TE Lvwg Erkenntnis 2022/2/28 LVwG-604940/10/StB/BS

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.02.2022
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.02.2022

Norm

StVO 1960 §38
StVO 1960 §99
VStG §6

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag.  Dr.  Blecha über die Beschwerde des J P, vertreten durch P & K Rechtsanwälte GmbH, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 02.12.2021, GZ: BHRO/920130235168/20, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 07.02.2022 durch mündliche Verkündung

zu Recht erkannt:

I.     Der Beschwerde wird mit folgenden Maßgaben insofern stattgegeben, als die Geldstrafe auf 40 Euro sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Stunden herabgesetzt werden.

Die übertretene Norm hat wie folgt zu lauten:

"§ 38 Abs. 5 StVO iVm § 38 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 18/2019

Die Strafnorm hat wie folgt zu lauten:

„§ 99 Abs. 3 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2009

II.    Der Beschwerdeführer hat keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten. Der Kostenbeitrag des Beschwerdeführers zum Verfahren vor der belangten Behörde bleibt unverändert.

III.   Gegen diese Entscheidung ist eine Revision unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang:

I.1.    Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach (im Folgen: belangte Behörde, [bB]) verhängte mit Straferkenntnis vom 02.12.2021, GZ:  BHRO/920130235168/20, über J F P (im Folgenden: Beschwerdeführer, [Bf]) wegen einer Übertretung von § 38 Abs. 5 iVm § 38 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) eine Geldstrafe nach § 99 Abs. 3 lit. a leg.cit. in der Höhe von 70 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag, 8 Stunden).

Dem Bf wird darin angelastet, er habe am 25.09.2020, 17:36 Uhr, in 4020 Linz, Kreuzung Mozartstraße/Dametzstraße, trotz Rotlichtes der Verkehrssignalanlage nicht an der Haltelinie angehalten, sondern sei weitergefahren.

I.2.    Dagegen erhob der Bf rechtzeitig mit Email vom 30.12.2021 Beschwerde und brachte darin zusammengefasst vor, dass er an einer Kundgebung namens „C M“ teilgenommen habe und das Stoppen an der roten Ampel die Durchführung dieser Versammlung massiv beeinträchtigt und zu Gefahrensituationen geführt hätte.

I.3.    Mit Vorlageschreiben vom 05.01.2022 legte die bB die Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsstrafakt, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor. Dieses entscheidet durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter (§ 2 VwGVG).

I.4.    Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und in die Beschwerde. Am 07.02.2022 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der der Bf gemeinsam mit seiner damaligen Vertretung anwesend war und in der ein Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet wurde. Die Niederschrift wurde den Parteien in weiterer Folge mit Schreiben vom 10.02.2022 übermittelt, die Rechtsvertretung des Bf beantragte mit Schreiben vom 14.02.2022 fristgerecht eine ungekürzte Ausfertigung der Entscheidung.

II.      Sachverhalt, Beweiswürdigung:

II.1.   Der Bf lenkte unbestritten als Teilnehmer der Versammlung „C M“ am 25.09.2020, 17:36 Uhr, sein Lastenfahrrad im Gemeindegebiet von Linz. Es handelte sich dabei um eine (nicht angemeldete) Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes, bei der mehrere Radfahrer gemeinsam auf die mangelnde Infrastruktur für Radfahrer bzw. die ungleiche Verteilung von Infrastruktur aufmerksam machen wollen und sich zu diesem Zweck in einem Fahrradkorso bewegten.

II.2.   Zum angeführten Zeitpunkt hielt er dieses Fahrzeug bei der Kreuzung Mozartstraße/Dametzstraße nicht an der vorgesehenen Haltelinie an und fuhr als einer der letzten Versammlungsteilnehmer trotz Rotlichts noch in die Kreuzung ein. Normalerweise werde – nach übereinstimmenden Zeugenaussagen – darauf geachtet, dass der Versammlungszug durch das Überqueren einer Straße mit Ampelanlage nicht auseinandergerissen werde. Dies funktionierte im gegenständlichen Fall jedoch nicht. Aufgrund einer dienstlichen Wahrnehmung des einschreitenden Beamten wurde dieses Fahrzeug angehalten und in weiterer Folge eine Fahrzeug- und Lenkerkontrolle durchgeführt.

II.3.   Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Akt. Die Angaben des einschreitenden Beamten werden vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht in Zweifel gezogen und wurden auch vom Bf nicht substantiell bestritten. Die persönlichen Verhältnisse des Bf ergeben sich aus seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht.

Der Bf ist, soweit aus dem Akteninhalt ersichtlich, unbescholten und hat in objektiver Hinsicht die ihm vorgeworfene Übertretung zugestanden. Inwiefern diese Übertretung gemäß § 6 VStG gerechtfertigt sein konnte, ist eine Frage der folgenden rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts.

III.     In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:

III.1   § 38 StVO 1960 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung sieht vor:

㤠38. Bedeutung der Lichtzeichen

(1) Gelbes nicht blinkendes Licht gilt unbeschadet der Vorschriften des § 53 Z 10a über das Einbiegen der Straßenbahn bei gelbem Licht als Zeichen für „Halt“. Bei diesem Zeichen haben die Lenker herannahender Fahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 7 anzuhalten:

a) wenn eine Haltelinie vorhanden ist, vor der Haltelinie;

[…]

(5) Rotes Licht gilt als Zeichen für „Halt“. Bei diesem Zeichen haben die Lenker von Fahrzeugen unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 7 und des § 53 Z 10a an den im Abs. 1 bezeichneten Stellen anzuhalten.“

III.2.  Nach § 99 Abs. 3 lit. a leg.cit. begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

III.3.  Nach § 6 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

III.4.  Zweifellos war der Bf Lenker des Fahrrades zum Zeitpunkt der Anhaltung und hat die Ampel an der trotz Rotlicht überfahren. Im vorliegenden Fall stellt sich aufgrund des Außerstreitstellens der Verwirklichung des objektiven Tatbestands die Frage, ob die Missachtung des Anhaltens bei Rotlicht durch die Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit iSd § 6 VStG gerechtfertigt sein kann und ob der Bf dies auch subjektiv für sich geltend machen kann.

III.5.  Objektiv gesehen lag für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine (wenn auch nicht angemeldete) Versammlung, die jedenfalls vom verfassungsrechtlich geschützten Recht auf Versammlungsfreiheit umfasst ist, vor. Diese hatte – laut den Angaben in der Beschwerde – den Zweck durch Befahren von vorwiegend dem motorisierten Verkehr vorbehaltenen Flächen auf die ungerecht verteilten Flächen im Straßenverkehr aufmerksam zu machen. Die Versammlung hatte aber nicht den Zweck Vergehen gegen straßenrechtliche Bestimmungen, wie das Anhalten bei Rotlicht, aufzuzeigen.

Im Hinblick auf die verfassungsgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit ist anzunehmen, dass ein Verhalten, das an sich dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, von der Rechtsordnung erlaubt und damit gemäß § 6 VStG dann gerechtfertigt sein kann, wenn es unbedingt notwendig ist, um die Versammlung in der beabsichtigten Weise durchzuführen (vgl. VfSlg. 11.866, 18.483). Der Bf kann dies im vorliegenden Sachverhalt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts nicht subjektiv als Rechtfertigung für die von ihm übertretene Norm heranziehen, da diese nicht vom Zweck der Versammlung umfasst war.

III.6.  Das in Rahmen des Verfahrens zitierte Judikat des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 28.11.2019 (GZ: LVwG-603043/17/JP) vermag an dieser rechtl. Beurteilung nichts zu ändern, da im ggst. Sachverhalt eben das Anhalten bei Rotlicht an einer Kreuzung nicht unbedingt notwendig ist, um die Versammlung in der beabsichtigten Weise durchzuführen. Die Versammlung hatte demzufolge das Aufzeigen der mangelnden Infrastruktur für Radfahrer bzw. die diesbezügliche ungerechte Verteilung der Flächen im Straßenverkehr als Zweck, zu der das Anhalten bei einer Ampelanlage an einer Kreuzung bei Rotlicht mit Sicherheit nicht gehört.

III.7.  Auch wird der Ansicht des Bf nicht geteilt, wonach eine massive Beeinträchtigung der Versammlung durch das Anhalten bei der Kreuzung stattgefunden hätte. Diese wäre – wenn überhaupt- nur äußerst kurzfristig eingetreten und der Bf hätte die Möglichkeit gehabt wieder auf die Versammlung aufzufahren. Die Versammlung an sich hätte es auch selbst in der Hand so zu fahren, dass alle teilnehmenden Personen folgen können und so keine Teilung der Gruppe eintritt. Auch eine entsprechende Gefahrensituation, die hier dabei entstehen hätte können, kann nicht als Rechtfertigung zugunsten des Bf wirken.

III.8.  Weiters lässt sich auch aus der im Rahmen der mündlichen Verhandlung angeführten Bestimmung des § 29 Abs. 1 StVO nichts zugunsten des Beschwerdeführers gewinnen, zumal diese keine Ausnahme für Radfahrer im Zuge einer unangemeldeten Radfahrerdemonstration vorsieht.

III.9.  Der objektive Tatbestand ist aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich erfüllt und wurde auch vom Bf nicht substantiell bestritten. Das Vorbringen ist auch insgesamt nicht dazu geeignet, dass ihn an der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft, sondern ist von zumindest fahrlässigen Verhalten auszugehen.

Die verhängte Strafe schöpft den Strafrahmen nur zu rd. 1 % aus. Aufgrund der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, der langen Verfahrensdauer (Tatdatum: 25.09.2020) und der von ihm in der mündl. Verhandlung bekannt gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse erscheint diese dennoch überhöht und konnte entsprechend reduziert werden. Sie erscheint ausreichend, um den Bf in Zukunft von ähnlichen Übertretungen abzuhalten. Auch aus dem Blickwinkel der Generalprävention steht dieser Strafzumessung nichts entgegen.

III.10. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Beschwerdeführer nach § 52 Abs. 8 VwGVG nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es handelte sich bei der konkreten Rechtsfrage des angefochtenen Straferkenntnisses um eine solche der Strafzumessung, diese war aufgrund des konkreten Verhaltens des Bf und der konkreten persönlichen Verhältnisse des Bf vorzunehmen. Diese ist insofern stets einzelfallbezogen und nicht verallgemeinerungsfähig. Die Frage zur Rechtfertigung durch die Versammlungsfreiheit wurde im Sinne der Judikatur beantwortet.

Für die beschwerdeführende Partei ist nach der Bestimmung des § 25a Abs. 4 VwGG keine Revision zulässig. Nach dieser Bestimmung ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache – wie gegenständlich – eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte sowie im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde. Dies trifft im vorliegenden Fall auf zu, da nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO Geldstrafen bis zu einer Höhe von 726 Euro verhängt werden dürfen und die tatsächlich verhängte Strafe 70 Euro betrug.

Schlagworte

Versammlung; Verwaltungsübertretung; Überfahren einer Ampel trotz Rotlicht; Notstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2022:LVwG.604940.10.StB.BS

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten