TE Vfgh Beschluss 2022/3/18 E2107/2021

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Veröffentlicht am 18.03.2022
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Index

83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art144 Abs3
Sbg NaturschutzG 1999 §55a, §67 Abs11
Krnt NaturschutzG §54a
UVP-G 2000 §19
Übereinkommen von Aarhus, BGBl III 88/2005 Art2, Art9
VfGG §7 Abs2, §87 Abs3

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde einer anerkannten Umweltorganisation gegen die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung eines Parkplatzes sowie die Verrohrung zweier Gräben nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 mangels Legitimation für das Beschwerdeverfahren vor dem VfGH; Geltendmachung der Verletzung subjektiver unionsrechtlicher Umweltschutzvorschriften vor dem Landesverwaltungsgericht möglich

Spruch

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt und Beschwerdevorbringen

1. Mit Antrag vom 25. Jänner 2018 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung eines Parkplatzes auf Grundstück Nr 61/1 sowie die Verrohrung zweier Gräben auf den Grundstücken Nr 61/1 und 69/1, je KG Gnigl.

2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg (im Folgenden: belangte Behörde) vom 1. April 2019 wurde der mitbeteiligten Partei die naturschutzrechtliche Bewilligung "für den Eingriff" in den naturschutzrechtlich geschützten Lebensraum "Feuchte Gründlandbrache nördlich Vilniusstraße" im Ausmaß von 8.415 m2 im Bereich der Grundstücke Nr 61/1, KG Gnigl, sowie die Verrohrung zweier Gräben im Bereich der Grundstücke Nr 61/1 und 69/1, beide KG Gnigl, unter Vorschreibung bestimmter Auflagen und Bedingungen erteilt.

3. Die Beschwerdeführerin – eine gemäß §19 Abs7 UVP-G 2000 anerkannte und für das Bundesland Salzburg zugelassene Umweltorganisation – war am Verfahren vor der belangten Behörde nicht beteiligt, hat jedoch iSd §67 Abs1 Sbg NSchG 1999 die Zustellung des Bescheides beantragt.

4. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einholung von gutachterlichen Stellungnahmen – mit Entscheidung vom 14. Juli 2020 zurückgewiesen, sofern sie sich nicht auf unionsrechtlich bedingte Umweltvorschriften bezog. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides abgeändert und um eine Auflage ergänzt wurde.

5. Mit Eingabe vom 20. August 2020 beantragte die Beschwerdeführerin beim Verfassungsgerichtshof die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 14. Juli 2020. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 5. April 2021, E2768/2020, abgewiesen.

6. Gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 14. Juli 2020 richtet sich nunmehr die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie die Verletzung in Rechten wegen der Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich §55a Abs4 Sbg NSchG 1999, geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird. Weiters beantragt die Beschwerdeführerin ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Ihre Beschwerdelegitimation begründet die Beschwerdeführerin – auf das Wesentliche zusammengefasst – damit, es sei unionsrechtlich geboten, die Einschränkung des Art144 Abs1 B-VG auf behauptete Verletzungen subjektiver Rechte auf anerkannte Umweltorganisationen iSd Art9 bzw Art2 Abs5 Aarhus-Konvention nicht anzuwenden. Durch eine solche Beschränkung werde Umweltverbänden weitgehend die Möglichkeit genommen, unionsrechtlich gebotene Umweltschutzvorschriften überprüfen zu lassen, weil diese im Regelfall keine subjektiven Rechte, sondern Interessen der Allgemeinheit darstellen würden. Da die Beschwerdeführerin insbesondere auch die Verletzung unionsrechtlicher umweltbezogener Bestimmungen geltend gemacht habe, sei die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zulässig.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Salzburger Naturschutzgesetzes 1999 (Sbg NSchG 1999), LGBl 73/1999 (WV), idF LGBl 61/2020 lauten auszugsweise:

"Mitwirkung von Umweltorganisationen§55a

(1) Umweltorganisationen, die gemäß §19 Abs7 UVP-G 2000 anerkannt und für das Bundesland Salzburg zugelassen wurden, sind in Bewilligungsverfahren nach

1.

§22a und §22b sowie

2.

§34, sofern von dem Vorhaben richtliniengeschützte Arten betroffen sind,

zu beteiligen.

(2) Zu den Verfahren gemäß Abs1 sind von der Behörde die Antragsunterlagen auf einer nur für anerkannte Umweltorganisationen (Abs1) zugänglichen elektronischen Plattform (§55b) bereitzustellen. Je nach Verfahrensstand können auch weitere Unterlagen auf der elektronischen Plattform zur Kenntnis gebracht werden. Kommt erst im Laufe des Verfahrens hervor, dass Umweltorganisationen zu beteiligen sind, sind ab diesem Zeitpunkt die Antragsunterlagen oder allfällige weitere Unterlagen auf der elektronischen Plattform zugänglich zu machen. Ist diese Bereitstellung mangels Vorliegens elektronischer Unterlagen nicht möglich, sind auf der elektronischen Plattform (§55b) die grundlegenden Informationen zum Verfahren mit dem Hinweis darauf bekannt zu geben, dass die vollständigen Unterlagen bei der Behörde im Rahmen der Akteneinsicht aufliegen.

(3) Die Beteiligtenstellung nach Abs1 umfasst das Recht auf Akteneinsicht und das Recht eine begründete Stellungnahme zum Ermittlungsergebnis abzugeben. Die Abgabe der begründeten Stellungnahme bei der Behörde hat spätestens zwei Wochen nach Bekanntgabe des Ermittlungsergebnisses auf der elektronischen Plattform (§55b) zu erfolgen.

(4) Anerkannten Umweltorganisationen nach Abs1 steht das Recht zu, gegen Bescheide

1.

gemäß Abs1 Z1 und 2,

2.

in jenen Fällen, wo von einer sonstigen Bewilligung nach diesem Gesetz oder einer darauf beruhenden Verordnung richtliniengeschützte Arten betroffen sind, und

3.

im Feststellungsverfahren nach §49 Abs5, soweit richtliniengeschützte Arten betroffen sind,

Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben. Die Beschwerdegründe haben sich auf die Verletzung von unionsrechtlich bedingten Umweltschutzvorschriften zu beschränken.

(5) Werden in einer Beschwerde gemäß Abs4 Z1 Beschwerdegründe erstmalig vorgebracht, so ist von der anerkannten Umweltorganisation zu begründen, warum sie nicht bereits im Bewilligungsverfahren geltend gemacht werden konnten und glaubhaft zu machen, dass sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Wenn dies bei sämtlichen Beschwerdegründen nicht glaubhaft gemacht werden kann, ist die Beschwerde zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen. Kann dies jedoch nur bei einzelnen Beschwerdegründen nicht glaubhaft gemacht werden, ist die Beschwerde insoweit nicht zu behandeln.

(6) Bescheide gemäß Abs4 sind für sechs Wochen auf der elektronischen Plattform (§55b) zugänglich zu machen. In diesem Zeitraum ist den anerkannten Umweltorganisationen, danach nur mehr für den Fall, dass Beschwerde erhoben worden ist, Einsicht in den Verwaltungsakt zu gewähren. Mit Ablauf von zwei Wochen ab dem Tag der Bereitstellung auf der Plattform gilt der Bescheid für die anerkannten Umweltorganisationen als zugestellt.

§67

[…]

(11) In zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes LGBl Nr 67/2019 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren bleibt die einer Umweltorganisation (§55a Abs1) allenfalls zuerkannte Parteistellung erhalten. Für Vorhaben, für die ein Bescheid mit Inkrafttreten des §55a in der Fassung des Gesetzes LGBl Nr 67/2019 zwar schon erlassen, aber noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, beginnt die Beschwerdefrist für Umweltorganisationen (§55a Abs1) vier Wochen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes LGBl Nr 67/2019 zu laufen. Bescheide im Sinn des §55a, die seit dem 20. Dezember 2017 in Rechtskraft erwachsen sind, können innerhalb von vier Wochen nach dem auf die Kundmachung des Gesetzes LGBl Nr 67/2019 folgenden Tag von einer Umweltorganisation (§55a Abs1) angefordert werden. Die Beschwerdefrist von vier Wochen beginnt mit Zustellung des angeforderten Bescheides zu laufen. Ab dem Tag der Zustellung des Bescheides an Umweltorganisationen (§55a Abs1) ist diesen Einsicht in den Verwaltungsakt zu gewährleisten. Beschwerden gegen solche Bescheide kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Die Behörde kann binnen zwei Wochen ab Einbringen der Beschwerde die aufschiebende Wirkung von Amts wegen oder auf Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid zuerkennen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien die Nichtausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung dringend geboten ist. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Rahmen der Beschwerde zu stellen.

[…]"

2. §19 des Bundesgesetzes über die Prüfung der Umweltverträglichkeit (Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 – UVP-G 2000), BGBl 697/1993, idF BGBl I 80/2018 lautet auszugsweise:

"Partei- und Beteiligtenstellung sowie Rechtsmittelbefugnis
§19.

(1) Parteistellung haben

        […]

7.

Umweltorganisationen, die gemäß Abs7 anerkannt wurden und

        […]

(6) Umweltorganisation ist ein Verein oder eine Stiftung,

1.

der/die als vorrangigen Zweck gemäß Vereinsstatuten oder Stiftungserklärung den Schutz der Umwelt hat,

2.

der/die gemeinnützige Ziele im Sinn der §§35 und 36 BAO, BGBl Nr 194/1961, verfolgt und

3.

der/die vor Antragstellung gemäß Abs7 mindestens drei Jahre mit dem unter Z1 angeführten Zweck bestanden hat.

Der Verein muss aus mindestens hundert Mitgliedern bestehen. Ein Verband muss mindestens fünf Mitgliedsvereine umfassen, die die Kriterien des Abs6 Z1 bis 3 erfüllen und die gemeinsam die für fünf anerkannte Umweltorganisationen erforderliche Mitgliederzahl erreichen. Die entsprechende Anzahl ist der Behörde glaubhaft zu machen.

(7) (Verfassungsbestimmung) Der Bundesminister/die Bundesministerin für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister/der Bundesministerin für Wirtschaft und Arbeit auf Antrag mit Bescheid zu entscheiden, ob eine Umweltorganisation die Kriterien des Abs6 erfüllt und in welchen Bundesländern die Umweltorganisation zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist.

(8) Dem Antrag gemäß Abs7 sind geeignete Unterlagen anzuschließen, aus denen hervorgeht, dass die Kriterien des Abs6 erfüllt werden und auf welches Bundesland/welche Bundesländer sich der Tätigkeitsbereich der Umweltorganisation erstreckt. Eine Ausübung der Parteienrechte ist in Verfahren betreffend Vorhaben möglich, die in diesem Bundesland/in diesen Bundesländern oder daran unmittelbar angrenzenden Bundesland/Bundesländern verwirklicht werden sollen. Der Bundesminister/die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus veröffentlicht auf der Homepage des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus eine Liste jener Umweltorganisationen, die mit Bescheid gemäß Abs7 anerkannt wurden. In der Liste ist anzuführen, in welchen Bundesländern die Umweltorganisation zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist.

(9) Eine gemäß Abs7 anerkannte Umweltorganisation ist verpflichtet, den Wegfall eines in Abs6 festgelegten Kriteriums unverzüglich dem Bundesminister/der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus zu melden. Auf Verlangen des Bundesministers/der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus hat die Umweltorganisation geeignete Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass die Kriterien des Abs6 weiterhin erfüllt werden. Wird dem Bundesminister/der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus bekannt, dass eine anerkannte Umweltorganisation ein Kriterium gemäß Abs6 nicht mehr erfüllt, ist dies mit Bescheid im Einvernehmen mit dem Bundesminister/der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort festzustellen. Die Liste gemäß Abs8 ist entsprechend zu ändern. Auf Verlangen des Bundesministers/der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, jedenfalls aber alle drei Jahre ab Zulassung, hat die Umweltorganisation geeignete Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass die Kriterien des Abs6 weiterhin erfüllt werden. Eine solche Überprüfung ist auch auf Verlangen einer UVP-Behörde durchzuführen.

(10) Eine gemäß Abs7 anerkannte Umweltorganisation hat Parteistellung und ist berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften im Verfahren geltend zu machen, soweit sie während der Auflagefrist gemäß §9 Abs1 schriftlich Einwendungen erhoben hat. Sie ist auch berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

        […]"

3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten samt Erklärung (im Folgenden: Aarhus-Konvention), BGBl III 88/2005, lauten auszugsweise:

"Artikel 2Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Übereinkommens

        […]

4.

bedeutet „Öffentlichkeit“ eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen;

5.

bedeutet „betroffene Öffentlichkeit“ die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse.

Artikel 9Zugang zu Gerichten

(1) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass jede Person, die der Ansicht ist, dass ihr nach Artikel 4 gestellter Antrag auf Informationen nicht beachtet, fälschlicherweise ganz oder teilweise abgelehnt, unzulänglich beantwortet oder auf andere Weise nicht in Übereinstimmung mit dem genannten Artikel bearbeitet worden ist, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle hat.

Für den Fall, dass eine Vertragspartei eine derartige Überprüfung durch ein Gericht vorsieht, stellt sie sicher, dass die betreffende Person auch Zugang zu einem schnellen, gesetzlich festgelegten sowie gebührenfreien oder nicht kostenaufwendigen Überprüfungsverfahren durch eine Behörde oder Zugang zu einer Überprüfung durch eine unabhängige und unparteiische Stelle, die kein Gericht ist, hat.

Nach Absatz 1 getroffene endgültige Entscheidungen sind für die Behörde, die über die Informationen verfügt, verbindlich. Gründe werden in Schriftform dargelegt, zumindest dann, wenn der Zugang zu Informationen nach diesem Absatz abgelehnt wird.

(2) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,

(a) die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ (b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.

Absatz 2 schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens vor einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsbehördlicher Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

(3) Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.

(4) Zusätzlich und unbeschadet des Absatzes 1 stellen die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. Entscheidungen nach diesem Artikel werden in Schriftform getroffen oder festgehalten. Gerichtsentscheidungen und möglichst auch Entscheidungen anderer Stellen sind öffentlich zugänglich.

(5) Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellt jede Vertragspartei sicher, dass der Öffentlichkeit Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zur Verfügung gestellt werden; ferner prüft jede Vertragspartei die Schaffung angemessener Unterstützungsmechanismen, um Hindernisse finanzieller und anderer Art für den Zugang zu Gerichten zu beseitigen oder zu verringern."

III. Zulässigkeit

1. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Beschwerdelegitimation nach Art144 Abs1 B-VG nur dann gegeben, wenn durch die behördliche Entscheidung ein subjektives Recht der beschwerdeführenden Partei verletzt worden sein kann (vgl VfSlg 11.764/1988, 15.398/1999, 15.733/2000, 17.840/2006, 17.920/2006, 18.442/2008, 19.151/2010, 19.289/2011; VfGH 20.2.2014, B182/2014).

3. Gemäß §55 Abs4 iVm Abs1 Sbg NSchG 1999 steht nach §19 Abs7 UVP-G 2000 anerkannten und für das Bundesland Salzburg zugelassenen Umweltorganisationen das Recht zu, gegen Bescheide in den Fällen des §55 Abs4 Z1 bis 3 Sbg NSchG 1999 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben. Eine solche Beschwerde ist jedoch auf die Geltendmachung einer Verletzung von unionsrechtlich bedingten Umweltschutzvorschriften beschränkt.

4. Die Beschwerdeführerin ist eine gemäß §19 Abs7 UVP-G 2000 anerkannte und für das Bundesland Salzburg zugelassene Umweltorganisation. Sie kann daher die Verletzung von unionsrechtlich bedingten Umweltschutzvorschriften vor dem Landesverwaltungsgericht geltend machen. Eine Beschwerdelegitimation nach Art144 B-VG kommt ihr hingegen nicht zu (vgl VfGH 24.11.2020, E1097/2020).

5. Die Abtretung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäß Art144 Abs3 B-VG iVm §87 Abs3 VfGG nur im Fall ihrer Abweisung oder der Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof vorgesehen, nicht aber – wie im vorliegenden Fall – bei Zurückweisung einer Beschwerde (vgl zB VfSlg 12.749/1991, 12.806/1991, 15.073/1998; VfGH 28.2.2005, B129/04 ua; 23.9.2009, B909/08).

IV. Ergebnis

1. Die Beschwerde ist mangels Legitimation der beschwerdeführenden Umweltorganisation zurückzuweisen, ohne dass das Vorliegen der übrigen Prozessvoraussetzungen näher zu prüfen ist.

2. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist abzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Parteistellung Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, Naturschutz, VfGH / Abtretung, EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:E2107.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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