TE Vwgh Erkenntnis 2022/10/20 Ra 2019/05/0211

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Veröffentlicht am 20.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der Salzburger Landesumweltanwaltschaft gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 17. April 2019, 405-2/67/1/46-2019, betreffend eine abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Salzburg; mitbeteiligte Partei: P GmbH in A, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Wilhelm-Spazier-Straße 2a), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1        Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2017, Ra 2016/05/0026 (im Folgenden: Vorerkenntnis), verwiesen. Mit diesem wurde das bereits im zweiten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 15. Jänner 2016, mit dem die als Beschwerde zu behandelnde Berufung der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 21. Oktober 2010 als unbegründet abgewiesen worden war und der mitbeteiligten Partei insbesondere geänderte Ausgleichsmaßnahmen aufgetragen worden waren, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil das Verwaltungsgericht die Erteilung der Bewilligung gemäß § 22b Abs. 3 Salzburger Naturschutzgesetz 1999 (NSchG) auf eine nicht nachvollziehbare Beweiswürdigung und das Entfallen der Bewilligungspflicht gemäß § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 2 letzter Satz NSchG auf eine gutachterliche Stellungnahme mit nicht ausreichender Befundnahme gestützt hatte.

2        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den oben genannten Bescheid vom 21. Oktober 2010 als unbegründet abgewiesen und der Spruch dieses Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass dessen Spruchpunkt „II.11. Auflagen aus naturschutzfachlicher Sicht:“ neu gefasst wurde; unter einem wurden die ergänzenden Projektunterlagen der mitbeteiligten Partei zum Bestandteil des Erkenntnisses erklärt (Spruchpunkt I.). Weiters wurde die mitbeteiligte Partei zur Entrichtung näher bestimmter Verwaltungsabgaben verpflichtet (Spruchpunkt II.) und ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

3        Dazu stellte das Verwaltungsgericht nach umfangreicher Darstellung des Verfahrensganges zunächst im Wesentlichen fest, dass von der mitbeteiligten Partei eine Bewilligung für eine Holz-Recyclinganlage nach den §§ 37 und 38 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 angestrebt werde, wobei im Genehmigungsverfahren alle Vorschriften anzuwenden seien, die unter anderem im Bereich des Naturschutzes für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagung eines Projektes anzuwenden seien. Seit Erlassung des angefochtenen Bescheides hätten sich die Gegebenheiten auf den verfahrensgegenständlichen Grundstücken insofern geändert als die Altbäume neben den Geleisen der Lokalbahn geschlägert und auf der Projektfläche Aufschüttungen ohne eingriffsmindernde Maßnahmen vorgenommen worden seien. Weiters sei ein neuer Durchlass unter der L. Bundesstraße errichtet worden. Anfang des Jahres 2018 sei darüber hinaus das auf der Projektfläche befindliche ehemalige Forsthaus abgerissen und die Fläche teilweise aufgeschüttet worden. In diesem Zusammenhang habe die revisionswerbende Partei mit Schreiben vom 12. Februar 2018 bei der Bezirkshauptmannschaft S. einen Antrag auf Wiederherstellung eingebracht und die Fortsetzung und Ergänzung des aufgrund ihres Antrages vom 11. Oktober 2013 eingeleiteten Wiederherstellungsverfahrens sowie „eine zeitnahe Vorschreibung artenschutzfachlich und -rechtlich zwingend erforderlicher Kompensationsmaßnahmen für die von den widerrechtlichen Handlungen des Grundeigentümers bzw. der ihm zuzurechnenden Gehilfen betroffenen geschützten Vogelarten, Fledermausarten, Amphibien und Reptilien“ beantragt. Dieses bei der Bezirkshauptmannschaft S. anhängige Verfahren sei bislang nicht abgeschlossen. Weiters erfolgten unter dem Punkt Feststellungen Ausführungen dazu, dass durch die im Beschwerdeverfahren erfolgten Modifikationen des Antrages keine Änderung der Sache gegenüber dem behördlichen Verfahren erfolgt sei.

4        Zu „den relevanten entscheidungswesentlichen naturschutzrechtlichen Fragestellungen“ führte das Verwaltungsgericht nach der Wiedergabe von Rechtsvorschriften zum Bewilligungstatbestand des § 25 Abs. 1 NSchG in Verbindung mit den Ausgleichsmaßnahmen nach § 51 NSchG im Wesentlichen aus, laut dem Gutachten des naturschutzfachlichen und der zoologischen Amtssachverständigen vom 16. Juni 2010 werde mit der Platzierung von Bauwerken und Gewerbeinfrastruktur in einem bisher zusammenhängenden Grünraum eine Zersiedelung mit nicht abschätzbaren weiteren Folgen eingeleitet und aufgrund der Rodung sei die bisherige naturnahe Bewirtschaftung des Waldbestandes nicht mehr möglich. Aufgrund der Größe der beantragten Maßnahme und der Kontrastwirkung zu den bisher maßgeblichen Landschaftsbestandteilen werde demnach jedenfalls eine erhebliche Beeinträchtigung des Charakters der Landschaft eintreten. Darüber hinaus sei von einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, des Naturhaushaltes und des Wertes der Landschaft für die Erholung auszugehen. Zusammengefasst werde im Gutachten festgehalten, dass eine Bewilligung der beantragten Maßnahme nicht empfohlen werden könne.

5        Nachdem es sich beim gegenständlichen Vorhaben um keine Maßnahme handle, die nachweislich unmittelbar besonders wichtigen öffentlichen Interessen diene und daher die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 NSchG nicht zuträfen, sei gemäß § 25 Abs. 3 NSchG die Bewilligung grundsätzlich zu versagen. § 51 Abs. 1 NSchG sehe die Erteilung der angestrebten Bewilligung unter Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen an Stelle der Untersagung des Vorhabens vor, weshalb im Revisionsfall zu prüfen gewesen sei, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 und 3 NSchG gegeben seien und aufgrund der von der mitbeteiligten Partei geplanten Ausgleichsmaßnahmen dennoch die angestrebte Bewilligung erteilt werden könne.

6        Dazu hätten die Amtssachverständigen ausgeführt, dass bei Einbeziehung der zwischenzeitig durchgeführten Maßnahmen aufgrund der geänderten Situation (Schlägerung der Altbäume neben den Geleisen der Lokalbahn sowie verstärkte Amphibienwanderung durch einen weiteren, neu errichteten Durchlass unter der L. Bundesstraße) nicht mehr davon auszugehen sei, dass die positiven Auswirkungen der angebotenen Ausgleichsmaßnahmen die nachteiligen Auswirkungen des beantragten Projektes erheblich überwögen. Nachdem seitens der mitbeteiligten Partei ergänzende Ausgleichsmaßnahmen angeboten worden seien (Errichtung einer Kleintiersperre an der Bundesstraße und Wiederherstellung bzw. Optimierung bestehender Laichgewässer) habe der Sachverständige für Naturschutz in der Verhandlung vom 19. April 2015 ergänzend ausgeführt, dass diese Maßnahmen von der Konzeption her grundsätzlich geeignet seien und aus seiner Sicht - entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Partei - kein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Projekt feststellbar sei. Der Sachverständige habe ausdrücklich ein erhebliches Überwiegen der angebotenen Ausgleichsmaßnahmen festgestellt. In Summe sei laut dem Sachverständigen davon auszugehen, dass die positiven Wirkungen des Gesamtpaketes aller bisher angebotenen Ausgleichsmaßnahmen die zu erwartenden Beeinträchtigungen durch die Abfallbehandlungsanlage erheblich überwögen. Weiters hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die zoologische und der naturschutzfachliche Amtssachverständige nachvollziehbare, ins Detail gehende, in quantitativer und qualitativer Hinsicht konkrete fachliche Feststellungen über Art und Ausmaß der Auswirkungen der Ausgleichsmaßnahmen auf den Naturhaushalt bzw. das Landschaftsbild erstattet hätten. Auf der Grundlage des dargestellten Sachverständigenbeweises sei daher festzustellen, dass die Verbesserung insgesamt die nachteiligen Auswirkungen jener Maßnahme, die bewilligt werden solle, im gegenständlichen Landschaftsraum erheblich übersteige. Der Beschwerde der revisionswerbenden Partei sei in diesem Punkt daher keine Folge zu geben und die Genehmigung gemäß § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 51 NSchG unter Vorschreibung der erforderlichen Auflagen zu erteilen gewesen.

7        Zur Bewilligung nach § 22b Abs. 2 und 3 NSchG hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass die verfahrensgegenständliche Anlage fast unmittelbar an das Europaschutzgebiet S. im Sinn der FFH-RL sowie der Vogelschutz-RL angrenze. Für das Europaschutzgebiet S. sei bislang keine Verordnung der Landesregierung nach § 22a NSchG erlassen worden. Da nach § 5 Z 8 NSchG ein Eingriff in ein geschütztes Gebiet auch dann vorliege, wenn die Maßnahme selbst außerhalb des Gebietes ihren Ausgang nehme, komme die Regelung des § 22b NSchG zum Tragen. Seien erhebliche Beeinträchtigungen des fraglichen Gebietes nicht ausgeschlossen, so sei die Maßnahme (das Projekt) nach § 22b Abs. 2 NSchG bewilligungspflichtig. Für die meritorische Beurteilung nenne Abs. 3 als Prüfungsmaßstäbe dieser Verträglichkeitsprüfung das Verbot der Verschlechterung geschützter Lebensräume bzw. erheblichen Störung geschützter Arten und das Fehlen eines Widerspruches zum Ziel der Erhaltung und Schaffung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser Lebensräume und Arten.

8        Im Revisionsfall seien der naturschutzfachliche und die zoologische Amtssachverständige in ihrem im Verfahren vor der belangten Behörde abgegebenen Gutachten zu dem Schluss gelangt, dass eine Verschlechterung der unter § 22b Abs. 2 NSchG fallenden Lebensräume oder eine erhebliche Störung der unter diese Bestimmung fallenden Arten nicht zu erwarten sei und auch dem Ziel der Erhaltung oder Schaffung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser Lebensräume nicht widersprochen werde. Im Zuge des Beschwerdeverfahrens seien die fachlichen Ausführungen durch die Amtssachverständigen ergänzt worden und die zoologische Amtssachverständige habe nach Ergehen des Vorerkenntnisses mit Schreiben vom 2. November 2017 eine - in der Folge wörtlich zitierte - ergänzende Stellungnahme zum Kammmolch abgegeben. In ihrer ergänzenden Stellungnahme aus naturschutzfachlich-zoologischer Sicht vom 30. Jänner 2019 habe die Amtssachverständige zur Situation des Kammmolches im näher genannten Gebiet informationshalber darauf hingewiesen, dass im Zuge eines derzeit laufenden Projektes 14 Laichgewässer im FFH-Gebiet S. angelegt worden seien. Eine Evaluierung dazu werde im Frühjahr/Sommer 2019 durchgeführt werden.

9        Das Verwaltungsgericht gehe aufgrund der nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen somit davon aus, dass die beantragten Maßnahmen keine Verschlechterung der unter § 22b Abs. 2 NSchG fallenden Lebensräume und keine erhebliche Störung der unter diese Bestimmung fallenden Arten bewirken könnten und überdies dem Ziel der Erhaltung oder Schaffung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser Lebensräume oder Arten nicht zuwiderlaufen würde, weshalb die Bewilligung gemäß § 22b Abs. 3 NSchG zu erteilen sei und der Beschwerde der revisionswerbenden Partei diesbezüglich daher keine Folge zu geben gewesen sei. Hinsichtlich des seitens der revisionswerbenden Partei ins Treffen geführten Mahnschreibens der Europäischen Kommission an die Republik Österreich sei auf die Ausführungen der zoologischen Amtssachverständigen zu verweisen, wonach von Seiten des Landes Salzburg ein anderes Gebiet vorgeschlagen und dieses seitens der EU als ausreichend angesehen worden sei. Der Kammmolch werde daher diesbezüglich nicht mehr angeführt und es bestehe kein Erweiterungsbedarf mehr im verfahrensgegenständlichen Bereich.

10       Zur Bewilligungspflicht nach § 34 Abs. 3 NSchG hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass es sich bei allen Arten von Fledermäusen, allen in Salzburg vorkommenden, nicht jagdbaren Vogelarten sowie beim Kammmolch um richtliniengeschützte Tierarten gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 NSchG (Schutzkategorie A) handle. Bei dem in § 31 Abs. 2 NSchG genannten Verbot der Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten müsse es sich um Vorgänge handeln, die nicht unter einem durch andere, mit dem Projekt unmittelbar verbundene Ersatzmaßnahmen (Auflagen) oder Ausgleichsmaßnahmen kompensiert würden. Werde aber die ökologische Funktion der vom Eingriff betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt, könne der Verbotstatbestand nicht verwirklicht sein (Hinweis auf VwGH 18.12.2012, 2011/07/0190).

11       Im Revisionsfall hätten der naturschutzfachliche und die zoologische Sachverständige in ihrem im behördlichen Verfahren erstellten Gutachten mit näherer Begründung ausgeführt, dass allfällige Verluste von Fortpflanzungs- und Ruhestätten im Bereich des Eingriffes durch die Schaffung von Ersatzruhestätten (zB Nistkästen) ausgeglichen werden könnten, sodass bei Übernahme der von ihnen vorgeschlagenen Auflagen nicht von einer Zerstörung oder Beschädigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten dieser Tiere durch die Anlage gesprochen werden könne.

12       Im nach Ergehen des Vorerkenntnisses fortgesetzten Verfahren habe die zoologische Amtssachverständige mit Schreiben vom 2. November 2017 eine - in der Folge wörtlich zitierte - ergänzende fachliche Stellungnahme in Bezug auf Fledermäuse abgegeben. Im Auftrag der revisionswerbenden Partei habe die Fledermausexpertin Mag. W. das „alte Forsthaus“ hinsichtlich des Vorkommens der „Kleinen Hufeisennase“ untersucht und das - in der Folge wörtlich zitierte - Ergebnis dieser Untersuchung am 14. September 2016 im Kapitel „Diskussion und Zusammenfassung“ ausgeführt. Am 23. August 2017 habe Mag. W. nach Dachbodenkontrollen und batcorder-Aufzeichnungen unter „Diskussion“ - in der Folge wörtlich zitierte - Feststellungen getroffen. Seitens der mitbeteiligten Partei sei eine Stellungnahme des Mag. Dr. R. in dieser causa vom 4. Mai 2018 vorgelegt worden, welche in der Folge ebenfalls wörtlich wiedergegeben wird. Weiters wird die dazu seitens der Amtssachverständigen aus zoologischer Sicht in Bezug auf Fledermäuse ergänzende Stellungnahme vom 30. Jänner 2019 wörtlich zitiert.

13       Anschließend führte das Verwaltungsgericht aus, aus den Ausführungen von Mag. Dr. R. und Mag. W. 2008 sowie von Mag. W. aus 2016 und 2017 ergebe sich das Vorhandensein eines sogenannten „night roost“ der Kleinen Hufeisennase im mittlerweile vom Grundeigentümer abgerissenen ehemaligen Forsthaus. Nach den Ausführungen des Fledermausexperten Mag. Dr. R. in der Stellungnahme vom 4. Mai 2018 sei insgesamt davon auszugehen, dass mit dem Verlust des Forsthauses als night roost für die Kleine Hufeisennase kein negativer Einfluss auf die Population zu erwarten sei. Die Nutzung des ehemaligen Forsthauses als Balz- und Paarungsquartier habe er als nicht gänzlich ausgeschlossen, aber äußerst unwahrscheinlich beurteilt. Die Aussagen des Mag. Dr. R., die aus fachlicher Sicht der Amtssachverständigen logisch und nachvollziehbar seien, habe die Amtssachverständige geteilt und diese habe dazu ausgeführt, dass dieser night roost als Ruhestätte gesehen werden könne, doch würde sie eine von mehreren im Jagdgebiet dieser Art darstellen, auf die ausgewichen werden könne. Das Vorliegen einer Fortpflanzungsstätte für die Kleine Hufeisennase im ehemaligen Forsthaus sei gutachterlich nicht belegt. Nach diesen Ausführungen der Sachverständigen, die begründet, schlüssig und nachvollziehbar seien, werde somit die ökologische Funktion der vom Eingriff betroffenen Ruhestätte (night roost) für die Kleine Hufeisennase im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt, weshalb der Verbotstatbestand der Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten nicht verwirklicht sein könne.

14       In Bezug auf die Vögel - ausgenommen den Halsbandschnäpper - habe die zoologische Amtssachverständige dargelegt, dass lediglich Einzelindividuen pro Art betroffen seien und durch die Aufwertung des angrenzenden Waldbestandes eine Aufwertung der Lebensräume für die betroffenen Arten und damit ein entsprechender Ausgleich geschaffen worden sei, weshalb bei Einhaltung der Auflage betreffend die Schlägerungszeiten davon ausgegangen werden könne, dass es zu keiner Tötung und zu keiner Vernichtung von Fortpflanzungsstätten von Vögeln kommen werde. Hinsichtlich des Halsbandschnäppers seien seitens der mitbeteiligten Partei aufgrund spezieller „Nachforderungen aus fachlicher Sicht“ Projektkonkretisierungen in Bezug auf die Lage der Nistkästen für den Halsbandschnäpper durchgeführt worden. Dazu hätten die Amtssachverständigen in der naturschutzfachlichen Stellungnahme vom 25. August 2015 festgestellt, dass das nunmehr ausgewählte Areal eine prinzipiell geeignete Fläche für die Bildung von Halsbandschnäpperrevieren darstelle, wenn die Nistkästen an geeigneten Stellen dieses Areals situiert würden, weshalb die näher bezeichneten Auflagenpunkte angepasst worden seien.

15       Für die spaltenbewohnenden Fledermäuse seien mit den im Einreichprojekt geplanten künstlichen Fledermausquartieren geeignete Ersatzquartiere vorgesehen. Die Nutzung derartiger Fledermausbretter durch Bartfledermäuse sei laut der Amtssachverständigen nachgewiesen worden. Wenngleich keine Nachweise von Quartieren baumhöhlenbewohnender Arten hätten erbracht werden können, sei im Umfeld des Projektgebietes vorsorglich die Anbringung verschiedener Fledermaushöhlen vorgesehen, um gegebenenfalls Ausweichquartiere anzubieten. Es seien mehrere Auflagen zum Fledermausschutz festgelegt worden, wodurch die Situierung der Alternativquartiere bestmöglich gewährleistet werden solle. Durch die vorgesehene Waldumwandlung und die Schaffung von Gewässern würden die umgrenzenden Bereiche laut den Ausführungen der Amtssachverständigen aufgewertet und es sei insgesamt davon auszugehen, dass sich der Zustand der Fledermauspopulation nicht verschlechtere.

16       In Bezug auf die im Schreiben der Amtssachverständigen vom 26. November 2014 angeführten übrigen Punkte, insbesondere die Absiedlung von Exemplaren im Projektgebiet angetroffener Arten, wie Schlingnatter und Zauneidechse, sei die zoologische Amtssachverständige zusammengefasst zu dem Ergebnis gelangt, dass die seitens der mitbeteiligten Partei dargestellte Vorgangsweise und Maßnahmen aus naturschutzfachlicher Sicht ausreichend erschienen. Wenn überhaupt Individuen vorhanden seien, sei jedenfalls nicht von einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos auszugehen.

17       Es sei daher festzustellen, dass auf Grundlage des Sachverständigenbeweises nach wie vor nicht von einer relevanten Vernichtung oder Beschädigung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten dieser Tiere durch die verfahrensgegenständliche Anlage auszugehen sei. Die Bewilligungspflicht nach § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 2 NSchG entfalle deshalb zur Gänze.

18       Aus den angeführten Gründen sei der Beschwerde der revisionswerbenden Partei somit keine Folge zu geben gewesen.

19       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, mit der dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit begehrt wird.

20       Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

21       Die Revision erweist sich angesichts des in der Zulässigkeitsbegründung aufgezeigten Abweichens von der hg. Rechtsprechung zur Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte als zulässig.

22       Gemäß § 29 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben. Weiters sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt aus, dass die bloße Zitierung von Beweisergebnissen nicht hinreichend ist, um den Anforderungen an die Begründungspflicht gerecht zu werden. Auch die Darstellung des Verwaltungsgeschehens vermag die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nicht zu ersetzen (vgl. etwa VwGH 1.7.2022, Ra 2019/06/0106, mwN).

23       Nach der hg. Rechtsprechung führt ein Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. wiederum VwGH 1.7.2022, Ra 2019/06/0106, mwN).

Den dargelegten Anforderungen an die Begründung wird das angefochtene Erkenntnis nicht gerecht:

24       Den unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Gliederung eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes (vgl. dazu etwa VwGH 12.7.2021, Ra 2020/17/0022) ununterscheidbaren Erwägungen im angefochtenen Erkenntnis ist nicht zweifelsfrei zu entnehmen, welche - (zweckmäßigerweise) im Indikativ abzufassenden - Tatsachenfeststellungen, die auf Basis welcher Beweiswürdigung getroffen wurden, das Verwaltungsgericht einer rechtlichen Beurteilung unterzog. Vielmehr erfolgt im angefochtenen Erkenntnis auf beinahe 70 Seiten eine Darstellung des Verfahrensganges, in welcher diverse Stellungnahmen und Gutachten teilweise wörtlich wiedergegeben werden. Unter dem Punkt Feststellungen werden lediglich solche zu den seit Erlassung des angefochtenen Bescheides geänderten faktischen Gegebenheiten im bzw. im Umfeld um das Projektgebiet getroffen und rechtliche Ausführungen zur vorgenommenen Antragsmodifikation getätigt. Feststellungen zu den in der Folge geprüften Bewilligungstatbeständen des NSchG fehlen darin gänzlich. Lediglich vereinzelt finden sich kursorische Sachverhaltsfeststellungen disloziert innerhalb der rechtlichen Beurteilung, wobei diese aber im Wesentlichen auch nicht vom Verwaltungsgericht selbst getroffen werden, sondern bloß den wörtlich zitierten Gutachten der Amtssachverständigen entnommen werden können. Eine nachvollziehbare Beweiswürdigung fehlt zur Gänze, eine Auseinandersetzung mit den seitens der revisionswerbenden Partei zahlreich eingebrachten Stellungnahmen und Einwendungen gegen die erstatteten Gutachten der Amtssachverständigen erfolgt nicht. Das Verwaltungsgericht begnügt sich vielmehr mit einer wörtlichen Wiedergabe der Ausführungen der Amtssachverständigen bzw. mit einem Verweis darauf und beurteilt diese pauschal als logisch, nachvollziehbar und begründet, ohne auf das dazu erstattete Vorbringen der revisionswerbenden Partei einzugehen. Wie sich aus der oben dargestellten hg. Judikatur ergibt, vermag weder die bloße Zitierung von Beweisergebnissen noch die Darstellung des Verwaltungsgeschehens die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts zu ersetzen.

25       Da sich das angefochtene Erkenntnis somit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit entzieht, war es gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 20. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019050211.L00

Im RIS seit

14.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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