TE Vwgh Beschluss 2022/3/30 Ra 2018/08/0198

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Veröffentlicht am 30.03.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

AlVG 1977 §24 Abs1
AlVG 1977 §36 Abs2
AlVG 1977 §38
AVG §45 Abs1
AVG §45 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Berger, Mag. Stickler und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des A E, vertreten durch Dr. Ingo Riß, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14/7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2018, W255 2174664-2/18E, betreffend Einstellung der Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: Verwaltungsgericht) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Einstellung der dem Revisionswerber gewährten Notstandshilfe gemäß § 24 Abs. 1 iVm §§ 33 und 38 AlVG mangels einer (die Leistung rechtfertigenden) Notlage. Dem lag zugrunde, dass der Revisionswerber in einer - der belangten Behörde nicht gemeldeten - Lebensgemeinschaft lebte und das Einkommen seiner Lebensgefährtin gemäß § 36 AlVG (in der fallbezogen noch anwendbaren Fassung vor BGBl. I Nr. 157/2017) anzurechnen war. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Der Revisionswerber erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn der genannten Verfassungsbestimmung darin, dass das Verwaltungsgericht - unter unzulässiger antizipierender Beweiswürdigung - die Vernehmung weiterer vom Revisionswerber beantragter Zeugen unterlassen habe. Bei Durchführung der Einvernahmen hätte sich ergeben, dass keine Lebensgemeinschaft, sondern ein bloßes Untermietverhältnis vorgelegen sei.

6        Das Verwaltungsgericht hat freilich seine Beurteilung, dass eine Lebensgemeinschaft vorliege, im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs getroffen.

7        Demnach besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Das gemeinsame Wirtschaften ist jedoch unverzichtbar (vgl. etwa VwGH 16.3.2011, 2007/08/0023).

8        Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, genügt für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft die Mitfinanzierung der Miete für eine zur Gänze gemeinsam bewohnte Wohnung. In der Beteiligung an den Wohnkosten durch denjenigen Partner, der nicht die Notstandshilfe beansprucht, liegt genau jene finanzielle Unterstützung des Notstandshilfebeziehers, die eine Lebensgemeinschaft kennzeichnet und die Anrechnung des Partnereinkommens sachlich rechtfertigt (vgl. VwGH 13.11.2013, 2013/08/0152; 13.11.2013, 2012/08/0012).

9        Vorliegend ist unstrittig, dass die Lebensgefährtin für die gesamten gemeinsamen Wohnungskosten aufgekommen ist und der Revisionswerber zu den Aufwendungen nur anteilig (ungefähr zur Hälfte) beigetragen hat. Es wurde auch nicht vorgebracht, dass die 36 bis 38 m² große Wohnung nicht gemeinsam benützt worden wäre und (insbesondere) der Revisionswerber über einen räumlich abgetrennten Bereich ausschließlich verfügt habe. Schon im Hinblick darauf ist jedoch das Verwaltungsgericht nicht unvertretbar vom Vorliegen einer Lebensgemeinschaft ausgegangen.

10       Ob eine Beweisaufnahme notwendig ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. etwa VwGH 18.11.2019, Ra 2019/08/0050). Von einer derartigen Fehlbeurteilung kann im gegenständlichen Fall keine Rede sein.

11       Das Verwaltungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung den Revisionswerber, seine (mutmaßliche) Lebensgefährtin und vier Zeugen vernommen und sich dabei ein genaues Bild verschafft. Inwiefern die Vernehmung (auch) der weiteren Zeugen zur Klärung der nach dem oben Gesagten (Rn. 8) wesentlichen Tatsachenfragen geboten gewesen wäre, wird vom Revisionswerber nicht konkret ausgeführt. Insoweit ist bereits sein Beweisantrag als ungenügend zu erachten, wird doch nur ein ganz allgemein gehaltenes, einen konkreten Tatsachenbezug vermissen lassendes Beweisthema (Nichtvorliegen einer Lebensgemeinschaft bzw. Vorliegen eines Untermietverhältnisses) genannt.

12       Auch in der Revision wird nicht konkret dargelegt, inwieweit die Vernehmung der weiteren Zeugen zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Beurteilung durch das Verwaltungsgericht hätte führen können.

13       Insgesamt wird daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2018080198.L00

Im RIS seit

02.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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