TE Vwgh Beschluss 2022/10/19 Ra 2022/03/0227

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Veröffentlicht am 19.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des N H in L, vertreten durch die Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH in 1230 Wien, Dr. Neumann-Gasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 25. Juli 2022, Zl. LVwG-S-2677/001-2021, betreffend Übertretung des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dem Revisionwerber - in Bestätigung und Richtigstellung des Spruches eines Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 20. Oktober 2021 - zur Last gelegt, er habe als Lenker eines LKW mit näher bestimmtem Kennzeichen am 7. August 2020 gegen 12:54 Uhr „auf der Autobahn A1 Strkm. 62,5, in Fahrtrichtung Linz“, acht schwarze Fässer ohne Gefahrzettel 4.2 und zwei Fässer mit nichtlesbarem derartigem Gefahrzettel transportiert, wobei es sich um Versandstücke mit gefährlichem Gut UN 3088 gehandelt habe. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung des Lenkens entgegen § 13 Abs. 2 Z 3 Gefahrgutbeförderungsgesetz - GGBG (Lenken einer Beförderungseinheit mit gefährlichen Gütern ohne vorschriftsmäßig angebrachte Gefahrzettel) begangen, wobei der festgestellte Mangel unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der Beförderung in die Gefahrenkategorie II eingestuft sei. Auf Grund der Übertretung des § 37 Abs. 2 Z 9 iVm § 13 Abs. 2 Z 3 GGBG idF BGBl. I Nr. 47/2018 iVm ADR 2019 Absatz 5.2.2.1.1 iVm Kapitel 3.2. Tabelle A wurde über ihn nach § 37 Abs. 2 lit. b GGBG idF BGBl. I Nr. 47/2018 eine Geldstrafe in der Höhe von € 110 (Ersatzfreiheitsstrafe: elf Stunden) verhängt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

2        Im Straferkenntnis der belangten Behörde vom 20. Oktober 2021 war als Tatort noch „3 V, Autobahn A1, StrKm 62,5, Fahrtrichtung Linz“ angeführt.

3        Das Verwaltungsgericht erwog zum Beschwerdevorbringen, wonach der im Straferkenntnis angegebene Tatort „3 V“ nicht im Sprengel der belangten Behörde (sondern in jenem der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten) gelegen sei, dass näher dargestellte Erhebungen ergeben hätten, dass der (im Straferkenntnis ebenfalls angegebene) Straßenkilometer 62,5 der Autobahn A1 im Stadtgebiet von St. Pölten (und damit im Sprengel der belangten Behörde) liege. Es handle sich bei der Örtlichkeit um eine Raststation, deren LKW-Parkplatz im Stadtgebiet gelegen sei, während der PKW-Parkplatz und das Restaurationsgebäude im Verwaltungsbezirk St. Pölten Land liege. Die Postleitzahl sei für die Festlegung des Tatortes nicht maßgeblich, ausschlaggebend sei die konkret angegebene Kilometrierung und Fahrtrichtung. Die belangte Behörde sei daher zur Erlassung des bekämpften Straferkenntnisses zuständig gewesen.

4        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das Verwaltungsgericht habe in Abweichung von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch den Austausch des Tatortes eine unzulässige Spruchkorrektur nach Eintritt der Verfolgungsverjährung vorgenommen.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        Der Revisionswerber vermag mit der dargestellten Zulässigkeitsbegründung keine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und daher auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen:

7        Die Revision bringt nicht vor, dass im angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes der Tatort nicht in eindeutiger und widerspruchsfreier Weise bezeichnet worden sei, dem Revisionswerber also unklar sei, welche Tat ihm an welchem Tatort angelastet werde. Der Revisionswerber behauptet auch nicht, dass der nach Straßenkilometer spezifizierte Tatort nicht im Sprengel der belangten Behörde läge. Zu klären ist daher lediglich, ob im behördlichen Verfahren - angesichts der dort verwendeten Tatortbezeichnung - eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 Abs. 2 VStG erfolgt ist und ob diese auch die vom Verwaltungsgericht letztlich abgeurteilte Tat in örtlicher Hinsicht umfasst.

8        Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, „die als erwiesen angenommene Tat“ zu enthalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es zur Erfüllung dieses Erfordernisses darauf an, dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, dass dieser in die Lage versetzt ist, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtschutzüberlegungen zu messendes sein. Diese Rechtschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 1 VStG eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt oder nicht. Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat lediglich insoweit unverwechselbar konkretisiert sein muss, dass dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. VwGH 3.3.2021, Ra 2021/03/0031, mwN, in diesem Sinne auch jüngst VwGH 1.9.2022, Ra 2022/03/0198, mwN).

9        Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um den Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. VwGH 22.8.2022, Ra 2022/02/0143, mwN).

10       Der Umstand allein, dass im Spruch des Straferkenntnisses ein unrichtiger Tatort genannt wurde, rechtfertigt noch nicht die Einstellung des Verfahrens. Das Verwaltungsgericht ist nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. VwGH 15.10.2021, Ra 2021/02/0158, mwN).

11       Vor dem Hintergrund dieser Judikatur ist entgegen der Argumentation der Revision im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Revisionswerber - angesichts der Angabe eines präzisen, durch Straßenkilometer angegebenen Tatortes, einer konkreten Tatzeit und eines konkreten, mit Kennzeichen bezeichneten Fahrzeuges - durch die Beifügung einer Ortschaft im Rahmen der Verfolgungshandlung weder der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt noch in seinen Verteidigungsrechten beschränkt war. Der Revisionswerber hat nämlich nicht vorgebracht, dass er die ihm vorgeworfene Tat an dem mit Straßenkilometer spezifizierten Tatort nicht begangen hätte, und es stellt im vorliegenden Fall der Straßenkilometer die konkretere Angabe des Tatortes als die Nennung einer Ortschaft dar. Dass das Verwaltungsgericht die Tatortangabe durch Weglassung der Ortschaftsbezeichnung samt Postleitzahl klargestellt hat, stellt damit keinen „Austausch“ des Tatortes und somit des Tatvorwurfs dar.

12       Dem steht auch nicht die vom Revisionswerber angeführte Judikatur zur „ungenauen oder unrichtigen“ Tatortbezeichnung (VwGH 30.4.1982, 81/02/0019) entgegen, betraf das zitierte Erkenntnis doch einerseits eine Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO (Mitwirkung an der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt), die anstelle „Hauptstraße in M“ richtigerweise „vor dem Wohnhaus des Beschwerdeführers in L/D“ begangen wurde und andererseits eine Übertretung des § 7 Abs. 1 StVO (Rechtsfahrgebot), für die die Angabe eines Straßenzuges („Hauptstraße in M“) als zur Konkretisierung der Tat nicht ausreichend angesehen wurde. Dem vorliegenden Fall liegt jedoch gerade ein nach Straßenkilometer präzisierter Tatort zu Grunde. Die weitere in der Revision zitierte Judikatur (VwGH 25.3.2020, Ra 2020/02/0033, 18.9.2019, Ra 2019/04/0086, und 8.3.2017, Ra 2016/02/0226) betrifft den notwendigen Inhalt der Verfolgungshandlung für den Fall der Unterstellung des Sachverhaltes unter eine andere Strafbestimmung und nicht eine Korrektur der Tatortbezeichnung.

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 19. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030227.L00

Im RIS seit

14.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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