TE Vfgh Erkenntnis 1994/6/13 B1926/93

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Veröffentlicht am 13.06.1994
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht

Norm

AsylG 1991 §2 Abs3
AVG §69

Leitsatz

Keine Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm durch Nichtgewährung von Asyl infolge Vorliegen einer rechtskräftigen Abweisung eines früheren Asylantrags; keine verfassungswidrige Abweichung der Rechtswirkungen rechtskräftiger Bescheide im Asylrecht von der Regelung der Rechtskraft im Verwaltungsverfahren aufgrund der Möglichkeit der Wiederaufnahme auch von Asylverfahren

Spruch

Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien stellte mit Bescheid vom 28. Jänner 1991 fest, daß der Beschwerdeführer (ein ghanaischer Staatsangehöriger) nicht Flüchtling iS des Asylgesetzes 1968 sei. Der Bundesminister für Inneres (BMI) wies mit Bescheid vom 12. April 1991 die dagegen erhobene Berufung als verspätet zurück.

Am 26. März 1991 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Asylantrag (der den Beschwerdeausführungen zufolge auf zusätzliche Umstände gestützt war, die nicht Gegenstand des ersten Asylverfahrens waren). Der BMI sprach mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 7. Oktober 1993 aus, daß dem Beschwerdeführer gemäß §2 Abs3 des Asylgesetzes 1991, BGBl. 8/1992, kein Asyl gewährt wird.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet ausschließlich, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des §2 Abs3 und 4 AsylG 1991) in seinen Rechten verletzt worden zu sein und beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Er begründet diese Behauptung wie folgt:

"Die Rechtsfolgen des Vorliegens einer rechtskräftigen Entscheidung werden durch die Bestimmung des §2 Abs3 und 4 Asylgesetz 1991 für das Asylverfahren völlig abweichend von den (in) sonstigen Verwaltungsverfahren geltenden Grundsätzen geregelt. Es ist nämlich ansonsten (in) Verwaltungsverfahren anerkannt, daß bei Vorliegen rechtskräftiger Entscheidungen Anträge, die auf andere Gründe gestützt werden, von (der) Rechtskraft der bereits vorliegenden Entscheidung nicht umfaßt sind. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Regelung der Wirkungen der Rechtskraft im Asylverfahren anders sein soll als es im sonstigen Verwaltungsverfahrensrecht üblich ist.

Durch diese einschränkende gesetzliche Regelung ist jeder Asylwerber in seinem Recht auf ein faires Asylverfahren im Sinne des Art6 MRK verletzt. Daß Art6 MRK auch auf das Asylverfahren anwendbar ist, ergibt sich nach Ansicht des Beschwerdeführers daraus, daß der Ausgang des Asylverfahrens gravierende Auswirkungen auf die Rechtsstellung eines Asylwerbers gerade auch in zivilrechtlicher Hinsicht hat. Auch das Asylverfahren ist daher an den strengen Kriterien der Europäischen Menschenrechtskonvention zu Art6 MRK zu messen und wird die vorliegende Regelung diesen Maßstäben jedenfalls nicht gerecht.

Dazu kommt, daß im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 für die vorliegende vom AVG abweichende Regelung jedwede Rechtfertigung fehlt und sich daher auch aus diesem Grunde die Verfassungswidrigkeit der vorliegenden Regelung ergibt.

Ich darf nochmals festhalten, daß ich im gegenständlichen Fall zusätzlich Asylgründe geltend gemacht habe, insbesondere geltend mache, daß ich sichtbare Spuren von Folter aufweise, sohin mein Asylantrag im Sinne des §17 Abs4 Z2 Asylgesetz offensichtlich begründet ist. Durch die Bestimmung des §17 (gemeint wohl: §2) Abs3 und 4 Asylgesetz wird mir die Möglichkeit genommen, dieses Recht im neuerlichen Asylverfahren geltend zu machen. Ich bin daher unmittelbar in meinen subjektiven Rechten durch Anwendung der genannten verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung verletzt."

3. Der BMI nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) §2 AsylG 1991 lautet auszugsweise:

"§2. (1) Österreich gewährt Flüchtlingen Asyl.

(2) Kein Asyl wird einem Flüchtling gewährt, wenn ....

(3) Kein Asyl wird weiters Fremden gewährt, die bereits einen Asylantrag in Österreich oder einem anderen Staat, der die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention beachtet, gestellt hatten und deren Antrag abgewiesen wurde.

(4) Abs3 findet auf Fremde keine Anwendung, die nach rechtskräftiger Abweisung ihres Asylantrages in ihren Heimatstaat oder, soweit sie staatenlos sind, in den Staat, in dem sie ihren früheren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, zurückgekehrt sind und einen Asylantrag auf Umstände stützen, die nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind."

b) Die Erläuterungen zu der das AsylG 1991 betreffenden Regierungsvorlage besagen zu §2 Abs3 (270 BlgNR 18.GP, S 13):

"Abs3 normiert einen weiteren Asylausschließungsgrund, der auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Asylverfahren, sei es in Österreich oder in einem anderen Staat, der die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention beachtet, abstellt. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um die Internationalisierung der res iudicata, da der Zweitantrag bei Vorliegen dieses Ausschließungsgrundes unabhängig davon zurückzuweisen ist, ob der Erstantrag in Österreich oder in einem anderen Staat gestellt wurde; es muß allerdings sichergestellt sein, daß es sich tatsächlich um einen unveränderten Sachverhalt handelt."

2.a) §2 Abs4 AsylG 1991 ist im vorliegenden Fall hier nicht präjudiziell, weil der Beschwerdeführer seit der ersten Antragstellung Österreich gar nicht verlassen hat. Auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung ist daher nicht einzugehen.

b) §2 Abs3 AsylG 1991 hingegen wurde von der Behörde angewendet und ist auch vom Verfassungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Beschwerde zumindest zum Teil anzuwenden.

Der Gerichtshof hegt unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles ob der Verfassungsmäßigkeit dieser bundesgesetzlichen Vorschrift keine verfassungsrechtlichen Bedenken:

Der Beschwerdeführer meint, §2 Abs3 AsylG 1991 stehe deshalb in Widerspruch zur Bundesverfassung, weil durch diese Bestimmung die Rechtskraftwirkungen im Asylverfahren anders geregelt seien als in sonstigen Verwaltungsverfahren: In letzteren sei es "anerkannt", daß Anträge, die "auf andere Gründe (gemeint wohl: als der ursprüngliche Antrag) gestützt werden, von (der) Rechtskraft der bereits vorliegenden Entscheidung nicht umfaßt sind".

Mit diesem Vorbringen irrt der Beschwerdeführer: Nach Bescheiderlassung bekanntgewordene Tatsachen oder Beweismittel kann ein Antragsteller im Asylverfahren - gleich wie im gewöhnlichen Verwaltungsverfahren - im Wege eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach §69 Abs1 Z2 AVG geltend machen (sofern sie im Verfahren ohne sein Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten - §69 Abs1 Z2 leg.cit.). Sollten neue (eine Asylgewährung rechtfertigende) Tatsachen hingegen überhaupt erst nach Bescheiderlassung eingetreten sein, so ermöglicht §2 Abs4 AsylG 1991 eine neuerliche (allenfalls positive) Entscheidung über einen entsprechenden Antrag (wobei §2 Abs4 AsylG 1991 - wie erwähnt - für den vorliegenden Fall gar nicht präjudiziell ist).

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage normiert §2 Abs3 AsylG eine "Internationalisierung der res iudicata", indem auch abweisliche Entscheidungen ausländischer Staaten zu berücksichtigen sind.

Für die Lösung der Frage, ob diese Vorschrift verfassungskonform ist, ist es unerheblich, daß der Gesetzestext (und ihm folgend der angefochtene Bescheid) davon spricht, daß "kein Asyl gewährt" wird, während die Erläuterungen zur Regierungsvorlage davon ausgehen, daß der Zweitantrag bei Vorliegen des Ausschließungsgrundes des §2 Abs3 AsylG 1991 zurückzuweisen ist.

Im Hinblick darauf, daß nach den obigen Ausführungen der präjudizielle Teil des §2 Abs3 AsylG 1991 (Abweisung eines in Österreich gestellten Erst-Antrages) nicht mit dem AVG in Widerspruch steht, erübrigt sich die Erörterung der Frage, ob diese Vorschrift des AsylG 1991 mit Art11 Abs2 B-VG vereinbar ist.

3. Der Beschwerdeführer wurde also durch den bekämpften Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

Da der Beschwerdeführer nur die Verletzung von Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet hat, war nicht darauf einzugehen, ob die Verletzung eines anderen (verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechtes vorliegt (s. zB VfSlg. 9607/1983, 10981/1986).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Asylrecht, Bescheid Rechtskraft, Rechtskraft Bescheid, Wiederaufnahme, res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1926.1993

Dokumentnummer

JFT_10059387_93B01926_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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