TE Vfgh Beschluss 1994/3/1 V90/93

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Veröffentlicht am 01.03.1994
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Oö BauO §58
ABGB §431

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bausperre mangels Legitimation des nicht im Grundbuch einverleibten Antragstellers; kein außerbücherliches Eigentum im österreichischen bürgerlichen Recht

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Antragsteller begehrt mit seinem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag die Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Bad Goisern vom 4. November 1993 betreffend die Erlassung einer Bausperre für die Grundstücke Nr. 751/34 und 751/35 KG Ramsau, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 11. November 1993 bis 25. November 1993. Der Antragsteller sei außerbücherlicher Eigentümer dieser Grundstücke; mit Ansuchen vom 13. September 1993 habe er als Bauwerber bezüglich der beiden Grundstücke um eine Baubewilligung angesucht. Nach der Einbringung des Ansuchens habe der Gemeinderat der Marktgemeinde Bad Goisern die angefochtene Bausperre erlassen.

2. Zur Antragslegitimation wird im Antrag ausgeführt, die Bausperre verletze den Antragsteller unmittelbar in seinen subjektiven durch die OÖ BauO, LGBl. 35/1976, festgelegten Rechten. Die Verordnung sei ohne Erlassung eines Bescheides für den Antragsteller direkt wirksam geworden und es stehe dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg, um die durch die Rechtswidrigkeit der Verordnung bewirkte Rechtsverletzung abzuwehren, nicht zur Verfügung. Die zuständige Sachbearbeiterin der Marktgemeinde Bad Goisern habe dem Rechtsvertreter des Antragstellers mündlich mitgeteilt, daß die Baubehörde das Ansuchen um Baubewilligung nicht behandeln werde. Es sei einerseits klar, daß sowohl die Baubehörde erster Instanz als auch die zweite Instanz das Ansuchen des Antragstellers um Baubewilligung auf Grund der verordneten Bausperre negativ entscheiden werden. Sollte jedoch die Baubehörde erster Instanz überhaupt keine Entscheidung fällen, verbliebe dem Antragsteller lediglich das Mittel des Devolutionsantrages; da in diesem Fall jedenfalls jeweils zweimal sechs Monate zugewartet werden müsse, bis der Rechtszug an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts offenstehe, sei auch dieser Weg dem Antragsteller unzumutbar. Auch eine Ausnahmegenehmigung nach §58 Abs3 OÖ BauO stehe nicht zu erwarten, da diese Ausnahmegenehmigung des Gemeinderates die Verordnung des Gemeinderates selbst vollständig aufheben würde. In inhaltlicher Hinsicht führt der Antrag aus, daß die Bausperre gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße und der Gemeinderat der Marktgemeinde Bad Goisern rechtsmißbräuchlich die Form einer Verordnung gewählt habe, da sich die Bausperre offensichtlich nur an die Person des Antragstellers richte.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation, daß die Verordnung die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt, daß sie in deren Rechtssphäre eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Anfechtungsberechtigt ist also von vornherein nur ein Normadressat. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu; es ist darüberhinaus erforderlich, daß der Eingriff in die Rechtssphäre der betreffenden Person nicht etwa auf Grund der angefochtenen Verordnung erfolgt ist, sondern unmittelbar durch die Verordnung selbst. Ein solcher Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist und die (rechtlich geschützten) Interessen der betreffenden Person nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt.

2. Gemäß §58 Abs3 OÖ BauO hat eine Bausperre die Wirkung, daß Bauplatzbewilligungen (§4 OÖ BauO), Bewilligungen für die Änderung von Bauplätzen und bebauten Liegenschaften (§7 OÖ BauO) und Baubewilligungen - ausgenommen Baubewilligungen für Bauvorhaben gemäß §41 Abs1 lite OÖ BauO - nur ausnahmsweise mit Zustimmung des Gemeinderates erteilt werden dürfen, wenn nach der jeweils gegebenen Sachlage anzunehmen ist, daß die beantragte Bewilligung die Durchführung des künftigen Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplanes nicht erschwert oder verhindert. Durch die Verhängung einer Bausperre wird somit dem Eigentümer des von der Bausperre betroffenen Grundstückes die Errichtung von baulichen Anlagen (grundsätzlich) verboten. Diese baurechtliche Wirkung bedarf eines weiteren Konkretisierungsaktes nicht mehr; sie greift unmittelbar in die Rechtssphäre des Liegenschaftseigentümers ein (vgl. VfSlg. 11743/1988).

Für den Antragsteller ist jedoch daraus schon deswegen nichts zu gewinnen, weil ein unmittelbarer Eingriff in seine Rechtssphäre - und damit die Antragslegitimation - nur dann vorliegen könnte, wenn er tatsächlich (zivilrechtlicher) Eigentümer der von der Bausperre betroffenen Grundstücke wäre. Letzteres ist jedoch - wie sich schon aus dem Antragsvorbringen selbst ergibt - nicht der Fall:

Nach bürgerlichem Recht setzt (derivativer) Eigentumserwerb nicht nur einen gültigen Titel, sondern auch die Einverleibung des Eigentumsrechtes im Grundbuch voraus (§431 ABGB); sog. "außerbücherliches Eigentum" ist dem österreichischen Recht (von - hier nicht relevanten - Fällen des originären Eigentumserwerbs wie zB durch Ersitzung abgesehen) fremd. Da zum Zeitpunkt der Stellung des Individualantrages nicht der Antragsteller, sondern die I B AG als Eigentümerin im Grundbuch einverleibt war (s. die vorgelegte Kopie des Ansuchens um Baubewilligung vom 13. September 1993), wurde die Rechtssphäre des Antragstellers durch die Bausperre schon deshalb nicht berührt.

3. Im übrigen wäre auch ein Individualantrag des Liegenschaftseigentümers unzulässig, weil das in der OÖ BauO vorgesehene Verfahren zur Bauplatzerklärung einen zumutbaren Weg, die behauptete Gesetzwidrigkeit der Bausperre an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, darstellt (vgl. zB VfSlg. 9773/1983, 10004/1984 und 12448/1990).

4. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die Bausperre nicht in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift. Der Antrag ist daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Baurecht, Bausperre, Eigentumserwerb derivativer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:V90.1993

Dokumentnummer

JFT_10059699_93V00090_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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