TE Vwgh Beschluss 2022/10/18 Ra 2022/04/0108

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Veröffentlicht am 18.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. B P, 2. T P, 3. H S und 4. G S, alle in Z und alle vertreten durch Mag. Wolfram Schachinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hafengasse 16/4-5, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 2022, Zlen. 1. W109 2138980-4/21E, 2. W109 2138980-5/23E und 3. W109 2138980-6/5E, betreffend Antrag auf Wiederaufnahme eines Genehmigungsverfahrens nach § 17 UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: M GmbH in G), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1.1. Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 1. September 2016 wurde der mitbeteiligten Partei unter Vorschreibung von Auflagen und Befristungen die UVP-rechtliche Genehmigung für das Vorhaben „Verhüttungsanlage M [...] in Z [...]“ erteilt. Dieses sieht die Errichtung und den Betrieb einer Erzverhüttungsanlage auf dem Gelände eines ehemaligen Dampfkraftwerkes vor. Das 14 ha große Betriebsgelände liegt in der Industriezone der Stadtgemeinde Z.

2        Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerden mit Erkenntnis vom 2. August 2018 als unbegründet ab und bewilligte (in Erledigung der erhobenen Beschwerden) das beantragte Vorhaben mit der Maßgabe einer Reihe von Ergänzungen und Änderungen des behördlichen Spruches.

3        Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Dezember 2020, Ra 2018/04/0169 bis 0172, wegen Nichtvorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurückgewiesen.

4        1.2. Bereits mit den Erkenntnissen vom 21. August 2019 und vom 18. Februar 2020 hatte das BVwG Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unbegründet abgewiesen. Das BVwG kam jeweils zum Ergebnis, dass mit dem Vorbringen bzw. den vorgelegten Beweismitteln (einem zwischenzeitlich vorliegenden Prüfbericht bzw. einer zwischenzeitlich erstellten Diplomarbeit) keine neuen Tatsachen vorgebracht worden seien, die mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeiführen würden. Auch wenn - so das BVwG - von der Annahme ausgegangen würde, das Eingangsmaterial zur Anlage der mitbeteiligten Partei enthalte Asbest in hoher Konzentration, ändere dies nichts an der Annahme des BVwG im Genehmigungsverfahren. Es sei nämlich weiterhin davon auszugehen, dass eine Emission von Asbestfasern weder projektbedingt vorgesehen noch in relevanter Konzentration nach den Gutachten der Amtssachverständigen wahrscheinlich sei.

5        Die dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionen wurden vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen jeweils vom 17. Juni 2021, Ra 2020/04/0047 bis 0071, und Ra 2020/04/0113 bis 0120, wegen Nichtvorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurückgewiesen.

6        2.1. Mit den gegenständlichen Wiederaufnahmeanträgen vom 30. Juli 2021 brachten die revisionswerbenden Parteien vor, das BVwG habe in seinem Erkenntnis vom 2. August 2018 (siehe oben Rn. 2) erstmals und völlig überraschend die Auflage 140a formuliert und damit ein völlig anderes Projekt genehmigt. Dieses sei weder von den zuständigen Amtssachverständigen beurteilt, noch das Ergebnis mit den revisionswerbenden Parteien „im Parteiengehör verhandelt“ worden. Dass das BVwG ein ungeprüftes Vorhaben genehmigen werde, sei nicht vorhersehbar gewesen.

Das vorgelegte luftreinhaltetechnische Gutachten des Ingenieurbüros Dr. V vom 16. Juli 2021 zeige die Immissionen von Asbestfasern auf dem Boden durch Deposition auf. Es handle sich um ein erwartbares Ergebnis und auf Grund der Vorgehensweise nicht um eine theoretische Möglichkeit. Das Gutachten beweise auch, dass das BVwG mit der Auflage 140a ein vollkommen neues Projekt genehmigt habe und dass der Eintrag von Asbestfasern in die Umwelt wesentlich sei. Das Erkenntnis des BVwG sei zudem durch ein bewusst falsches Zeugnis der mitbeteiligten Partei erschlichen worden, die dabei vom Amtssachverständigen unterstützt worden sei. Die bereits zu einem früheren Wiederaufnahmeantrag vorgelegte Diplomarbeit und der Genehmigungsbescheid würden beweisen, dass die mitbeteiligte Partei von der Asbestverarbeitung gewusst habe. Die Verarbeitung von Asbest sei verschwiegen und verschleiert worden. Die Verhüttung von Asbest wäre konkret zu beantragen gewesen. Das vorgelegte Gutachten hole die Betrachtung der unmittelbaren und mittelbaren Immissionen von Asbestfasern auf das Schutzgut Boden nach, was der Amtssachverständige für Luftreinhaltung schlicht ignoriert habe.

7        2.2. Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Beschluss des BVwG vom 7. März 2022 wurden die Wiederaufnahmeanträge vom 30. Juli 2021 (ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung) abgewiesen. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

8        Das BVwG begründete die Abweisung damit, dass sich die Wiederaufnahmeanträge auf die Behauptung einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung stützten. Es sei vorgebracht worden, das BVwG habe mit seiner Auflage den Verfahrensgegenstand überschritten und ein gänzlich anderes Projekt genehmigt. Zu diesem sei kein Parteiengehör gewährt und die Auswirkungen auf die Umwelt seien nicht geprüft worden.

Eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Verwaltungsgericht bilde jedoch keinen Wiederaufnahmegrund gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG. Zudem setze eine Wiederaufnahme nach dieser Bestimmung voraus, dass neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel „ohne Verschulden der Partei“ nicht geltend gemacht werden konnten. Habe die Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht, obwohl ihr dies bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit möglich gewesen wäre, liege ein ihr zurechenbares Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließe. Gegenständlich sei der Inhalt der Auflage 140a im Zuge der mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2017 mit den Verfahrensparteien und den Sachverständigen umfassend erläutert worden. Es wäre den Parteien damit die Geltendmachung der Auswirkungen von Auflage 140a sowie die Einholung und Vorlage allfälliger Sachverständigengutachten im Verfahren vor dem BVwG bei gehöriger Aufmerksamkeit möglich gewesen, weshalb ein den antragstellenden Parteien zuzurechnendes Verschulden vorliege.

9        Dem Vorbringen, es liege ein „Erschleichen“ der Entscheidung im Sinn des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG vor, weil die mitbeteiligte Partei durch die vorgelegte Diplomarbeit von der Verarbeitung von Asbest gewusst haben müsse und das jetzt vorliegende Gutachten den fehlenden Teil der (auf Grund dieser Irreführung ausgeblendeten) Umweltverträglichkeitsprüfung nunmehr ermittle, hielt das BVwG entgegen, dass im vorliegenden Fall - wie schon im Erkenntnis vom 2. August 2018 festgehalten - Emissionen von Asbestfasern weder projektbedingt vorgesehen noch (nach den Gutachten der Amtssachverständigen) in relevanter Konzentration wahrscheinlich seien. Soweit man eine heimliche Verhüttung bzw. Verarbeitung von Asbest impliziere, werde damit ein konsenswidriger Betrieb einer genehmigten Anlage unterstellt. Ein solcher sei nicht Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung und auch nicht genehmigt worden. Beantragt und genehmigt worden sei vielmehr die Verhüttung bzw. Verarbeitung anderer Mineralien bzw. Stoffe aus Roherz, wobei die mitbeteiligte Partei nie bestritten habe, dass die verarbeiteten Roherze allenfalls asbesthaltig sein können. Eine Erschleichungshandlung sei daher nicht ersichtlich.

10       Schließlich sei im Erkenntnis vom 2. August 2018 auch auf die Bindung an den Projektgegenstand verwiesen worden. Das BVwG habe diesen auf der Grundlage der eingeholten Gutachten, denen zufolge eine Emission von Asbestfasern in relevanter Konzentration nicht wahrscheinlich sei, beurteilt und zur Absicherung unter anderem die Auflage 140a vorgeschrieben. Insofern sei eine allfällige projektbedingte Emission von Asbest im mit Erkenntnis vom 2. August 2018 abgeschlossenen Verfahren auch nicht ausgeblendet, sondern unter Beteiligung der revisionswerbenden Parteien ermittelt worden. Diese hätten als Verfahrensparteien die Gelegenheit gehabt, Tatsachen oder Beweismittel zur allfälligen Emission von Asbest oder anderen Stoffen geltend zu machen und hätten hierzu auch ein umfassendes Vorbringen erstattet, Unterlagen vorgelegt und seien die diesbezüglichen Gutachten in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG auch erläutert worden.

11       Eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG, für die § 32 Abs. 3 VwGVG vorsehe, dass diese auch nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses erfolgen könne, komme vorliegend nicht in Betracht. So müsse die gerichtlich strafbare Handlung oder Erschleichungshandlung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens begangen worden sein. Derartiges werde in den vorliegenden Eingaben jedoch nicht einmal behauptet. Ebenso müsse die Begehung der Straftat von der das Verfahren wiederaufnehmenden Behörde als erwiesen angenommen werden. Ein bloßer Verdacht, dass eine gerichtlich strafbare Handlung vorliege, reiche jedoch für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht aus. Es müsse vielmehr feststehen, dass die objektive und subjektive Tatseite der gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt seien.

12       3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

13       Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15       4.1. In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, dass der angefochtene Beschluss von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche. Es läge nämlich genau jener durch höchstgerichtliche Rechtsprechung belegte Fall einer zulässigen Wiederaufnahme vor. Der Sachverständige habe Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden hätten, erst nach der Rechtskraft des Bescheids „festgestellt“ und könnten diese bzw. die daraus resultierenden neuen Befundergebnisse, die sich auf die zuvor bestandenen Tatsachen beziehen würden, als neue Tatsachen einen Grund für eine Wiederaufnahme darstellen.

Unrichtig sei die Behauptung im angefochtenen Beschluss, dass die revisionswerbenden Parteien eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch das BVwG vorgebracht hätten. Von den revisionswerbenden Parteien sei zwar ausgeführt worden, dass das BVwG mit seinem Erkenntnis ein neues Projekt (in Hinblick auf Emissionen und Immissionen) erzeugt habe und dieses im UVP-Verfahren nicht beurteilt worden sei. Im Wiederaufnahmeantrag sei jedoch nicht behauptet worden, dass es sich um eine unzulässige Projektmodifikation durch das BVwG gehandelt habe bzw. der Verfahrensgegenstand überschritten worden sei. Das BVwG verkenne mit dieser Argumentation grob die Rechtslage, wonach im UVP-Genehmigungsverfahren sehr wohl Projektmodifikationen (auch durch das Verwaltungsgericht) vorgeschrieben werden dürften.

16       Darüber hinaus fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erschleichung durch den Projektwerber unter „Mitwirkung“ des gerichtlichen Sachverständigen. Die revisionswerbenden Parteien hätten ausdrücklich - was seitens des BVwG negiert worden sei - auch den Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG geltend gemacht. Genau dies sei im Wiederaufnahmeantrag aber detailliert dargelegt worden. So habe man etwa auf das Gutachten des Ingenieurbüros Dr. V verwiesen. Dieses zeige, welche Konsequenzen die Genehmigung habe, und ermittle genau jenen fehlenden Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung, der bisher - auf Grund der Irreführung der mitbeteiligten Partei und der Aussagen des Amtssachverständigen für Luftreinhaltung - vollkommen ausgeblendet worden sei.

17       Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie man bei der konkreten Fallkonstellation davon ausgehen könne, dass eine weitere Klärung der Rechtssache durch deren mündliche Erörterung nicht zu erwarten sei. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei zudem ausdrücklich beantragt worden. Das BVwG habe zudem die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur zwingenden Verhandlungspflicht auch bei strittigen Rechtsfragen unberücksichtigt gelassen.

18       Schließlich sei die Revision auch deshalb zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob mit einem Beschluss (des BVwG) über gänzlich unterschiedliche Anträge von unterschiedlichen Parteien gemeinsam abgesprochen werden könne.

19       4.2. Nach der - sowohl vom BVwG als auch von der Revision herangezogenen - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 32 Abs. 1 VwGVG bzw. § 69 Abs. 1 AVG sind Gutachten von Sachverständigen, die erst nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheids eingeholt wurden, nicht neu hervorgekommen, sondern neu entstanden, und können damit auch nicht als neue Beweismittel Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sein. Nur wenn ein Sachverständiger Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden, erst nach Rechtskraft des Bescheids „feststellt“, können diese bzw. die daraus resultierenden neuen Befundergebnisse, die sich auf die zuvor bestandenen Tatsachen beziehen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen als neue Tatsachen einen Grund für eine Wiederaufnahme darstellen. Weder ein einem Sachverständigen in seinem Gutachten unterlaufener Irrtum noch neue Schlussfolgerungen eines dem Verwaltungsverfahren nicht beigezogenen Sachverständigen bilden einen Wiederaufnahmegrund. Sollte hingegen ein Sachverständiger Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden haben, erst nach Rechtskraft des Bescheides feststellen oder sollten solche Tatsachen einem Sachverständigen erst später zur Kenntnis kommen, so könnten solche neuen Befundergebnisse – die sich ja auf seinerzeit bestandene Tatsachen beziehen müssen – einen Wiederaufnahmegrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG gegeben sind. Ein Sachverständigengutachten kann nur insofern neues Beweismittel sein, als es selbst neue Befundtatsachen feststellt oder solche sonst wie hervorgekommenen neuen Tatsachen verwertet. Bloß andere als im Hauptverfahren gezogene sachverständige Schlüsse sind kein Wiederaufnahmegrund (VwGH 3.12.2021, Ra 2020/07/0069, mwN).

20       Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch bereits klargestellt, dass eine nach den Umständen des Einzelfalles vorgenommene und vertretbare Beurteilung, ob in diesem Sinn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG vorliegen, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bildet (vgl. nochmals VwGH Ra 2020/07/0069 sowie VwGH 5.2.2021, Ra 2020/19/0432, und VwGH 9.9.2020, Ra 2020/07/0063).

21       Im vorliegenden Fall haben die revisionswerbenden Parteien mit den Wiederaufnahmeanträgen zwar auch ein (neues) Sachverständigengutachten vorgelegt. Mit ihrem Revisionsvorbringen übersehen sie jedoch, dass ihre Wiederaufnahmeanträge deshalb abgewiesen wurden, weil sich diese auf die Behauptung einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung durch das BVwG stützten und damit kein Wiederaufnahmegrund nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG aufgezeigt worden sei.

Damit vermag die Revision aber auch keine Abweichung von der oben dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen. Die Begründung des BVwG, die Wiederaufnahmeanträge hätten sich auf die Behauptung einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützt, ist auch nicht zu beanstanden, zumal in diesen Anträgen vorgebracht wurde, dass mit dem Erkenntnis vom 2. August 2018 und seiner Auflage 140a ein „neues Projekt [...] erzeugt“ und dieses weder im UVP-Verfahren beurteilt noch zur Auflage 140a Parteiengehör gewährt worden sei.

22       Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das BVwG in der gegenständlich angefochtenen Entscheidung auch mit dem geltend gemachten Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG auseinandergesetzt und mit näherer Begründung ausgeführt, weshalb kein „Erschleichen“ der Entscheidung vorliege.

23       Ausgehend von der Begründung der Abweisung des Wiederaufnahmeantrages (Vorbringen einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung) begegnet auch die Annahme des BVwG, eine weitere Klärung der Rechtssache sei durch deren mündliche Erörterung nicht zu erwarten, weshalb ausnahmsweise die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben könne, fallbezogen keinen Bedenken. Dass sich im vorliegenden Zusammenhang eine Rechtsfrage besonderer Komplexität stellen würde, die eine mündliche Verhandlung gebietet, wird von der Revision nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich (vgl. dazu etwa die Nachweise bei Schneider, § 24 VwGVG, in: Köhler/Brandtner/Schmelz [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz [2021] Rz. 26, sowie insbesondere auch VwGH 17.6.2021, Ra 2020/04/0113 bis 0120).

24       Soweit die Revision schließlich die Zulässigkeit eines gemeinsamen Abspruches über unterschiedliche Anträge von unterschiedlichen Personen in Frage stellt und dazu Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermisst, ist auf die - gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendende - Bestimmung des § 39 Abs. 2 AVG zu verweisen, derzufolge von Amts wegen oder auf Antrag mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (und auch wieder getrennt) werden können. Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht hat sich dabei von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.

Die Revision zeigt nicht auf, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung hier vom Verwaltungsgerichtshof zu lösen wäre (dass das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Rechtsfrage nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision führt und eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dann nicht vorliegt, wenn es trotz fehlender Rechtsprechung auf Grund der eindeutigen Rechtslage keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf, siehe VwGH 13.4.2021, Ra 2018/04/0130, mwN).

25       5. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022040108.L00

Im RIS seit

09.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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