TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/26 95/05/0229

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Veröffentlicht am 26.03.1996
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Index

L85002 Straßen Kärnten;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §477 Z1;
LStG Krnt 1991 §2 Abs1 litb;
LStG Krnt 1991 §2 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des E in R, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 15. Februar 1995, Zl. 3-Gem-9/1/2/95, betreffend eine Angelegenheit nach dem Kärntner Straßengesetz 1991 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Steindorf am Ossiacher See, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 10. Oktober 1990 stellte der Beschwerdeführer den "Antrag auf die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 58 des Kärntner Straßengesetzes des Weges (Fußgängerverkehrsfläche zur Befriedigung des allg. dringend. Verkehrsbedürfnisses, bestehend als Asphaltfläche von der alten Bundesstraße bis zum Haus P und weiterführendem Steig) von der Straße 716/3 bis zu Kulturmerkmalen der röm.-kath. Kirche, wie Pfarrkirche, Friedhof, Kapelle, Jungfernsprung, Pfarrhaus als Lobisser Geburtshaus, Ruine".

Mit Bescheid vom 13. Juli 1992 wies der im Devolutionswege zuständig gewordene Gemeinderat der mitbeteiligten Partei einerseits den Antrag des Beschwerdeführers "betreffend das Teilstück von der Gemeindestraße (ehemalige Bundesstraße) bis zum Haus P, ... wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG 1950" zurück und stellte andererseits fest, "daß es sich bei dem Wegstück vom Hause P bis zur Röm.-kath. Kirche, welches ausschließlich über Privatgrund führt, nicht um einen Weg nach § 2 Abs. 1 lit. b des Kärntner Straßengesetzes handelt und keinem allgemeinen dringenden Verkehrsbedürfnis dient".

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung wurde mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 12. Jänner 1993 gemäß § 95 Abs. 1 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982 als unbegründet abgewiesen.

Mit hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1994, Zl. 93/05/0202-5, wurde der vom Beschwerdeführer angefochtene Bescheid insoweit, als die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den zweiten Satz des Spruches des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 13. Juli 1992 als unbegründet abgewiesen worden ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der hier interessierende aufhebende Teil des vorzitierten Erkenntnisses wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Entscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 13. Juli 1992 nach der Aktenlage trotz des ausdrücklichen diesbezüglichen gesetzlichen Auftrages im § 58 Abs. 1 Kärntner Straßengesetz keine mit einem Augenschein verbundene mündliche Verhandlung vorausgegangen sei und die Ausführungen in der Begründung dieses Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei, der Fußgängersteig könne auf Grund seiner Beschaffenheit und Geländeform nur von einem sportlich geübten Personenkreis benützt werden, keinen zwingenden Schluß auf das Fehlen eines allgemeinen dringenden Verkehrsbedürfnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b leg. cit. zulasse, weil nicht erwiesen sei, daß der Fußweg zumindest für jenen Kreis von Personen, welche ihn trotz allenfalls damit verbundener körperlicher Anstrengungen zu benützen vermögen, nicht zur Befriedigung eines dringenden Verkehrsbedürfnisses diene.

Mit Ersatzbescheid der Kärnter Landesregierung vom 24. März 1994 wurde hierauf der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 13. Juli 1992 gemäß § 95 Abs. 4 AGO 1993 insoweit Folge gegeben, als der zweite Satz des Spruches des bekämpften Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Partei zurückverwiesen wurde.

Nach Einholung eines Gutachtens und Durchführung einer mit einem Augenschein verbundenen mündlichen Verhandlung faßte der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 3. Oktober 1994 folgenden Spruch:

"Die Eingabe vom 10.10.1990 betreffend das Teilstück von der Gemeindestraße (ehemalige Bundesstraße bis zum Hause P) muß wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG 1950, zurückgewiesen werden.

Weiters wurde festgestellt, daß es sich bei dem Weg vom Hause P bis zu den Kulturmerkmalen der röm.-kath. Kirche, der ausschließlich über Privatgrund führt, nicht um einen Weg nach § 2 Abs. 1 lit. b des Kärntner Straßengesetzes, LGBl. Nr. 72/1991, handelt und keinem allgemeinen dringenden Verkehrsbedürfnis dient."

In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, bei dem im zweiten Teil des Spruches umschriebenen Wegstück handle es sich ausschließlich um einen Gehweg, der seit mehr als 30 Jahren allgemein ohne Einschränkung durch eine ausdrückliche Bewilligung des über die Wegfläche Verfügungsberechtigten genützt werde. Dieses Wegstück spiele in seiner Benützung eine "sehr untergeordnete" Rolle, da in unmittelbarer Nähe ein zweiter, leicht begehbarer Steig zu den Kulturmerkmalen führe. Der Weg zweige von der Straße Grundstück Nr. 716/3 in einem spitzen Winkel ab und verlaufe annähernd in Nord- Süd-Richtung über eine Strecke von rund 28 m auf Grundstück Nr. 716/5 bis zu der sich nordwestlich der Hausmauer des Wohnhauses P befindlichen zehnstufigen Treppe auf Privatgrund. In der Böschung, welche sich westlich des Weges befinde, sei die Markierung für das öffentliche Gut ersichtlich. Ab der zehnstufigen Treppe verlaufe ein Steig in Serpentinen über mehrere Privatgrundstücke und münde in den Weg Grundstück Nr. 720/1. Grundstück Nr. 205/1, auf welchem sich die römisch-katholische Kirche befinde, sei von der Einmündung des Steiges B 19 nur über den Weg Grundstück Nr. 720/1 erreichbar. Von der Straße Grundstück Nr. 716/3 bestehe eine weitere Möglichkeit, um auf das Grundstück Nr. 720/1 zu gelangen. Der Zugang zu diesem Fußweg sei zwischen den Grundstücken Nr. 264 und 262 gegeben. Die Lage dieses Weges sei für alle Benützer eine einfachere und bequemere. Die Breite dieses Weges betrage im Mittel 1 m und die Steigung maximal 12 %. Dieser Fußweg münde in den Weg Grundstück Nr. 720/1 rund 200 m unter der Stelle, wo der vorbeschriebene Steig, der teilweise Steigungen von 38 % aufweise, einmünde. Im Gutachten habe der Sachverständige darauf hingewiesen, daß die römisch-katholische Kirche auf Grundstück Nr. 205/1 über den Weg Grundstück Nr. 720/1 sowohl mit PKW als auch zu Fuß erreicht werden könne. Neben dem hier zu beurteilenden Weg sei auch die Erreichbarkeit über einen Fußweg, welcher zwischen den Grundstücken Nr. 262 und 263 beginne und bei Grundstück Nr. 202 in den Weg Grundstück Nr. 720/1 einmünde, gegeben. Der hier zu beurteilende Steig werde selten begangen. Dies sei in der Natur ersichtlich; insbesonders im Bereich des Grundstückes Nr. 253 seien kaum Gehspuren und ausgetretene Wiesenstücke erkennbar. Die Höhenunterschiede auf Grund des Verlaufes des Steiges erschwerten dessen Begehbarkeit. Berücksichtige man die Breite des Weges und die Beschaffenheit, sei ein Begehen desselben mit Halbschuhen nicht anzuraten und erfordere ein gewisses Maß an körperlicher Gewandtheit. Für diesen Steig bestünde daher kein allgemeines dringendes Verkehrsbedürfnis.

Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 15. Februar 1995 wurde die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Gestützt auf die Begründung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 3. Oktober 1994 führte die belangte Behörde ergänzend aus, auch der Beschwerdeführer bezweifle nicht, daß es neben dem verfahrensgegenständlichen Weg noch einen anderen, nördlich verlaufenden Fußweg zur römisch-katholischen Kirche gebe. Für die Feststellung der Öffentlichkeit des in Rede stehenden Weges fehle ein wesentliches, vom Gesetz gefordertes Merkmal, nämlich das allgemeine dringende Verkehrsbedürfnis.

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 1995, B 935/95, wurde die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Kärntner

Straßengesetzes 1991 haben nachstehenden Wortlaut:

"§ 2

Öffentlichkeit der Straßen

(1) Öffentliche Straßen im Sinne des § 1 Abs. 1 sind alle dem Verkehr von Menschen und Fahrzeugen gewidmeten Grundflächen, die entweder

a)

dem allgemeinen Verkehre nach den Bestimmungen des § 3 ausdrücklich gewidmet worden sind (ausdrückliche Widmung durch Erklärung) oder

b)

in langjähriger Übung seit mindestens 30 Jahren allgemein ohne Einschränkung auf einen bestimmten Kreis von Benützungsberechtigten und unabhängig von einer ausdrücklichen Bewilligung des über die Straßengrundfläche Verfügungsberechtigten zum Verkehr benützt werden, wenn sie einem allgemeinen dringenden Verkehrsbedürfnis dienen (stillschweigende Widmung).

...

§ 58

Zuständigkeit und Verfahren bei Feststellung der Öffentlichkeit der im § 2 Abs. 1 lit. b angeführten Straßen

(1) Über die Feststellung der Öffentlichkeit der im § 2 Abs. 1 lit. b angeführten Straßen entscheidet der Bürgermeister. Der Entscheidung hat eine mündliche, mit einem Augenschein verbundene Verhandlung vorauszugehen. Über den Antrag eines Beteiligten auf Feststellung der Öffentlichkeit einer Straße hat der Bürgermeister ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden und den Bescheid über die Öffentlichkeit der Straße längstens binnen sechs Monaten nach Einlangen des Antrages beim Gemeindeamte zu erlassen.

..."

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei hat den Antrag des Beschwerdeführers in seinem Bescheid vom 3. Oktober 1994 in dem hier in Beschwerde gezogenen Umfang deshalb abgewiesen, weil für die Benützung des gegenständlichen Weges kein allgemeines dringendes Verkehrsbedürfnis besteht.

§ 2 Abs. 2 des Kärntner Straßengesetzes 1991 versteht unter dem allgemeinen Verkehr die Benützung durch jedermann (Gemeingebrauch). Die Art der Benützung (Fahren, Radfahren, Reiten, Gehen usw.) ergibt sich aus der Widmung.

Ein allgemeines DRINGENDES Verkehrsbedürfnis liegt dann vor, wenn eine Straße zumindest für einen verhältnismäßig kleinen Teil der Bevölkerung eines Ortes unbedingt (zwingend) erforderlich (notwendig) ist und die Benützung der im § 2 Abs. 2 Kärntner Straßengesetz 1991 umschriebenen Art über andere Straßen nur mit einem unverhältnismäßig großen Kosten- und Zeitaufwand möglich wäre. Auch das Bestehen von Wegeservituten zugunsten einzelner Anlieger kann das notwendige Verkehrsbedürfnis nicht beeinträchtigen (vgl. hiezu die zur vergleichbaren Rechtslage des Niederösterreichischen Landesstraßengesetzes ergangenen hg. Erkenntnisse vom 28. November 1989, Slg. Nr. 13070, und vom 17. April 1986, Slg. Nr. 12113).

Zwar kann ein dringendes Verkehrsbedürfnis im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b Kärntner Straßengesetz 1991 nicht nur dann angenommen werden, wenn eine Straße die einzige Verbindung zu einem bestimmten Ort darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1985, Zl. 83/06/0171), es kann jedoch der von den Verwaltungsbehörden vertretenen Rechtsansicht nicht entgegengetreten werden, daß im vorliegenden Fall ein solches allgemeines dringendes Verkehrsbedürfnis deshalb zu verneinen ist, weil die im Antrag des Beschwerdeführers angeführten "Kulturmerkmale" durch (leichtere) Benützung anderer, dem allgemeinen Verkehr dienender Straßen erreicht werden können.

Warum das vom Gemeinderat der mitbeteiligten Partei eingeholte Gutachten des Sachverständigen nicht richtig sein soll, wird in der Beschwerde nicht konkret dargelegt. Trägt die Partei ihre Gründe gegen ein Gutachten nicht schon im Verwaltungsverfahren vor, dann scheitert sie vor dem Verwaltungsgerichtshof am Neuerungsverbot (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1994, Zl. 93/07/0009). Das Gutachten des Sachverständigen kann auch nicht allein durch Einholung von Unterschriften der Ortsbewohner darüber, daß ihre "wichtigen Fußgänger-Verkehrs-Interessen" verletzt würden, erschüttert werden, hatte doch das Gutachten - soweit nicht durch die Ergebnisse des Ortsaugenscheines geklärt - allein die sachverhaltsmäßigen Grundlagen dafür zu erbringen, ob ein "allgemein dringendes Verkehrsbedürfnis" im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b Kärntner Straßengesetz 1991 im Zusammenhang mit der oben dargestellten hg. Rechtsprechung besteht. Daß diese vom beigezogenen Sachverständigen in seinem Gutachten niedergelegten Ermittlungsgergebnisse nicht richtig wären, wird auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.

Auch mit seinen weiteren - teilweise schwer nachvollziehbaren und dem Gebot der Sachlichkeit nicht entsprechenden - Beschwerdeausführungen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995050229.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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