TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/17 VGW-031/068/684/2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.03.2022
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Entscheidungsdatum

17.03.2022

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §82
StVO 1960 §99 Abs3 litd

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK !

gekürzte Ausfertigung

gemäß § 29 Abs. 5 iVm § 50 Abs. 2 VwGVG

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Hohenegger über die Beschwerde der Frau A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 15.12.2020, Zl. ..., betreffend Straßenverkehrsordnung (StVO), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22.02.2022

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG durch die belangte Behörde unzulässig.

I.       Wesentliche Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Festgestellt wird, dass am 18.09.2020 um 00:07 Uhr in Wien, C.-gasse Frau A. B., geb. 1998 (im Folgenden: Beschwerdeführerin, BF) die Kennzeichentafeln des auf sie behördlich zugelassenen KFZ (MBA – AS 2) mit dem Kennzeichen W-... von Exekutivbeamten der Landespolizeidirektion Wien abgenommen wurden, weil bei den beiden Hinterreifen die erforderliche Profiltiefe nicht vorhanden war (MBA – AS 8).

Die Polizisten hinterließen eine Verständigung über die polizeiliche Abstellung auf der Windschutzscheibe, um klarzustellen, dass sie die Kennzeichen abgenommen hatten und gaben der Beschwerdeführerin auf deren Frage, ob sie das Auto stehen lassen dürfe oder sie es gleich vom ÖAMTC abschleppen lassen müsse, da sie Mitglied sei, die Auskunft, dass es ausreiche, wenn sie am selben Tag sich um das Fahrzeug kümmere, worauf sie das Kfz mit der Verständigung an der Tatörtlichkeit abgestellt ließ. In dieser Verständigung steht, dass die Kennzeichen durch die PI D.-gasse wegen Gefahr im Verzug am 18.9.2020 um 0:15 Uhr abgenommen wurden und die Entfernung durch die Zulassungsbesitzerin veranlasst wird. Der Beschwerdeführerin wurde eine Benachrichtigung - Bestätigung ausgefolgt mit folgenden abschließenden Satz:

„Es wird ersucht das Kraftfahrzeug ehestens von öffentlichen Verkehrsflächen zu entfernen. Vor Wiedererlangung der Kennzeichentafeln ist die Weiterfahrt untersagt. Weitere Auskünfte gibt die oben bezeichnete Dienststelle.“

Am selben Tag um 07.15 Uhr nahm ein Organ des Magistrats der Stadt Wien, der Leiter der Abschleppgruppe, das ohne behördliche Kennzeichen abgestellte Kfz der Beschwerdeführerin wahr, fertigte Fotos des abstellten Kfz und von der polizeilichen Verständigung an und erstattete einen diesbezüglichen Wahrnehmungsbericht.

Die Beschwerdeführerin erneuerte noch am selben Tag die Reifen des Kfz, ließ sich die Kennzeichentafeln ausfolgen (Einzahlungsbestätigung für die KZ-Ausfolgung vom 18.9.2020, MBA – AS 9) und montierte sie noch am selben Tag.

Bei einer Nachkontrolle am 21.9.2020 durch ein Kontrollorgan der Abschleppgruppe, wurde festgestellt, dass das Fahrzeug bereits entfernt und daher eine Abschleppung nicht mehr zu veranlassen war (MBA – AS 1).

Mit Strafverfügung vom 1.12.2020 wurde der Beschwerdeführerin vom Magistrat der Stadt Wien, Magistrates Bezirksamt für den ... Bezirk (im Folgenden: belangte Behörde), zur Last gelegt, dass sie am 18.9.2020 um 7:15 Uhr das Kraftfahrzeug Mazda mit der Fahrgestellnummer ... ohne Kennzeichentafeln in Wien, C.-straße, Höhe Firma E., abgestellt und dadurch die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benutzt habe, ohne im Besitz einer hierfür erforderlichen Bewilligung nach § 82 StVO gewesen zu sein.

Mit E-Mail vom 11.12.2020 erhob die Beschwerdeführerin dagegen Einspruch unter Vorlage des Verständigungsschreibens der LPD und dem Beleg dafür, dass sie noch am selben Tag die Kennzeichentafeln wieder ausgefolgt bekommen hatte (MBA – AS 6), nachdem sie auf der Polizeiinspektion F.-platz war und auch dort darüber Unverständnis herrschte, dass ein Organ des Magistrats die deutlich hinterlegte Verständigung der Polizei „nach Lust und Laune“ offenkundig missachtet habe.

Mit dem nunmehr im Beschwerde gezogenen Straferkenntnis vom 15.12.2020 wurde aufgrund desselben Tatvorhalts gegen die Beschwerdeführerin eine Strafe in Höhe von € 49,00 verhängt und zusätzlich € 10,00 als Beitrag für die Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben (MBA – AS 10 ff.). Die Begründung lautet auszugsweise wie folgt:

„Im gegenständlichen Fall wurden die Kennzeichentafeln zwar von der Polizei abgenommen, die Tat wurde jedoch in objektiver Hinsicht verwirklicht, da keine Bewilligung für die Abstellung des KFZ ohne Kennzeichentafeln vorlag.

Auch wenn die Hinterlegung der Verständigung eine eventuelle Abschleppung verhindern hätte sollen, ist die Ihnen zur Last gelegte Übertretung in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.“

Die Beschwerdeführerin war zum vorgehaltenen Tatzeitpunkt unbescholten (VGW – ON 4 & 5).

Beweiswürdigung

Die Fundstellen der in den Akten einliegenden Beweismitteln sind bereits in den Feststellungen in Klammern beigefügt.

Im Übrigen blieben Tatort, Tatzeit und die Eigenschaft der beschwerdeführenden Partei als Zulassungsinhaber des o.a. Kfz und jene Person, die das Fahrzeug am Tatort abgestellt hatte, im Verfahrensverlauf unstrittig.

Rechtliche Beurteilung:

Der Beschwerdeführerin wird von der belangten Behörde vorgeworfen, die Straße zu verkehrsfremden Zwecken genutzt zu haben, ohne dass sie eine dafür notwendige Bewilligung gehabt hätte.

Festzuhalten ist, dass zu unterscheiden ist zwischen einem Fall, wo ein Lenker aus freien Stücken die Entscheidung trifft ein Fahrzeug ohne Kennzeichentafeln auf einer öffentlichen Straßenfläche abzustellen und jenem Fall, wo die Handlungen des Lenkers aufgrund von polizeilicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgen. Allein aus diesem Grund ist die alleinige Begründung des Straferkenntnisses, dass ungeachtet des polizeilichen Einschreitens ein „objektiver Tatbestand verwirklicht sei“ für eine abschließende Beurteilung des Falles untauglich. Wäre dem so, wäre jeder Lenker, der polizeilichen Anordnungen folgt und dabei Bodenmarkierungen, VLSA, etc. anordnungsgemäß ignoriert, allein aufgrund der Verwirklichung von objektiven Tatbeständen zu bestrafen.

Stellt man im gegenständlichen Fall allein auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes ab, würde bereits in der Sekunde nach Abnahme der Kennzeichentafeln ein strafbares Verhalten aufgrund der Nutzung der Straße für verkehrsfremde Zwecke vorliegen. Da jedoch die Abstellung des Fahrzeuges aufgrund der Untersagung der Weiterfahrt als auch die Abnahme der Kennzeichentafeln auf Anordnungen der Polizei zurückzuführen ist, ist in einem solchen Fall dem Zulassungsinhaber eine angemessene Frist entweder zur Erwirkung einer solchen Bewilligung zur Nutzung der Straße zu verkehrsfremden Zwecken bzw. zur Entfernung des Fahrzeuges einzuräumen. Mangels für eine kurzfristige Bewilligung ausreichende Amtsstunden zwischen 00:07 und 07:15 Uhr ist davon auszugehen, dass dieser Zeitraum für die Einholung einer Bewilligung nicht angemessen ist. Mag zwar die Entfernung des Fahrzeuges in dieser Zeit zwar möglich aber mangels geöffneter Werkstätten nicht sinnvoll sein, so ist auch der konkrete Zeitraum für die Entfernung nicht angemessen.

Weiters ist auf die Textierung der Benachrichtigung der LPD Wien zu verweisen, derzufolge lediglich „ersucht“ wird, das Kraftfahrzeug „ehestens von öffentlichen Verkehrsflächen zu entfernen“, was ebenfalls impliziert, dass eine sofortige Entfernung nicht gefordert ist, sondern eine angemessene Frist dafür zur Verfügung steht.

Selbst wenn man anderer Ansicht wäre, so ist es zumindest nicht vorwerfbar, dass die BF es nicht bewerkstelligt hat, zwischen 00:07 und 07:15 Uhr keine Bewilligung zur Nutzung der Straße zu verkehrsfremden Zwecken zu erwirken oder das Fahrzeug nicht sofort von der Straße entfernt zu haben.

Hinzu tritt der Umstand, dass die Beschwerdeführerin auf die Auskunft jenes Exekutivbeamten, der die Kennzeichen abnahm und die Abstellung des Fahrzeugs anordnete, vertrauen durfte, welcher ebenfalls eine sofortige Abschleppung nicht für erforderlich hielt, sondern den mündlichen Hinweis erteilte, dass derselbe Tag unproblematisch sei und es für ausreichend ansah, wenn die Beschwerdeführerin das Fahrzeug am selben Tag in Ordnung bringen ließ und daher eine Verständigung an der Windschutzscheibe hinterlegte, welche aufgrund der Textierung eindeutig sich an andere Organe der Straßenaufsicht dahingehend richtete, dass eine Entfernung des Fahrzeuges durch die Zulassungsbesitzerin veranlasst wird.

Die Rechtsauskunft eines Behördenorgans vermag auf die Beurteilung der Schuldfrage dahin Einfluss auszuüben, dass der Auskunftsempfänger hinsichtlich der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens in einen schuldausschließenden Irrtum geführt wird (VwGH 18.09.1979, 1331/79, 1465/79).

Ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen (vgl. VwGH 29.04.1992, 88/17/0094 und die dort genannte Vorjudikatur).

Aus all diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Kosten

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

Schlagworte

Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken; Abnahme der Kennzeichentafeln; Entfernung des Fahrzeuges; objektiver Tatbestand; Auskunft eines Exekutivbeamten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.031.068.684.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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