TE Vwgh Beschluss 2022/9/7 Ra 2022/02/0168

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Veröffentlicht am 07.09.2022
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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des S in R, vertreten durch die Donnerbauer & Partner Rechtsanwalts GmbH in 2070 Retz, Hauptplatz 21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 1. Juli 2022, LVwG-S-2065/001-2021, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 2. August 2021 wurde der Revisionswerber einer Verwaltungsübertretung schuldig erkannt; der Spruch lautete dabei wie folgt (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof; Schreibweise im Original):

„Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma A GmbH in R und somit gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher zu verantworten, dass das Arbeitsinspektorat B bei einer Überprüfung am 3.2.2021 festgestellt hat, dass am 14.1.2021 in der Arbeitsstätte der A GmbH in R ein Arbeitnehmer eine Sortieranlage SW abschaltete um ein Bruchstück zu entfernen. Danach ging er in die Anlage hinein. Plötzlich wurde die Anlage von jemand anderem wieder eingeschaltet und der Arbeitnehmer, welcher sich in der Anlage befand, wurde von einem Brett verletzt. Es waren keine Maßnahmen gesetzt, welche ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel verhindern. Dadurch wurde § 17 Abs. 1 AM-VO übertreten, wonach Arbeitgeber/innen dafür zu sorgen haben, dass Reinigungsarbeiten sowie Arbeiten zu Beseitigung von Störungen nicht in Betrieb befindlichen Arbeitsmitteln durchgeführt werden. Durch geeignete Maßnahmen ist ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel zu verhindern.“

2        Der Revisionswerber habe dadurch § 17 Abs. 1 Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) verletzt. Über ihn wurde gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) eine Geldstrafe von € 830,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 33 Stunden) verhängt sowie ein Kostenbeitrag zum behördlichen Verfahren festgelegt.

3        Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) insofern Folge, als es die verhängte Strafe auf eine Geldstrafe von € 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Stunden) herabsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass es die verletzte Vorschrift auf „§ 17 Arbeitsmittelverordnung BGBl. II Nr. 164/2000 idF BGBl. II Nr. 313/2002 iVm § 130 Abs. 1 Z 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz BGBl. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 118/2012“ präzisierte und die Tatbeschreibung im Spruch des Straferkenntnisses folgendermaßen teilweise umformulierte (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

„...zu verantworten, dass am 14.1.2021 in der Arbeitsstätte der A GmbH in R an der Sortieranlage SW keine ausreichenden Maßnahmen gesetzt waren, um ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Anlage zu verhindern. Sie haben dadurch, dass die Anlage angeschaltet wurde, obwohl sich ein Arbeitnehmer darin befand, um ein Bruchstück zu entfernen, welcher durch das Anschalten der Anlage von einem Brett verletzt wurde, die Verpflichtungen betreffend die Benutzung von Arbeitsmitteln verletzt.“

4        Weiters wurde der Kostenbeitrag für das verwaltungsbehördliche Strafverfahren erster Instanz mit € 50,-- festgesetzt und die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 B-VG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an die Tatumschreibung gemäß § 44a Z 1 VStG abgewichen, weil dieses erst nach Ablauf der Frist zur Verfolgungsverjährung die vorgeworfene Tat durch eine völlig neue Tatbeschreibung ausreichend konkretisiert habe und erstmalig die Strafnorm des § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG angeführt habe. In der Aufforderung zur Rechtfertigung und im angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde sei die Bestrafung lediglich auf die Bestimmung des § 17 Abs. 1 AM-VO gestützt worden, die jedoch keine Strafe vorsehe. Das Verwaltungsgericht habe weiters in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Wirksamkeit des Kontrollsystems alleine deshalb verneint, weil die behaupteten Maßnahmen nicht zur tatsächlichen Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften geführt hätten. Durch ein einmaliges Fehlverhalten werde die Wirksamkeit eines installierten Kontrollsystems aber nicht widerlegt, ohne nähere Feststellungen zum dargelegten Kontrollsystem zu treffen und darzulegen, aus welchen Gründen dieses nicht ausreichen solle.

10       Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht dargetan:

11       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Sache des Verwaltungsstrafverfahrens die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. VwGH 27.2.2019, Ra 2018/10/0194, mwN).

12       Eine Verfolgungshandlung im Sinn der §§ 31 und 32 VStG muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss. Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist - unter Rechtsschutzüberlegungen - dann entsprochen, wenn im Spruch des Strafbescheides dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. VwGH 28.5.2014, 2012/07/0033).

13       Nach der hg. Rechtsprechung ist eine Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und angewendeten Strafnorm) zulässig, wenn es nicht zu einem Austausch der Tat durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. etwa VwGH 7.8.2018, Ra 2018/02/0139, mwN).

14       Einen unzulässigen Austausch der Tat durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltes zeigt die Revision nicht auf. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht gegenüber der von der belangten Behörde vorgenommenen Tatanlastung zusätzliche Tatbestandselemente herangezogen hätte, wurde doch dem Revisionswerber bereits mit Aufforderung zur Rechtfertigung und darauf folgend mit Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde vorgeworfen, dass die Anlage angeschaltet wurde, obwohl sich ein Arbeitnehmer dort befunden habe, um ein Bruchstück zu entfernen, und keine Maßnahmen gesetzt waren, um ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten zu verhindern. Daher erfolgte lediglich eine Präzisierung des Spruchs sowie der angewendeten Normen und keine die Sache des Beschwerdeverfahrens überschreitende Erweiterung oder Änderung des Tatvorwurfs. Entgegen den Revisionsausführungen wurde im Übrigen bereits im zugrundeliegenden Straferkenntnis der belangten Behörde § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG als Strafnorm angeführt.

15       Der Revisionswerber legt auch nicht dar, dass ihm die vorgeworfene Tat nicht insoweit unverwechselbar konkretisiert gewesen sei, dass er außer Stande gewesen sei, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren oder dass er einer Gefahr einer Doppelverfolgung ausgesetzt werde.

16       Zum Vorliegen eines ausreichenden Kontrollsystems ist darauf hinzuweisen, dass es nach der hg. Rechtsprechung zur Einrichtung von Kontrollsystemen für die Befreiung von der Verantwortlichkeit zusammengefasst entscheidend ist, ob Maßnahmen getroffen wurden, die im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften gewährleistet ist. (Betriebliche) Kontrollsysteme gleichen sich in der Regel nicht und unterliegen daher einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgte und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führte (vgl. VwGH 29.1.2018, Ra 2017/04/0144; VwGH 20.2.2017, Ra 2017/02/0022).

17       Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen hat das Verwaltungsgericht Feststellungen zu den durchgeführten Kontrollmaßnahmen getroffen (insbesondere schriftliche Sicherheitsunterweisung, jährlich wiederholende Unterweisung der Mitarbeiter, Kontrollgänge im Rahmen von Rundgängen durch Präventivkräfte und Personalchef, Weisung zum Schlüsselabzug) und ist auf deren Basis zusammengefasst zur Auffassung gelangt, dass das vom Revisionswerber dargelegte Kontrollsystem nur unzureichend gewesen sei, weil darin Pausenregelungen bzw. der Umgang mit Situationen unbeachtet geblieben seien, in denen während eines Störfalles eine Änderung in der Belegschaft eintrete, und kein Kontrollsystem betreffend die Einhaltung der Anordnungen dargelegt worden sei. Das vorhandene Präventivkonzept im Unternehmen vermöge ein Kontrollsystem, das die Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften gewährleisten könne, nicht zu ersetzen. Dass diese einzelfallbezogene Beurteilung des Verwaltungsgerichts grob fehlerhaft erfolgt wäre und das Verwaltungsgericht von den dargestellten Leitlinien in der Rechtsprechung zu den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem - insbesondere muss dessen Effektivität gewährleistet sein - abgewichen wäre, wird mit den Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargetan.

18       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. September 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020168.L00

Im RIS seit

06.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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