamen zu bestimmen. Hatten sich die Verlobten hingegen auf den Namen des Mannes geeinigt, so konnten sie ihn nur dadurch zum gemeinsamen Namen machen, indem sie von jeder Namensbestimmung absahen. Nach Satz 2 des §93 Abs1 der heute geltenden Fassung ist hingegen sowohl die Bestimmung des Namens des Mannes als auch die Bestimmung des Namens der Frau zum gemeinsamen Namen möglich. Ginge die Auswahl des gemeinsamen Familiennamens wirklich in jedem Fall auf einen übereinstimmenden Entschluß der Ehegatten zurück, wie der Gerichtshof behauptet hat, so wäre die heutig geltende, in Satz 3 des §93 Abs1 ABGB enthaltene Zweifelsregel überflüssig: Es könnte mit Satz 2 problemlos das Auslangen gefunden werden.

In der Regierungsvorlage zur Neuregelung, die die tatsächliche Situation realistischer einschätzt, wird aber deutlich, daß der Gesetzgeber der angefochtenen Zweifelregel eine andere Bedeutung beimißt. Dort hat er nämlich betont, daß eine gesetzliche Namensregel für eben jene Fälle erforderlich sei, in denen sich die Verlobten nicht einigen konnten (RV 865 BlgNR XVI.GP 4). Die ursprünglich geschlechtsneutral formulierte Fassung, deren Sachlichkeit hier nicht zu erörtern ist, wurde im Justizausschuß durch die schlußendlich Gesetz gewordene Bevorzugung der Männer ersetzt.

Dem Gesetzgeber ist es zwar durch den Gleichheitssatz nicht verwehrt, auf Unterschiede zwischen Mann und Frau Rücksicht zu nehmen. Art7 Abs1 B-VG enthält also kein absolutes Differenzierungsverbot, sondern läßt sachlich gerechtfertigte Unterscheidungen zu. Differenzierungen nach dem Geschlecht können jedoch nur dann als sachlich gerechtfertigt angesehen werden, wenn sie in biologisch-funktionalen Unterschieden gründen. Denn es wäre verfehlt, das Diskriminierungsverbot des Art7 Abs1 Satz 2 B-VG, der sich gegen überkommene traditionsbedingte Privilegierungen wendet, durch eine Berufung auf eben diese Tradition sachlich rechtfertigen zu wollen. Dieser Unterschied zwischen allgemeinem Sachlichkeitsgebot und Diskriminierungsverbot ist im gegebenen Zusammenhang von entscheidender Bedeutung: Für die Frage, welcher Name zum gemeinsamen Familiennamen werden soll, ist aus der Biologie nichts zu gewinnen. Für die 'sachliche Rechtfertigung' der Bevorzugung des Mannes können allenfalls die bisherige Tradition sowie andere gesellschaftliche Gründe wie etwa die geringere Berufstätigkeit von Frauen ins Treffen gebracht werden - also lediglich Umstände, gegen die sich das Verbot sexueller Diskriminierung wendet. Diesen Sachverhalt hat Bydlinski durch die plastische Bemerkung auf den Punkt gebracht, daß seiner Meinung nach eine Interessenabwägung wohl für die Beibehaltung der Maßgeblichkeit des Mannesnamens spreche, daß 'die Verfassung ... jedoch bedauerlicherweise die Gleichberechtigung ohne Vorbehalt einer Interessenabwägung angeordnet' habe (1. ÖJT I/1, 102 ff). Dem ist auf verfassungsrechtlicher Ebene nichts hinzuzufügen.

Auch der vom Gesetzgeber festzulegende Name des Kindes zwingt nicht zu einer die Frauen diskriminierenden Ausgestaltung des Familiennamens. Sowohl ausländische Rechtsordnungen als auch die aktuelle rechtspolitische Diskussion machen deutlich, daß praktikable Lösungen gefunden werden können, ohne den Grundsatz der Gleichberechtigung preiszugeben (BVerfG 5.3.1991 - 1 BvL 83/86, 1 BvL 24/88 = EuGRZ 1991, 105 (107)).

b) Gemäß Art5 des am 1.11.1988 in Kraft getretenen 7. ZP zur EMRK genießen Ehegatten in ihren Beziehungen privatrechtlicher Art hinsichtlich der Eingehung der Ehe, während der Ehe und bei Auflösung der Ehe gleiche Rechte und Pflichten. Nach den meisten europäischen Rechtsordnungen sind eherechtliche Namensvorschriften Bestimmungen des Privatrechts, die folglich an Art5 des 7. ZP zu messen sind. Die Schweiz und Frankreich sind deswegen dem 7. ZP nur unter einem Vorbehalt beigetreten, daß Art5 die innerstaatlichen Namensregelungen bei Eingehen einer Ehe nicht berühre.

Österreich hat keinen vergleichbaren Vorbehalt erklärt. Die in Satz 3 des §93 Abs1 ABGB enthaltene Zweifelsregelung zugunsten des Mannes privilegiert diesen gegenüber der Frau und verstößt somit auch gegen Art5 des 7. ZP zur EMRK.

c) Die geltend gemachten Bedenken werden auch dadurch nicht entkräftet, daß es den Verlobten selbstverständlich freisteht, auf die Schließung einer Ehe zu verzichten, wenn sie sich über den gemeinsamen Familiennamen nicht einigen können. Im Gegenteil:

Eine Regelung, die die Verlobten ohne zwingenden Grund vom Eingehen einer Ehe abhält, begegnet allein deswegen verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. Art12 EMRK).

d) Die Möglichkeit des im Namensstreit unterlegenen Gatten, seinen bisherigen Namen dem gemeinsamen Familiennamen nachzustellen, vermag an der Gleichheitswidrigkeit der Zweifelsregel nichts zu ändern. Sie führt allenfalls zu einer 'Bindestrich-Emanzipation', die beiden Geschlechtern offensteht und allein schon deshalb keinen Ausgleich für die durch §93 Abs1 Satz 3 herbeigeführte Benachteiligung der Frau bewirken kann.

Ebensowenig liegt eine sachliche Rechtfertigung für die Benachteiligung der Frau darin, daß es nunmehr unter bestimmten Umständen möglich ist, daß Ehegatten über eine Namensänderung die Führung getrennter Namen durchsetzen können (vgl §4 Satz 2 NÄG). Abgesehen davon, daß hiezu ein wichtiger Grund im Sinn des §2 erforderlich ist, der in den seltensten Fällen glaubhaft zu machen sein wird, steht die Möglichkeit, über einen Namensänderungsantrag den aufgegebenen Namen wiederzuerlangen, jedem im Namensstreit unterlegenen Ehegatten zu. Eine Kompensation der Diskriminierung der Frau liegt demnach nicht vor.

2. Die Antragstellerin hält überdies den Zwang zu einem gemeinsamen Familiennamen für verfassungswidrig.

Art8 Abs1 der EMRK stellt das Privat- und Familienleben unter verfassungsrechtlichen Schutz. Jeder staatliche Eingriff in diesen Bereich bedarf einer Rechtfertigung gemäß Art8 Abs2

EMRK.

a) §93 Abs1 zwingt die Ehegatten dazu, einen gemeinsamen Familiennamen zu führen, und verpflichtet daher regelmäßig einen Ehepartner, einen anderen als den bisherigen Namen zu führen. Eine solche Verpflichtung greift in das Privatleben ein.

Der in Art8 EMRK verankerte Begriff des 'Privatlebens' ist nicht leicht zu definieren. Übereinstimmung besteht aber darüber, daß das Recht auf Achtung des Privatlebens dem Individuum eine Sphäre sichern soll, in dem es die Entwicklung und Erfüllung seiner Persönlichkeit anstreben könne, und daß Maßnahmen, die Verhaltensweisen regeln, die gemeinhin als Ausdruck der Persönlichkeit gewertet werden, als Eingriff in das Privatleben angesehen werden (Frowein/Peukert, Kommentar zur EMRK (1985) 195 ff).

Der Name einer Person vermittelt ihr eine benennbare, von anderen abgrenzbare Identität. Er gehört daher zunächst zur 'Intimsphäre' jeder Person. Ein Verzicht auf den bisherigen Namen ist in gewisser Weise auch ein Verzicht auf einen Teil der eigenen Persönlichkeit mit ihren bisherigen Entwicklungen und Entwicklungsmöglichkeiten, für die dieser Name steht. Jeder staatliche Zwang, den bisherigen Namen zu ändern, greift daher in den durch Art8 Abs1 EMRK geschützten Bereich ein. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß über den eigenen Namen die Person auch in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt. Denn nicht in jedem Fall, wenn eine Person in die Öffentlichkeit geht, verliert sie den aus Art8 EMRK erfließenden Schutz. Es gehört mit zum Privatleben, unter jenem Namen, unter dem man sich 'einen Namen' gemacht hat, öffentlich auftreten zu können.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat unlängst die staatliche Weigerung, einer Transsexuellen die Änderung ihres ursprünglich männlichen Vornamens zu ermöglichen, als Eingriff in Art8 EMRK qualifiziert (EGMR 25.3.1992, B. gegen Frankreich, Serie A 232-C, §§44, 58). Für den staatlichen Zwang, im Fall einer Eheschließung seinen Namen zu wechseln, kann nichts anderes gelten.

b) Jeder staatliche Eingriff in Art8 Abs1 EMRK ist an Abs2 dieser Bestimmung zu messen. Er muß demnach gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sein.

In Betracht kommt hier allenfalls der Grund der Verteidigung der Ordnung oder jener des Schutzes der Moral. Eine Rechtfertigung des Eingriffs durch die angeführten Gründe würde jedoch von Begriffen der 'Ordnung' und der 'Moral' ausgehen, die in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz mehr haben. Gesellschaften, in denen Ehegatten auf ihren ausdrücklichen Wunsch während der Ehe weiterhin ihren bisherigen Namen führen dürfen, sind weder weniger ordentlich noch weniger moralisch als Gesellschaften, die die Ehgatten auf einen gemeinsamen Namen festlegen. Darum hat es sich mittlerweile schon zu einem europäischen Standard entwickelt, auch Paaren die Ehe zu ermöglichen, die ihren bisherigen Familiennamen behalten wollen (vgl den Überblick bei Dethloff/Walter, EuGRZ 1987, 41 (43 f)). Selbst Deutschland hat den erstmals durch das ALR 1794 eingeführten Zwang zu einem einheitlichen Familiennamen kürzlich preisgegeben.

Der EGMR hat in der bereits erwähnten Transsexuellen-Entscheidung u.a. in der Weigerung des Staates, die Änderung des Vornamens zu ermöglichen, eine Verletzung des Art8 EMRK erblickt (B. gegen Frankreich, Serie A 232-C, §§58, 63). Wenn der Gesetzgeber durch Art8 EMRK aber schon für derart seltene Fälle aktive Vorsorge zu treffen gezwungen ist, umso mehr muß es ihm verwehrt sein, Menschen allein deshalb gegen ihren Willen zur Preisgabe ihres bisherigen Namens zu zwingen, weil sie von dem in Art12 EMRK verbürgten Grundrecht Gebrauch machen wollen.

Der in §93 Abs1 Satz 1 ABGB verankerte Zwang zu einem einheitlichen Familiennamen verstößt daher gegen Art8 EMRK."

2. Die Bundesregierung legt dar, daß sie sich für die laufende Gesetzgebungsperiode unter anderem die Weiterentwicklung des Namensrechts im Sinne der Gleichstellung von Mann und Frau in der Ehe zum Ziel gesetzt habe, es aber als ihre Aufgabe betrachte, die für die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung sprechenden Argumente vorzubringen, und führt aus:

Zum Grundsatz des gemeinsamen Familiennamens:

"Wie die Europäische Kommission für Menschenrechte dargelegt hat, soll das Grundrecht auf Privatleben dem Einzelnen eine Sphäre sichern, in der er die Entwicklung und Erfüllung seiner Persönlichkeit anstreben könne; nicht jede Regelung, die die Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung einschränkt, kann jedoch nach Auffassung der Kommission als Eingriff in den Schutzbereich des Art8 EMRK qualifiziert werden: Ein Eingriff liege insbesondere nicht vor, wenn das Individuum sein Privatleben in Kontakt mit dem öffentlichen Leben oder mit anderen geschützten Interessen bringe. Es ist jedoch zu betonen, daß die Frage, welchen Namen eine Person führt, keinesfalls als bloße Privatsache anzusehen ist! Der Name einer Person entfaltet seine Bedeutung erst im Verkehr mit dritten Personen, insbesondere auch im Verkehr mit den Behörden und im Rechtsleben überhaupt.

In diesem Zusammenhang erscheint auch von Bedeutung, daß hinsichtlich der Regelung der Namensbestimmung für den innerstaatlichen Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum anzunehmen sein wird (vgl. Int Komm EMRK, Köln 1986, Wildhaber, Art8 RZ 179). Zur Rechtfertigung der angefochtenen Regelung wäre dabei auf folgendes hinzuweisen:

Der österreichische Gesetzgeber ist bestrebt, der oben bezeichneten Bedeutung des Namens Rechnung zu tragen, indem §93 ABGB die namensrechtliche Einheit des Familiennamens bezweckt. Der gemeinsame Familienname dokumentiert die Zusammengehörigkeit der Ehegatten gegenüber Dritten. Besondere Bedeutung erlangt diese Außenwirkung des gemeinsamen Familiennamens für die der Ehe entstammenden Kinder. Für sie ist die gesellschaftliche Einordnung und ihre Identifikation mit den Eltern leichter, wenn sie denselben Familiennamen wie die Eltern führen. Zugleich wird das Eltern-Kind-Verhältnis, das in sozialer und rechtlicher Hinsicht in vielerlei Weise von Bedeutung ist, gegenüber Dritten dokumentiert. Der gemeinsame Familienname erfüllt somit eine bedeutsame Funktion im sozialen Leben und im rechtlichen Verkehr.

Zum Begriff der 'Achtung' der in Art8 Abs1 EMRK umschriebenen Schutzgüter hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ua. in der von der Antragstellerin ... erwähnten Entscheidung im Fall B. gegen Frankreich ausgesprochen, daß hierunter, unter Bedachtnahme auf den Ermessensspielraum des Staates, die Herstellung eines ausgewogenen Gleichgewichts zwischen dem Allgemeininteresse und den Interessen des Einzelnen zu verstehen ist. Im gegebenen Zusammenhang ist daher von wesentlicher Bedeutung, daß §93 ABGB denjenigen Ehegatten, dessen bisheriger Familienname nicht zum Ehenamen wird, keineswegs des Rechts der Weiterführung des Familiennamens beraubt: Der bisherige Familienname kann ja in der Form weitergeführt werden, daß er dem gemeinsamen Familiennamen nachgestellt wird, wenngleich dies nicht in allen Fällen zum Tragen kommt. Damit wird das Interesse beider Eheschließenden an der Weiterführung des bisherigen Familiennamens, unter Berücksichtigung der vorhin dargestellten Interessen, vom Gesetzgeber gewahrt. Schon deswegen kann nicht gesagt werden, daß der Gesetzgeber des §93 ABGB es an der Achtung (im Sinne des Art8 Abs1 EMRK) vor diesem Interesse fehlen lasse.

Die Berufung der Antragstellerin ... auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall B. gegen Frankreich erscheint unzutreffend: B. bekämpfte die Unmöglichkeit einer Änderung des männlichen Vornamens, der im Gegensatz zu ihrem weiblichen Äußeren stand und sie nötigte, in zahlreichen Situationen die Tatsache der Geschlechtsumwandlung - einen zu ihrem Privatleben gehörenden Umstand - zu offenbaren. Mag nun zwar am Verbergen einer solchen Tatsache ein schutzwürdiges Interesse bestehen, so sind doch für eine unveränderte Beibehaltung des bisherigen Familiennamens ungeachtet einer erfolgten Eheschließung keine vergleichbaren Gründe erkennbar."

Zu §93 Abs1 letzter Satz:

"Im Lichte des Gleichheitssatzes:

...

Der Grundsatz des einheitlichen Familiennamens ist gesetzlich so umgesetzt, daß den Verlobten eine sehr weitgehende Gestaltungsmöglichkeit eingeräumt ist. Wenn aber die Verlobten bei der Eheschließung keinen gemeinsamen Familiennamen vereinbaren, so muß, wenn der Grundsatz der Einheit des Familiennamens verwirklicht werden soll, der Familienname gesetzlich bestimmt werden (der Grundsatz wäre auch verwirklicht, wenn den Verlobten mangels Einigung über den gemeinsamen Familiennamen die Eheschließung verwehrt würde; doch wäre dies keine grundrechtskonforme Lösung). Dadurch, daß der Gesetzgeber den 'Namenskonflikt' der Verlobten zugunsten des Mannesnamens entschieden hat, hat er an die Rechtstradition angeknüpft und zugleich eine Lösung gefunden, die einfach handhabbar ist. In den Fällen, in denen die Verlobten ohnehin den Mannesnamen als gemeinsamen Familiennamen wünschen, macht diese Regelung eine Vereinbarung über den gemeinsamen Familiennamen überflüssig. Dies sind bei weitem die meisten Fälle. Die sachliche Rechtfertigung der Bestimmung des §93 Abs1 dritter Satz ABGB ist daher einerseits in der Rechtstradition und andererseits in ihrer einfachen Vollziehbarkeit zu suchen, weil sie in den allermeisten Fällen mit dem Willen der Verlobten in Einklang steht. Der Verfassungsgerichtshof wertete in diesem Sinne in seinem Erkenntnis Slg. 10.384/1985 die damalige Regelung nicht als eine Bevorzugung des Mannes, sondern (lediglich) 'als die technisch einfachste Form, die von den Verlobten regelmäßig gewünschte Rechtsfolge eintreten zu lassen'. Soweit die Antragstellerin ... die Argumentation des Verfassungsgerichtshofes in diesem Erkenntnis nicht für überzeugend hält, bezieht sie sich lediglich auf den Fall, daß die Verlobten gar keinen gemeinsamen Familiennamen wünschen. Diesbezüglich ist auf das oben unter 1. Gesagte zu verweisen.

Zu möglichen Alternativen zur derzeitigen Regelung ist zu bemerken, daß ein Losentscheid im Hinblick auf sein aleatorisches Element als nicht sachgerecht abzulehnen wäre; die Anknüpfung an andere Kriterien, etwa an die alphabetische Einordnung der Familiennamen der Verlobten, wäre im Ergebnis ebenfalls eine Anknüpfung an sachfremde Kriterien.

b) Im Lichte des Art5 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK:

Die Antragstellerin ... macht des weiteren einen Verstoß gegen Art5 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 628/1988, geltend. Nach dieser im Verfassungsrang stehenden Bestimmung haben Ehegatten untereinander (und in ihren Beziehungen zu ihren Kindern) gleiche Rechte und Pflichten privatrechtlicher Art hinsichtlich der Eheschließung, während der Ehe und bei Auflösung der Ehe. Nun kann aber argumentiert werden, daß es sich bei der durch den Grundsatz des gemeinsamen Familiennamens bewirkten Namensänderung eines der Eheschließenden zwar um eine persönliche Rechtswirkung der Ehe, aber nicht um Rechte und Pflichten der Ehegatten untereinander handelt. Indem das Gesetz nämlich eine Regelung über einen gemeinsamen Familiennamen der Ehegatten trifft, regelt es nicht die Beziehungen zwischen den Ehegatten.

Für die Auslegung der in Rede stehenden Verfassungsbestimmung erscheint es im Gegensatz zu den Ausführungen der Antragstellerin ... ohne Belang, ob andere Vertragsstaaten Vorbehalte mit Bezug auf ihr innerstaatliches Namensrecht erklärt haben."

II. Der Antrag ist zulässig.

Es ist offenkundig, daß die verheiratete Antragstellerin, deren Name aufgrund der angegriffenen Vorschrift bestimmt wird, von dieser unmittelbar betroffen ist. Auch die Bundesregierung hat die Zulässigkeit des Antrages nicht in Zweifel gezogen. Die nach Wegfall des Namensfeststellungsverfahrens verbliebene Möglichkeit der Einleitung eines Verfahrens zur Namensänderung ist kein gangbarer Weg, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des - eine untrennbare Einheit bildenden - §93 ABGB vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen, weil nicht gesichert ist, daß sie auf diesem Weg an den Gerichtshof herangetragen werden kann (vgl. G175,176/92 vom 2. Dezember 1993).

III. Der Antrag ist aber nicht

begründet.

1. Die Antragstellerin wendet sich in erster Linie gegen die Regelung des dritten Satzes in Abs1 der angegriffenen Bestimmung, wonach der Familienname des Mannes gemeinsamer Familienname wird, wenn die Verlobten keinen Familiennamen bestimmt haben. Grundlage dieser Vorschrift sind jedoch die vorangehenden Sätze 1 und 2, wonach aus den Familiennamen der Verlobten ein gemeinsamer Familienname zu bestimmen ist. Nur diese Voraussetzung macht den dritten Satz erklärlich. Geht der Gesetzgeber vom Erfordernis des gemeinsamen Familiennamens aus, bleibt ihm indessen nur wenig Spielraum. Einer der Verlobten muß sich dann mit der Möglichkeit begnügen, seinen bisherigen Familiennamen dem zu wählenden gemeinsamen Familiennamen anzufügen. Ähnliche Entscheidungen über wesentliche Fragen der persönlichen Lebensgestaltung werden den Verlobten bei jeder Eheschließung in vielerlei Hinsicht abverlangt. Letztlich könnte selbst der Gesetzgeber - will er die Trauung nicht mangels Einigung über den Familiennamen scheitern lassen - nur das Los zur Entscheidung berufen. Soll der amtliche Einsatz solcher aleatorischer Mittel vermieden werden, muß den Verlobten, die sich beide weigern, den Familiennamen des anderen als gemeinsamen zu führen, eben klar sein, daß sie die Ehe nicht schließen können. Begehren sie gleichwohl die Trauung, haben sie sich offenbar mit der Notwendigkeit eines gemeinsamen Familiennamens abgefunden und ihre Wahl getroffen. Wenn das Gesetz dann nicht auf einer förmlichen Erklärung besteht, sondern mangels einer solchen ausdrücklichen Wahl annimmt, daß der Name des Mannes gewählt wurde, ist dies keine Bevorzugung des Mannes, sondern - wie der Gerichtshof schon im Erkenntnis VfSlg. 10384/1984 (S. 271) dargetan hat - die Bedachtnahme auf die erfahrungsgemäß im Einzelfall vorliegenden tatsächlichen Gegebenheiten. Daß sich diese tatsächlichen Gegebenheiten bereits in einem Maße geändert hätten, das die Regelung als unsachlich erscheinen ließe (wie dies z.B. in den Erkenntnissen VfSlg. 8871/1980 oder 9995/1984 bzw. 10180/1984 der Fall war), behauptet die Antragstellerin selbst nicht.

Der Gerichtshof verkennt nicht, daß die für diese Gegebenheiten verantwortliche Tradition ihrerseits die Verlobten häufig veranlaßt, den Familiennamen des Mannes als gemeinsamen Familiennamen zu wählen. Der Gesetzgeber wäre daher auch insoweit gewiß berechtigt, auf eine Änderung der gesellschaftlichen Anschauungen hinzuwirken. Die Neufassung des §93 durch die Novelle 1986, die - anders als die Fassung aus 1974 - nicht mehr schlechthin den Namen des Mannes zum Ehenamen erklärt, falls nicht der Name der Frau gewählt wurde, sondern die Verlobten zunächst anhält, ihre Wahl zu treffen, bedeutet bereits einen Schritt in diese Richtung. Wie der Gerichtshof im Erkenntnis zum Verbot der Nachtarbeit für Frauen (G220/91 ua. vom 12. März 1992, S. 9) dargelegt hat, ist es aber gerade die Aufgabe des Gesetzgebers zu entscheiden, ob - und gegebenenfalls: wie - er die Angleichung der (tatsächlichen) Lebensverhältnisse von Frauen und Männern für die Zukunft vorantreibt. Gleiches gilt auch hier. Der Gleichheitssatz des österreichischen Bundesverfassungsrechts verpflichtet den Gesetzgeber nicht, auf eine Änderung der tatsächlichen Gepflogenheiten bei der freien Wahl des Ehenamens hinzuwirken.

Darf der Gesetzgeber aber ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz davon ausgehen, daß die notwendige Einigung auf einen gemeinsamen Familiennamen mangels ausdrücklicher Bestimmung auf den Namen des Mannes erfolgt ist, so kann auch kein Verstoß gegen Art5 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK vorliegen. In dem dieser Annahme zugrundeliegenden Konzept haben nämlich die Ehegatten untereinander durchaus "gleiche Rechte und Pflichten privatrechtlicher Art hinsichtlich der Eheschließung".

2. Folgerichtig wendet sich daher die Antragstellerin gegen den Zwang zur Wahl eines gemeinsamen Familiennamens als der Ursache der bekämpften Bestimmung selbst. Was sie dagegen vorbringt, schlägt aber gleichfalls nicht durch. Der Name, den eine Person für die Öffentlichkeit führt - und nur darum kann es hier gehen -, ist zwar eng mit ihrem Privat- und Familienleben verbunden; die Regelung der Namensführung erschöpft sich aber nicht in der Regelung der privaten Lebensverhältnisse, sondern entfaltet darüber hinaus eine wichtigen öffentlichen Interessen dienende Ordnungsfunktion. Das Namensrecht steht daher insgesamt einer Ordnung durch den Gesetzgeber offen und kann von diesem nach durchaus unterschiedlichen Grundsätzen gestaltet werden. Er kann dabei die Kontinuität des Namens wahren und die Ehegatten ihre bisher getragenen Namen weiterführen lassen oder aber die Einheit des Familiennamens in den Vordergrund stellen. Die Eheschließung ist als Neugründung einer Familie ein derart einschneidender Akt, daß an der Berechtigung des Gesetzgebers, daran namensrechtliche Folgen zu knüpfen, auch unter dem Blickwinkel des Art8 EMRK kein Zweifel bestehen kann. Die von der Antragstellerin bevorzugte Weiterführung unterschiedlicher Familiennamen durch die Ehegatten verlagert das Problem nur auf andere Situationen, insbesondere die Bestimmung des Familiennamens der Kinder.

Im übrigen kann das persönliche Interesse des Namensträgers ebenso auf einen Namenswechsel wie auf die Beibehaltung des Namens gerichtet sein. Aus der von der Antragstellerin noch ins Treffen geführten Konventionswidrigkeit einer Weigerung, bei Geschlechtsveränderung eine Änderung des (männlichen) Vornamens zu ermöglichen, läßt sich jedenfalls dann keine Konventionswidrigkeit des Zwanges zur Wahl eines gemeinsamen Familiennamens aus den Familiennamen der Verlobten ableiten, wenn der bisherige Familienname des anderen Teiles dem gewählten gemeinsamen Familiennamen angefügt werden kann. Mit dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber dem Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art8 EMRK Genüge getan.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 erster Satz VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Namensrecht, Eherecht, geschlechtsspezifische Differenzierungen, öffentliches Interesse, Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:G227.1992

Dokumentnummer

JFT_10068782_92G00227_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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