TE Vwgh Erkenntnis 1975/4/21 2166/74

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Veröffentlicht am 21.04.1975
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Index

Baurecht - Bgld
L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Burgenland
L70701 Theater Veranstaltung Burgenland
L81701 Baulärm Umgebungslärm Burgenland
L82000 Bauordnung
L82001 Bauordnung Burgenland
L82201 Aufzug Burgenland
L82251 Garagen Burgenland
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
22/02 Zivilprozessordnung
40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

ABGB §364
AVG §13
AVG §41 Abs2
AVG §42 Abs1
AVG §45 Abs3
AVG §58 Abs2 implizit
BauO Bgld 1969
BauO Bgld 1969 §94 Abs2
BauRallg
BauRallg implizit
EGZPO Art37
GewO 1973 §375 implizit
VwGG §34 Abs1 implizit
VwGG §41 Abs1
VwGG §41 Abs1 implizit
VwRallg
ZPO §237

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann, Dr. Draxler und Öhler als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Landesregierungskommissär Dr. Funovits, über die Beschwerde des ET in J, vertreten durch Dr. Theodor Rant, Rechtsanwalt in Fürstenfeld, Hauptplatz 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf vom 14. Oktober 1974, Zl. X-H-6/1-1974, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1) Gemeinde J, vertreten durch den Bürgermeister, 2) JH in J), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe, von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei JH hatte im April 1974 um die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Wirtschaftsgebäudes, enthaltend einen Siloraum, einen Mehrzweckraum, einen Hühnerstall, einen Geräteschuppen und zwei Räume für die Einstellung von landwirtschaftlichen Maschinen, angesucht. Bei der am 29. April 1974 vom Bürgermeister der Gemeinde J abgehaltenen Bauverhandlung waren laut Verhandlungsschrift folgende Erklärungen abgegeben worden: „Der Anrainer ET ist mit der geplanten Bauführung einverstanden, jedoch dies nur unter der Voraussetzung, daß im geplanten Mehrzweckraum und Siloraum keine Schweinehaltung erfolgt. Der Bauherr JH erklärt sich damit einverstanden, im Mehrzweckraum und im Siloraum keine Schweine, auch nicht vorübergehend, zu halten.“ Am Tag nach der Verhandlung hatte der Bauwerber sein Bauansuchen zurückgezogen.

Am 1. Juni 1974 brachte die mitbeteiligte Partei JH bei der Gemeinde J ein neuerliches Bauansuchen für die Errichtung eines Wirtschaftsgebäudes auf dem Grundstück Nr. 711 der Katastralgemeinde H ein. Der Bürgermeister der Gemeinde J beraumte mit Kundmachung vom 10. Juni 1974 für 14. Juni 1974 eine Bauverhandlung an. In der Kundmachung war angeführt: „Die Anrainer und anderen Beteiligten werden eingeladen, ihre allfälligen Einwendungen entweder schriftlich vor oder aber bei der Verhandlung persönlich oder durch die Bevollmächtigten vorzubringen, widrigenfalls angenommen wird, daß sie der Bauführung (Abtragung) zustimmen und die Baubewilligung ohne Rücksicht auf etwaige nachträgliche Einwendungen erteilt werden würde, sofern nicht öffentliche Rücksichten entgegenstehen. Die Pläne liegen bis zum Verhandlungsvortage beim Gemeindeamt in J. zur allgemeinen Einsicht auf.“ Diese Kundmachung wurde dem Beschwerdeführer laut einer im Akt erliegenden - nicht datierten - Empfangsbestätigung zugestellt. In der Niederschrift über die Bauverhandlung findet sich folgende Angabe: „Der neue Bau beinhaltet einen Schweinestall, einen Siloraum, einen Geräteschuppen, einen Hühnerstall und zwei Räume für landwirtschaftliche Maschinen. Der Schweinestall soll mit einer Stahlbetondecke abgedeckt werden. Die näheren Einzelheiten sind aus den Einreichsunterlagen zu entnehmen. Äußerung des sanitätspolizeilichen Sachverständigen Dr. P.: Bei Einhaltung der Burgenländischen Bauordnung für landwirtschaftliche Betriebsbauten (§ 86 Stallungen) bestehen - insbesondere auf die ortsübliche Geruchsbelästigung durch den Schweinestall - keine sanitätsärztlichen Einwendungen. Der Anrainer T ist mit der geplanten Bauausführung, vor allem des Schweinestalles, nicht einverstanden und entfernte sich vor Abfassung dieser Niederschrift. Gutachten: Die Amtsabordnung stellt auf Grund der durchgeführten Verhandlung fest, daß gegen die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung des Wirtschaftsgebäudes bei plan- und befundgemäßer Ausführung sowie bei Einhaltung der Bestimmungen der Burgenländischen Bauordnung und der nachstehend angeführten Vorschreibungen keine Bedenken bestehen: 1.) Entgegen des Lageplanes muß der Mindestabstand vom Anrainer T 3 m von der Grundgrenze betragen. 2.) ...“

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde J vom 19. Juni 1974 wurde der mitbeteiligten Partei JH gemäß § 93 der Burgenländischen Bauordnung, LGBl. Nr. 13/1970, bei plan- und befundgemäßer Ausführung sowie bei Einhaltung der Bestimmungen der burgenländischen Bauordnung unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen die Baubewilligung zur Errichtung des Wirtschaftsgebäudes erteilt. Unter diesen Auflagen ist unter anderem vorgesehen: „1.) Entgegen des Lageplanes muß der Mindestabstand vom Anrainer T 3 m von der Grundgrenze betragen.“ Im Bescheid ist ferner die bei der Bauverhandlung festgehaltene, vorhin im relevanten Umfang wiedergegebene Baubeschreibung, die Äußerung des sanitätspolizeilichen Sachverständigen und die Erklärung des Beschwerdeführers wiedergegeben. Ein ausdrücklicher Abspruch über die Einwendung des Beschwerdeführers ist im Bescheid nicht enthalten. Gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, daß bereits 22 m von seinem Wohngebäude bzw. den Wohnfenstern entfernt eine freie Mistablagerungsstätte von einem Kuh- und Schweinestall und 16 m entfernt zwei offene Grünfuttersilos bestünden, weshalb er es als absolut unannehmbar finde, wenn 16 m von seiner Wohnung entfernt noch ein Schweinestall errichtet werden solle zumal der Bauwerber noch Platz für einen Schweinestall habe, der, vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen, viel günstiger wäre als der jetzige.

Mit Bescheid des Gemeinderates, der Marktgemeinde J vom 23. Juli 1974 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhalt mit § 108 der Burgenländischen Bauordnung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. In der Begründung wurde ausgeführt: Die Prüfung der vorgebrachten Berufungsgründe durch die Berufungsinstanz habe ergeben, daß der Bauwerber bei der Errichtung des Wirtschaftsgebäudes (mit eingebautem Schweinestall) alle rechtlichen Voraussetzungen sowohl in baupolizeilicher als auch in sanitätspolizeilicher Hinsicht erfülle, bzw. solche nicht entgegenstünden. Eine Geruchsbelästigung über das ortsübliche Ausmaß hinaus sei vom Sanitätssachverständigen verneint worden. Der Einspruch des Anrainers T - der Bauwerber hätte genügend anderen Platz dafür zur Verfügung - werde aus menschlicher Sicht voll verstanden, habe jedoch aus formalen Gründen nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden können. Gegen diesen Berufungsbescheid erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Vorstellung an die Aufsichtsbehörde gemäß § 77 der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965. Die Vorstellung wurde im wesentlichen, wie folgt, begründet: Der gegenständliche Bau eines Schweinestalles sei bereits halbfertig gewesen, als die baubehördliche Genehmigung erteilt worden sei. Ohne Baubewilligung habe der Bauwerber auch zwei Silos und eine Düngerstätte gebaut, wo der Mist vom Schweinestall und vom Kuhstall frei aufgeschichtet werde. In der gegenständlichen Bauangelegenheit habe bereits eine Kommissionierung stattgefunden und dabei sei zwischen dem Beschwerdeführer und dem Bauwerber eine Vereinbarung getroffen worden, nach welcher im Vordergebäude, wo jetzt der Schweinestall errichtet worden sei, ein Abstellraum oder Geräteschuppen gemacht und der Schweinestall hinter diesem Raum mit Jauchengrube und Düngerstätte gebaut werde; nach Abschluß dieser Bauverhandlung habe volle Einigung geherrscht. Die neue Kommissionierung sei daher gesetzwidrig und mit Nichtigkeit behaftet, weil in der gleichen Sache zweimal entschieden worden sei. Der Bürgermeister habe dem Beschwerdeführer erklärt, der Bauwerber müsse die seinerzeitige Regelung widerrufen, weil sein Sohn sonst nicht zu Hause bleibe. Die Ladung zur Bauverhandlung sei erst am 12. Juni 1974 nach 18.00 Uhr zugestellt worden, wobei der Folgetag ein gesetzlicher Feiertag (Fronleichnam) gewesen sei. Im gesamten Gemeindegebiet gebe es keinen Fall, in welchem ein Schweinestall direkt vor den Wohnfenstern des Nachbarn in einer Entfernung von 16 m mit behördlicher Bewilligung erbaut worden sei. In diesem Zusammenhang wurde auf einen konkreten Beispielsfall hingewiesen. Entgegen § 92 der Burgenländischen Bauordnung sei nicht der Amtssachverständige sondern ein praktischer Arzt als Sachverständiger beigezogen worden. Der Kreisarzt hätte ein solches Gutachten nicht abgegeben und es wäre die Baubewilligung untersagt worden. Die Behörden müßten gegen die Umweltverschmutzung einschreiten. Entgegen den vorgeschriebenen Auflagen falle es dem Bauwerber gar nicht ein, die Tür zu beseitigen; er habe ober dem Gebäude, das ungefähr 2.80 m bis 2.90 m hoch sei, Fenster errichtet, die gerade zur Wohnfront des Beschwerdeführers gerichtet seien. Man könne sich vorstellen, welcher üble Geruch verbreitet werde. Der Beschwerdeführer sei oft nicht in der Lage, die Fenster offen zu halten. Die Geruchsbelästigung übersteige bei weitem das ortsübliche Ausmaß (§ 86 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung). Es sei unverständlich, welche formale Gründe es ausschlössen, die Einwendung des Beschwerdeführers als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Wenn Verfahrensverletzungen vorgekommen seien, so müßten diese angeführt werden.

Mit dem nun beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 14. Oktober 1974 stellte die belangte Behörde gemäß § 108 der Burgenländischen Bauordnung und § 77 der Burgenländischen Gemeindeordnung fest, daß der Beschwerdeführer durch den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde J vom 23. Juli 1974 in keinem Recht verletzt worden sei. In der Begründung dieses Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt: Der Abstand des Wirtschaftsgebäudes vom Grundstück des Beschwerdeführers betrage 2.20 bis 4.20 m. Jener Teil des Wirtschaftsgebäudes, in dem der Schweinestall untergebracht sei, falle daher in den Bereich der Abstandsfläche, der gegen die seitliche Grundstücksgrenze mindestens 3 m zu betragen habe. In dieser Abstandsfläche dürften zufolge § 5 Abs. 2 der Burgenländischen Bauordnung Bauten bis zu einer Höhe von 2.50 m errichtet werden, wenn sie keine Feuerstätten hätten, keine feuerpolizeilichen Bedenken bestünden und durch ihren Bestand oder ihre Benützung die Rechte der Anrainer nicht gefährdet oder unzumutbar beeinträchtigt würden. Sie dürften darüber hinaus das Orts- oder Landschaftsbild nicht stören und im Bebauungsplan bzw. Teilbebauungsplan nicht untersagt sein. Das Wirtschaftsgebäude weise laut vorliegenden Unterlagen eine geringere Höhe als 2.50 m auf und dürfe in der Freifläche errichtet werden, weil keine Gründe festgestellt werden konnten, die gegen die Zulässigkeit sprächen. Bezüglich der Geruchsbelästigung sei im besonderen geprüft worden, ob durch den Bestand oder die Benützung des Wirtschaftsgebäudes die Rechte des Beschwerdeführers gefährdet oder unzumutbar beeinträchtigt würden. Gemäß § 86 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung müßten Stellungen, Düngerstätten, Silos etc. von Straßen und fremden Gebäuden, unbeschadet der sonstigen Abstandsvorschriften, soweit entfernt sein, daß sie für die Straßenbenützer und Bewohner keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belastungen verursachten. Ob im Hinblick auf den Abstand eine über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende Beeinträchtigung vorliege oder nicht, könne nur auf Grund der örtlichen Gegebenheiten beurteilt werden. Der Schweinestall habe ein Ausmaß von 35 m2 und der Abstand zu dem Wohnobjekt des Beschwerdeführers betrage zirka 16 m. In Berücksichtigung dieser Situation habe die Baubehörde auf Grund eines Gutachtens des Amtssachverständigen, der mit der Urlaubsvertretung des Kreisarztes beauftragt gewesen sei, festgestellt, daß eine über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende Geruchsbelästigung nicht vorliege. Es bestehe kein Grund, die Richtigkeit dieser Entscheidung in Zweifel zu ziehen, weil sie auf einem Gutachten basiere, das offenbar den Erfahrungen des täglichen Lebens entspreche. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers sei nicht in der gleichen Sache zweimal entschieden sondern vom Bürgermeister nur eine Entscheidung getroffen worden, welcher, bedingt durch die Vorlage geänderter Pläne, eine weitere kommissionelle Verhandlung habe vorangehen müssen. Es sei auch nicht stichhältig, daß die mündliche Verhandlung auf einen zu kurzen Termin anberaumt worden sei, weil ein solcher Verfahrensmangel nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden könne, wenn ein Vertagungsantrag gestellt und diesem nicht entsprochen worden sei.

In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen „Gesetzwidrigkeit“ (gemeint offenbar: Rechtswidrigkeit des Inhaltes) und „Mangelhaftigkeit des Verfahrens“ (gemeint offenbar: Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften) beantragt. Die Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG 1965) werden wie folgt bezeichnet: Der Beschwerdeführer sei in seinem Recht der Abwehr von Immissionen, nämlich von Geruchsbelästigungen durch den Bau eines Schweinestalles, verletzt (§ 364 ABGB), aber auch durch die Mißachtung der vor der Baubehörde erster Instanz abgeschlossenen Vereinbarung, nach welcher sich der Bauwerber verpflichtet habe, im Mehrzweckraum keinen Schweinestall zu errichten; auf Grund dieser Verpflichtung habe der Beschwerdeführer aus diesem Titel des Vertrages das Recht erlangt zu verhindern, daß er und seine Familie durch die Geruchsbelästigung des Schweinestalles benachteiligt würden. Weiters sei der Beschwerdeführer durch die unrichtige Anwendung der §§ 5 und 86 der Burgenländischen Bauordnung verletzt, weil der Schweinestall ihn und seine Familie in einem die ortsüblichen Verhältnisse übersteigenden Maße belästige; im gleichen Rechte werde er auch dadurch verletzt, daß die Baubehörde die Errichtung des Schweinestalles genehmigt habe, obwohl ihr bekanntgewesen sei, daß der Beschwerdeführer durch die vor dieser Behörde abgeschlossene Vereinbarung die Berechtigung erworben habe, die Bauführung zu verhindern.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Zu dieser Gegenschrift brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ein, in welcher er unter anderem ausführte, er habe bei der Bauverhandlung vom 14. Juni 1974 ausdrücklich auf die bei der Bauverhandlung vom 29. April 1974 getroffene Vereinbarung aufmerksam gemacht, sich gegen den Bau in dieser Fassung ausgesprochen und, weil seine Ausführungen nicht zur Kenntnis genommen worden seien, sich unter Protest gegen die Errichtung eines Schweinestalles von der Bauverhandlung entfernt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bei der Behandlung des vorliegenden Beschwerdefalles ist gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1965 von den durch den Beschwerdeführer bezeichneten Beschwerdepunkten auszugehen. überdies ist eine allfällige Präklusion des Beschwerdeführers bei der Bauverhandlung im Sinne des § 42 AVG 1950 auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu beachten (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Oktober 1965, Slg. N. F. Nr. 6777/A).

Was die behaupteten Rechte auf Abwehr von Immissionen nach § 364 ABGB und auf Einhaltung des bei der Bauverhandlung vom 29. April 1974 nach Ansicht des Beschwerdeführers zustande gekommenen Vertrages anlangt, so kann der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht schon deswegen nicht mit seinem Begehren auf Abweisung des Bauansuchens durchdringen, weil die behaupteten Rechte im Privatrecht begründet sind und die Baubehörde gemäß § 94 Abs. 2 der Burgenländischen Bauordnung von 1970 über privatrechtliche Einwendungen keine meritorische Entscheidung zu treffen hat. Diese Gesetzesstelle lautet; „Ist das Recht, dessen Verletzung behauptet wird, im Privatrecht begründet (privatrechtliche Einwendung), so hat die Baubehörde einen gütlichen Ausgleich zu versuchen; kommt eine Einigung zustande, ist sie in der Verhandlungsschrift festzuhalten. Ist über privatrechtliche Einwendungen keine Einigung zustandegekommen, sind die streitenden Teile hinsichtlich dieser Einwendungen auf den Rechtsweg zu verweisen. Diese Einwendungen sind im Bescheid ausdrücklich anzuführen.“

Eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers ist aber auch nicht dadurch eingetreten, daß hinsichtlich dieser Privatrechte keine Verweisung der streitenden Teile auf den Rechtsweg erfolgte. (Der Versuch eines gütlichen Ausgleiches war nicht möglich, weil sich der Beschwerdeführer von der Bauverhandlung entfernte). Dabei kann es dahingestellt, bleiben, ob anläßlich der Bauverhandlung vom 14. Juni 1974 eine rechtswirksame privatrechtliche Einwendung erhoben wurde, Selbst wenn nämlich die in der Verhandlungsschrift wiedergegebene Erklärung des Beschwerdeführers in diesem Sinne zu werten ist oder der Beschwerdeführer, wie er in seiner Stellungnahme zur Gegenschrift der belangten Behörde behauptete, sich über den in der Verhandlungsschrift festgehaltenen Wortlaut der Erklärung hinaus ausdrücklich auf einen bei der Bauverhandlung vom 29. April 1974 abgeschlossenen Vertrag berufen hat, wurde seine Rechtsstellung durch die mangelnde Verweisung der Einwendungen auf den Zivilrechtsweg nicht beeinträchtigt. Um im Sinne des Art. XXXVII EGZPO der Unzulässigkeit der Bauverbotsklage zu entgehen, genügt es nämlich, wenn entsprechende privatrechtliche Einwendungen bei der Bauverhandlung erhoben wurden; es kommt nicht darauf an, daß die Baubehörde ausdrücklich eine Verweisung auf den Rechtsweg ausgesprochen hat (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1971, Slg.N.F.Nr. 8124/A).

Auch mit der Verfahrensrüge kann der Beschwerdeführer bezüglich der im Privatrecht wurzelnden Beschwerdepunkte nicht durchdringen. Soweit er sich dagegen wendet, daß die mündliche Verhandlung auf einen zu kurzen Termin ausgeschrieben worden sei, hält ihm die belangte Behörde in der Gegenschrift mit Recht entgegen, daß ein Anrainer, der an der Bauverhandlung teilnimmt und, ohne einen Vertagungsantrag zu stellen, Einwendungen erhebt, einen solchen Verfahrensmangel nicht mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verfolgen kann (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1952, Slg. N. F. Nr. 2785/A). Allfällige sonstige Verfahrensmängel aber könnten im Hinblick auf die vorhin dargestellte Rechtslage nicht wesentlich sein, weil sie die Rechtsstellung des Beschwerdeführers in Angelegenheit dieser Beschwerdepunkte nicht zu beeinträchtigen vermochten.

Soweit sich der Beschwerdeführer darin verletzt erachtet, daß die belangte Behörde die Bestimmungen der §§ 5 und 86 der Burgenländischen Bauordnung von 1970 unrichtig angewendet habe, ist ihm entgegenzuhalten, daß seine Erklärung anläßlich der Bauverhandlung vom 14. Juni 1974 selbst in der in der Stellungnahme zur Gegenschrift der belangten Behörde behaupteten Fassung nicht als Geltendmachung des Rechtes auf Einhaltung eines größeren Abstandes von der Grundstücksgrenze bzw. vom Gebäude des Beschwerdeführers angesehen werden kann. Von der Präklusionswirkung des § 42 AVG 1950 sind aber auch rechtzeitig erhobene Einwendungen betroffen, soweit diese nicht erkennen lassen, daß sich die Partei durch das Vorhaben in dem betreffender Recht verletzt erachtet (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. November 1974, Zl. 1857/73, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird). Auf die Präklusionsfolgen war in der Ladung zur Bauverhandlung hingewiesen worden. Im Recht auf Einhaltung eines größeren Abstandes nach der vorzitierten Gesetzesstelle wurde daher der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt, selbst wenn die Baubewilligung in dieser Hinsicht nach der objektiven Rechtslage unzulässig oder das der Entscheidung zugrunde liegende Verfahren mangelhaft gewesen sein sollte.

Im übrigen trifft es auch nicht zu, daß zu Unrecht über dasselbe Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei JH zweimal entschieden oder auch nur verhandelt worden wäre. Vielmehr war diese mitbeteiligte Partei vom öffentlich rechtlichen Standpunkt aus berechtigt, ihr seinerzeitiges Bauansuchen nach der Bauverhandlung, aber von der Bescheiderlassung zurückzuziehen und es zu einem späteren Zeitpunkt, sei es in veränderter oder in unveränderter Form, wieder einzubringen. Eine der Zivilprozeßordnung (§§ 237 f) nachgebildete Bestimmung etwa des Inhaltes, daß ein Antrag nach Anhängigkeit des Verfahrens ohne Anspruchsverzicht nur mit Zustimmung des Verfahrensgegners zurückgezogen werden könne, wie dies dem Beschwerdeführer offenbar vorschwebt, läßt sich nämlich weder im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz noch in der Burgenländischen Bauordnung auffinden. Das Bauansuchen der mitbeteiligten Partei vom 1. Juni 1974 war als neues Bauansuchen zu werten und darüber ein neues Bauverfahren durchzuführen. Ob die mitbeteiligte Partei durch dieses Vorgehen allenfalls aus zivilrechtlicher Sicht eine Vertragsverletzung begangen hat, war, wie bereits ausgeführt, von der Baubehörde nicht zu prüfen.

Da sich somit die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975, insbesondere auch auf deren Art. IV Abs. 2.

Wien, am 21. April 1975

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1 Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Behandlung von Parteieinwendungen Ablehnung von Beweisanträgen Abstandnahme von Beweisen Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Baurecht Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2 Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Sachverhalt Verfahrensmängel Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2 Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Allgemein VwRallg10/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1975:1974002166.X00

Im RIS seit

02.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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