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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §696;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde der Claire F in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. Juni 1995, GZ GA 9-877/93, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 14. Oktober 1985 schloß Boris F., der am 13. August 1989 verstorbene Ehemann der Beschwerdeführerin, mit seinen vier Kindern einen Schenkungsvertrag ab. Gegenstand der Schenkung waren jeweils Aktien der L. Beteiligungsaktiengesellschaft. Die Punkte III., VII. und X. der Vertragsurkunde lauteten:
"III.
Der Geschenkgeber ... behält sich auf Lebenszeit das
umfassende uneingeschränkte Recht der Fruchtnießung gemäß
§§ 509 ff ABGB vor. Dieses Fruchtnießungsrecht erlischt im
Falle des Todes des Geschenkgebers nicht, sondern geht auf
seine Ehefrau Claire F. ... über, wenn die Ehe im Zeitpunkt des
Todes des Geschenkgebers aufrecht ist. Es besteht sodann als lebenslängliches Fruchtnießungsrecht der Frau Claire F. weiter, erlischt jedoch, wenn sich Frau Claire F. wieder verehelicht.
Der Geschenkgeber behält sich ferner auf Lebenszeit das Recht vor, die geschenkgegenständlichen Aktien für die Geschenknehmer zu verwalten; auch dieses Verwaltungsrecht geht im Falle des Todes des Geschenkgebers unter den im ersten Absatz angeführten Bedingungen und für die im ersten Absatz angeführte Zeit auf seine Ehegattin über.
VII.
Im Hinblick darauf, daß den Geschenknehmern auf Lebenszeit des Geschenkgebers und seiner Ehegattin nach Maßgabe des vorstehenden Punktes III. kein Ertrag aus den geschenkgegenständlichen Aktien zufließt und sie im Hinblick auf das Belastungs- und Veräußerungsverbot die geschenkgegenständlichen Aktien auch nicht anderweitig verwerten können, übernimmt der Geschenkgeber für diesen Zeitraum die Tragung der mit dem Besitz der geschenkgegenständlichen Aktien verbundenen Kosten und öffentlichen Abgaben.
Frau Claire F. übernimmt für den Fall, daß ihr das Fruchtnießungsrecht an den gegenständlichen Aktien zukommt, für die Dauer dieses Fruchtnießungsrechtes ihrerseits die Tragung der mit dem Besitz der geschenkgegenständlichen Aktien verbundenen Kosten und öffentlichen Abgaben.
X.
Die Ehegattin des Geschenkgebers, Frau Claire F., tritt diesem Vertrag bei und fertigt ihn zum Zeichen ihres Einverständnisses mit."
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien erließ zunächst an die Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin nach Boris F. einen Schenkungssteuerbescheid vom 12. Oktober 1992 über die an die vier Kinder geleisteten Zuwendungen. Dabei wurde vom gemeinen Wert der zugewendeten Aktien jeweils erklärungsgemäß der Wert des Fruchtgenußrechtes in Abzug gebracht. In den Schenkungssteuererklärungen war der Kapitalwert des Fruchtgenußrechtes mit dem sich aus § 16 BewG ergebenden Vervielfacher nach dem Lebensalter der Beschwerdeführerin errechnet worden.
Mit Bescheid vom 15. Jänner 1993 wurde sodann der Beschwerdeführerin aus Anlaß des todeswegigen Erwerbes nach ihrem Ehegatten Erbschaftssteuer vorgeschrieben. Dabei wurde vom Finanzamt der Wert des Fruchtgenußrechtes unter den Aktiven mit der Bezeichnung "Schenkung auf den Todesfall" angesetzt.
In der Berufung gegen diesen Erbschaftssteuerbescheid vom 15. Jänner 1993 wurden Einwendungen gegen den Ansatz des Fruchtgenußrechtes erhoben. Es liege keinesfalls eine Schenkung des Fruchtgenußrechtes auf den Todesfall vor. Die Beschwerdeführerin habe das Fruchtgenußrecht nicht vom Erblasser, sondern bereits mit dem Vertrag vom 14. Oktober 1985 eingeräumt erhalten.
In einer die Berufung als unbegründet abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde die Auffassung vertreten, daß der Erwerb des Fruchtgenußrechtes der Steuer im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 3 ErbStG unterliegt.
Nachdem die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt hatte, wies die belangte Behörde die Berufung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 Z. 3 ErbStG als unbegründet ab.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift sowie die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 3 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb von Vermögensvorteilen, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages unter Lebenden von einem Dritten mit dem Tode des Erblassers unmittelbar gemacht wird. Ein solcher Vertrag zugunsten Dritter setzt voraus, daß sich jemand eine Leistung an einen Dritten versprechen läßt (vgl. das Erkenntnis vom 18. Februar 1985, 82/15/0010).
Die Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 1 Z. 3 ErbStG sind hinsichtlich des streitgegenständlichen Erwerbes des Fruchtgenußrechtes an den bezeichneten Aktien durch die Beschwerdeführerin erfüllt: In dem zwischen dem Erblasser und seinen Kindern abgeschlossenen Schenkungsvertrag vom 14. Oktober 1985 wurde vereinbart, daß ein Dritter, nämlich die Beschwerdeführerin, mit dem Tod des Übergebers das Fruchtgenußrecht an den übergebenen Aktien erwirbt. Die Beschwerdeführerin hat somit unmittelbar mit dem Tod des Erblassers einen Vermögensvorteil erworben, den die belangte Behörde zutreffend der Erbschaftssteuer unterzogen hat.
Soweit die Beschwerdeführerin zunächst einwendet, die Abgabenbehörde erster Instanz habe unzutreffenderweise eine Schenkung auf den Todesfall angenommen, so geht dieser Vorwurf schon deswegen ins Leere, weil die Berufungsbehörde gemäß § 289 Abs. 2 BAO berechtigt - und verpflichtet - ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Dabei ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde über "dieselbe Sache" - nämlich den Erwerb des Fruchtgenußrechtes - wie die Abgabenbehörde erster Instanz entschieden hat.
Ebensowenig sind die weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin, es sei ihr das Fruchtgenußrecht bereits unmittelbar durch den Vertrag vom 14. Oktober 1985 als einem einheitlichen Rechtsvorgang mit der aufschiebenden Bedingung des Todes des Erblassers eingeräumt worden, geeignet, ihr zum Erfolg zu verhelfen. Selbst wenn entgegen dem klaren Urkundeninhalt von einer unmittelbaren Zuwendung des Fruchtgenußrechtes durch Vereinbarung unter Lebenden zwischen Boris F. und der Beschwerdeführerin auszugehen wäre, würde dies im Hinblick auf die grundsätzliche Gleichartigkeit von Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer keine unterschiedliche Steuerbelastung nach sich ziehen. Da die Aktien nach dem Inhalt der gegenständlichen Urkunde im Alleineigentum des Boris F. gestanden sind, wäre eine Zuwendung des Fruchtgenußrechtes - folgte man der Argumentation der Beschwerdeführerin - im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG der Schenkungssteuer unterlegen, wobei die Zuwendung nicht vor dem Eintritt der Bedingung als ausgeführt - im Sinne des § 12 Abs. 1 Z. 2 ErbStG - hätte gelten können (vgl. das Erkenntnis vom 30. Juni 1988, Zl. 87/16/0028). Daß ein Bereicherungswille des Erblassers im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages vom 14. Oktober 1985 bestanden hat, wurde dabei in der Beschwerdeschrift ausdrücklich zugestanden.
Schon aus diesen Gründen kommt auch dem Umstand, daß der Vertrag vom 14. Oktober 1985 von der Beschwerdeführerin mitunterfertigt worden ist, keine Bedeutung zu. Überdies wird von der Beschwerdeführerin damit übersehen, daß sie sich im Punkt VII. letzter Satz des zahlreiche Abreden enthaltenden Vertragswerkes für den Fall, daß ihr das Fruchtgenußrecht an den gegenständlichen Aktien zukommt, verpflichtete, für die Dauer des Fruchtgenußrechtes die mit dem Besitz der Aktien verbundenen Kosten und öffentlichen Abgaben zu tragen. War somit auf Grund dieser Verpflichtung der im Punkt X. der Vertragsurkunde ausdrücklich erklärte "Beitritt" zum Vertrag erforderlich, so ändert dies nichts daran, daß die Schenkungsvereinbarung als solche allein zwischen Boris F. und seinen Kindern abgeschlossen worden ist.
Die Frage, ob bei der Ermittlung der Schenkungssteuer aus Anlaß des Erwerbs der Kinder die Belastung durch das Fruchtgenußrecht auf verbundene Leben (zum Begriff siehe Stoll, Rentenbesteuerung3, 28) richtig nach dem Lebensalter der Beschwerdeführerin ermittelt worden ist, ist - abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin offenkundig die Bestimmung des § 16 Abs. 4 BewG außer Acht läßt - im Beschwerdefall ohne Bedeutung, weil dem Schenkungssteuerbescheid über diese Erwerbsvorgänge keinerlei Rechtskraftwirkung hinsichtlich der beschwerdegegenständichen Abgabenvorschreibung zukommen kann.
Auch der nicht näher ausgeführte Hinweis auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil § 2 Abs. 1 Z. 3 ErbStG ebenso wie die meisten Tatbestände des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes an die zivilrechtlichen Erscheinungsformen der Rechtsgestaltung anknüpft.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995160245.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
19.09.2011