TE Vwgh Beschluss 2022/9/29 Ro 2021/16/0012

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Veröffentlicht am 29.09.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des S D in W, vertreten durch Dr. Walter Solic, Rechtsanwalt in 8430 Leibnitz, Augasse 52, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2021, G309 2229285-1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. Februar 2020, mit dem die Anträge des Revisionswerbers auf Rückzahlung der halben Pauschalgebühr aus Anlass des Grundverfahrens zu X des Bezirksgerichtes Leibnitz abgewiesen worden waren, als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

2        In der Begründung führte das BVwG aus, der Revisionswerber sei Kläger im Verfahren X des Bezirksgerichtes Leibnitz. Mit der am 8. August 2019 eingebrachten Klage habe der Revisionswerber die Zahlung von 3.711,00 € von der im Verfahren beklagten Partei begehrt. Für die Einbringung der Klage habe der Revisionswerber eine Pauschalgebühr gemäß TP1 GGG iHv 314,00 € entrichtet. Der Revisionswerber habe die Klage mit Eingabe vom 20. Dezember 2019 aufgrund eines außergerichtlichen Vergleiches zurückgezogen. Die Klagszurückziehung sei mit verfahrensabschließendem Beschluss des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 20. Dezember 2019 festgestellt worden. Mit an das Bezirksgericht Leibnitz gerichteten Eingaben vom 20. Dezember 2019 und vom 21. Jänner 2019 habe der Revisionswerber die Erstattung der halben Pauschalgebühr gemäß Anm. 2 zu TP 1 GGG beantragt.

3        In der rechtlichen Beurteilung führte das BVwG aus, dass eine nachträgliche Ermäßigung der Pauschalgebühr nach Anm. 2 zu TP 1 GGG nicht in Betracht komme. Es sei weder ein prätorischer Vergleich nach einer Ladung zum Vergleichsversuch gemäß § 433 ZPO geschlossen, noch sei die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen worden, sondern außergerichtlich. Der erst mit der Novelle BGBl. I Nr. 81/2019 in Anmerkung 2 zu TP 1 GGG eingefügten Wortfolge „und wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird“ sei nicht die Absicht zugrunde gelegen, jede Form der Verfahrensbeendigung vor der ersten Tagsatzung mit einer Gebührenermäßigung zu privilegieren. Vielmehr habe der Gesetzgeber eindeutig nur den Fall eines Vergleichsabschlusses „in der ersten Verhandlung“ privilegieren wollen, weil dieser mit einem bereits bestehenden Ausnahmetatbestand vergleichbar sei. Dass der Gesetzgeber eine Gebührenermäßigung für den Fall jedweder Verfahrensbeendigung vor (oder während) der ersten Tagsatzung habe schaffen wollen, könne ihm nicht zugesonnen werden und hätte dies einer ausdrücklichen dahingehenden Regelung bedurft.

4        In diesem Zusammenhang sei auf Anm. 3 zu TP 1 zu verweisen, welche in ihrem zweiten Satz eine Gebührenermäßigung für den Fall der „a-limine“-Zurückweisung der Klage vorsehe. Werde die Klage jedoch erst nach der Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgewiesen, sei die volle Pauschalgebühr selbst dann zu entrichten, wenn die Zurückweisung vor der ersten Tagsatzung erfolge. Hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass im Fall des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung eine Gebührenermäßigung wegen des Entfalls des Aufwands für die Durchführung der Verhandlung (bzw. der ersten oder der vorbereitenden Tagsatzung) eintreten solle, hätte er eine solche Rechtsfolge auch in Anmerkung 3 zu TP 1 GGG vorsehen müssen.

5        Im Übrigen knüpfe das Gerichtsgebührengesetz bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entferne, als sie über das Fehlen eines Elements des im Gesetz umschriebenen Tatbestands, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hiervon geknüpft sei, hinwegsehe, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden. Auch sei es insbesondere nicht möglich, im Wege der Analogie einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestand zu begründen.

6        Die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG begründete das BVwG mit dem Fehlen von Rechtsprechung zu der im Verfahren aufgeworfenen Rechtsfrage.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10       Wenn das Verwaltungsgericht infolge bloß formelhafter Begründung zur Zulässigkeit der Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt, hat der Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen (vgl. z.B. VwGH 23.9.2021, Ro 2020/16/0036, mwN).

11       Diesen Anforderungen wird die Revision, die keine gesonderten Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit enthält, nicht gerecht.

12       Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen ist. Wurde die zu beantwortende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung auch nach Einbringung der Revision bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH 30.6.2021, Ra 2019/16/0002; 21.11.2017, Ro 2017/16/0005, jeweils mwN).

13       Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. September 2021, Ra 2021/16/0051, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass die in Rede stehenden gerichtsgebührenrechtlichen Ermäßigungstatbestände (prätorischer Vergleich und gerichtlicher Vergleich in der ersten Verhandlung) jeweils an den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs anknüpfen. Außergerichtliche Vergleiche erfordern zur Prozessbeendigung hingegen weitere Prozesshandlungen, wie z.B. die Klagsrückziehung. Soweit sie formlos abgeschlossen werden, sind sie keine Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber außergerichtliche Vergleiche Prozessvergleichen gebührenrechtlich gleichstellen wollte. Eine analoge Anwendung des Ermäßigungstatbestands „wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird“ auf einen vor der mündlichen Verhandlung abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleich kommt somit nicht in Betracht.

14       Die Revision war daher schon aus den in Rn 11 genannten Gründen gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

15       Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. September 2022

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021160012.J00

Im RIS seit

21.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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