TE Vwgh Erkenntnis 2022/4/6 Ra 2021/15/0067

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Veröffentlicht am 06.04.2022
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag
61/01 Familienlastenausgleich

Norm

EStG 1988 §33 Abs3a
FamLAG 1967 §4
FamLAG 1967 §4 Abs1
FamLAG 1967 §4 Abs2
FamLAG 1967 §4 Abs6
FamLAG 1967 §5 Abs3
FamLAG 1967 §53 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Braunau Ried Schärding, in 5280 Braunau am Inn, Stadtplatz 60, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 4. Mai 2021, Zl. RV/5100069/2021, betreffend Einkommensteuer 2019 (mitbeteiligte Partei: R W in H), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte hatte - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - im Streitjahr 2019 seinen einzigen Wohnsitz in Österreich und arbeitete in Deutschland. Der Wohnort in Österreich und der Arbeitsort in Deutschland, von dem er täglich an seinen Wohnsitz in Österreich zurückkehrte, befanden sich in der Nähe der gemeinsamen Grenze und waren weniger als 10 km voneinander entfernt. Aus seiner Tätigkeit als Grenzgänger bezog er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ohne Steuerabzug von 84.523,44 €.

2        Der seit 2006 geschiedene Mitbeteiligte hat zwei Söhne. Für den älteren, 1997 geborenen Sohn, der im Streitjahr beim Mitbeteiligten in Österreich lebte, bezog er Familienbeihilfe.

3        Der jüngere, 2002 geborene Sohn lebte bei seiner Mutter in Deutschland, die für ihn in Deutschland ein monatliches Kindergeld von 204 € bezog, während der Mitbeteiligte für ihn einen monatlichen Unterhalt von 500 € bezahlte.

4        In der mit FinanzOnline am 8. Mai 2020 elektronisch eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 machte der Mitbeteiligte u.a. in der Beilage L1k für seine beiden Söhne den Familienbonus Plus geltend.

5        Mit Einkommensteuerbescheid 2019 versagte das Finanzamt die Anerkennung des vom Mitbeteiligten in der Einkommensteuererklärung als Unterhaltszahler für den jüngeren, in Deutschland lebenden Sohn geltend gemachten Unterhaltsabsetzbetrages und des Familienbonus Plus. Nur für den älteren wurde vom Finanzamt (neben dem Alleinerzieherabsetzbetrag von 494 €) der ganze Familienbonus Plus für über 18-jährige mit 500,16 € (41,68 € x 12) berücksichtigt.

6        Der Mitbeteiligte erhob Beschwerde und beantragte die Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages und des Familienbonus Plus für den in Deutschland lebenden jüngeren Sohn.

7        Mit der teilweise stattgebenden Beschwerdevorentscheidung berücksichtigte das Finanzamt den Unterhaltsabsetzbetrag, jedoch nicht den Familienbonus Plus. Begründend führte das Finanzamt aus, der Familienbonus Plus stehe gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt werde. Bisher sei für das Kind, das im EU-Raum lebe, kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt worden, sodass eine Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich nicht erfolgen könne. Erst wenn positiv über einen Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichs- oder Differenzzahlung) abgesprochen worden sei, könne der Familienbonus Plus für ein Kind im EU-Raum berücksichtigt werden. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 regle, welcher Mitgliedstaat vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet sei. Vorrangig müsse grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Seien die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, bestehe dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages. Der Familienwohnsitz (Kindesmutter und Kinder) befinde sich in Deutschland. Der Mitbeteiligte sei in Deutschland beschäftigt. Es werde somit weder von der Kindesmutter noch vom Mitbeteiligten eine Beschäftigung in Österreich ausgeübt. Der Familienbonus plus könne für den in Deutschland lebenden Sohn daher nicht berücksichtigt werden.

8        Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem das BFG eine Revision für nicht zulässig erklärte, gab das BFG der Beschwerde - nach Erhebung eines Vorlageantrags des Mitbeteiligten - vollumfänglich statt und änderte die Einkommensteuerfestsetzung zu seinen Gunsten ab. Begründend führte es aus, der in Österreich ansässige Mitbeteiligte unterliege gemäß Art. 15 Abs. 6 DBA Deutschland mit seinen in Deutschland als Grenzgänger erzielten nichtselbständigen Einkünften der Einkommensteuer in Österreich. Anspruch auf Familienbeihilfe hätten gemäß § 2 Abs. 1 FLAG Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten. Gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG habe eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehöre, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage, Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG anspruchsberechtigt sei. Da der Mitbeteiligte in Österreich wohne und Unterhalt für seinen in Deutschland lebenden, jüngeren Sohn leiste, könne ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehen.

9        Gemäß § 4 Abs. 1 FLAG hätten Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe hätten, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Gemäß § 4 Abs. 2 FLAG erhielten österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 oder gemäß § 5 Abs. 5 FLAG vom Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen seien, eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs. 5) Anspruch hätten, geringer sei als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

10       Gemäß § 53 Abs. 1 FLAG seien Staatsbürger von Vertragstaaten des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergebe, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei sei der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

11       § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG stelle hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruchs primär auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG) darauf ab, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage. Einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des zweiten Satzes des § 2 Abs. 2 FLAG stehe der ausschließliche Anspruch einer Person, bei der das Kind im strittigen Zeitraum haushaltszugehörig gewesen sei, entgegen. Der Verwaltungsgerichtshof habe dazu jedoch in seinem Erkenntnis vom 12. November 2019, Ra 2019/16/0133, betreffend Differenzzahlungen nach dem FLAG ausgesprochen, dass der Anwendungsvorrang des Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung (EU) Nr. 987/2009 § 2 Abs. 2 letzter Halbsatz FLAG verdränge. Nehme eine Person, die berechtigt sei, Anspruch auf Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, sei nach Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 auch ein Antrag der dort genannten anderen Personen zu berücksichtigen. Es sei daher ohne Bedeutung, welcher Elternteil den entsprechenden Antrag stelle.

12       Für den Familienbonus Plus seien nach Ansicht des BFG jedoch nicht der Antrag oder eine tatsächliche Gewährung der Familienleistungen, sondern deren Anspruchsvoraussetzung wesentlich. Dies gelte auch dann, wenn allfällige Familienleistungen im Ausland höher und die Differenzzahlung betragsmäßig Null wären. Dass auch tatsächlich ein Antrag gemäß § 4 Abs. 4 FLAG 1967 auf die Ausgleichszahlung nach Ablauf des entsprechenden Kalenderjahres eingebracht werden müsse, sei demnach gar nicht erforderlich. Es genüge die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach. In § 33 Abs. 3a EStG 1988 werde nämlich auf die Gewährung von Familienbeihilfe nach dem FLAG hingewiesen. Da in § 4 Abs. 1 FLAG jedoch eindeutig nur auf den Anspruch auf Familienbeihilfe abgestellt werde, sei dies bei der Auslegung der Bestimmungen des EStG 1988, die an das FLAG anknüpften, zu berücksichtigen. § 33 Abs. 3a EStG 1988 sei deshalb teleologisch von der Gewährung auf den Anspruch von Familienbeihilfe zu reduzieren.

13       Art. 67 VO 883/2004 iVm Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009 habe zur Folge, dass die Wohnsituation der betroffenen Personen „ins Inland übertragen“ werde. Es sei also zu unterstellen, dass alle Familienangehörigen im zuständigen Mitgliedstaat wohnten. Aber ob etwa ein gemeinsamer Haushalt bestehe, sei sachverhaltsbezogen festzustellen. Es sei im gegenständlichen Fall nach österreichischem Recht zu prüfen, ob der Mitbeteiligte einen Familienbeihilfenanspruch habe, wobei im Hinblick auf § 53 Abs. 1 FLAG fingiert werde, dass alle Familienangehörigen, nämlich der jüngere Sohn und dessen Mutter, in Österreich wohnten.

14       Dem in der Beschwerdevorentscheidung erhobenen Einwand des Finanzamtes, im Revisionsfall Fall werde weder vom Mitbeteiligten noch von der Kindesmutter des jüngeren Sohnes in Österreich eine Beschäftigung ausgeübt, sei Folgendes entgegen zu halten: Seitens des Mitbeteiligten sei (dazu) schon im Vorlageantrag sinngemäß der Vorwurf der gleichheitswidrigen Vorenthaltung des Familienbonus Plus durch das Finanzamt erhoben worden. Der in Österreich wohnende Mitbeteiligte sei zwar in Deutschland beschäftigt. Als Grenzgänger unterliege er mit den aus dieser Tätigkeit resultierenden nichtselbständigen Einkünften jedoch dem alleinigen Besteuerungsrecht Österreichs. Seine Beschäftigung als Grenzgänger sei deshalb in verfassungskonformer Interpretation einer in Österreich ausgeübten Beschäftigung gleichzuhalten. Es wäre unsachlich, dem in Österreich wohnenden und Einkommensteuer zahlenden Mitbeteiligten die diese Personensteuer mindernde Berücksichtigung des Familienbonus Plus für seinen jüngeren Sohn, für den er Unterhalt zahle, bei Nichtbeanspruchung durch die Kindesmutter vorzuenthalten. Der Familienbonus Plus stehe dem Mitbeteiligten daher auch für seinen im Streitjahr 17-jährigen, in Deutschland lebenden Sohn zu.

15       Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision des Finanzamts. Zu deren Zulässigkeit bringt das Finanzamt vor, entgegen dem Ausspruch des BFG fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der Frage, ob der Familienbonus Plus auch ohne Antrag auf Familienbeihilfe iSd FLAG gewährt werden könne. Der Gesetzeswortlaut des § 33 Abs. 3a EStG 1988 verlange ausdrücklich, dass für den Anspruch auf den Familienbonus Plus für das Kind die Familienbeihilfe nach dem FLAG gewährt werde. Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG werde Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt. Eine Ausgleichszahlung sei nach § 4 Abs. 4 FLAG ebenso nur auf Antrag zu gewähren. Um über eine Gewährung der genannten Familienleistungen entscheiden zu können, setze der Gesetzeswortlaut demnach zwingend eine Antragstellung voraus. Eine bloße Beantragung des Familienbonus Plus ersetze nicht die Beantragung der Familienbeihilfe bzw. die Durchführung eines derartigen antragsabhängigen Beihilfenverfahrens. Dass bei allfällig höheren Familienleistungen im Ausland die Differenzzahlung betragsmäßig Null wäre und man in diesem Zusammenhang von einem Anspruch dem Grunde nach und somit einer Gewährung ausgehen könne, werde nicht bestritten. Allerdings könne gerade diese Feststellung nur nach entsprechender Antragstellung im Rahmen eines Beihilfenverfahrens geprüft werden. Ferner könne die im vorliegenden Fall bestehende grundsätzliche Frage eines Anspruchs auf österreichische Familienbeihilfe für das bei der Kindesmutter in Deutschland haushaltszugehörige Kind, wenn keiner der beiden Elternteile im Inland beschäftigt sei, ebenso nur im Rahmen eines ordentlichen und antragsabhängigen Beihilfenverfahrens geklärt werden. Im Übrigen sei die Entscheidungspraxis des Bundesfinanzgerichtes uneinheitlich.

16       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17       Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

18       Das Bundesfinanzgericht hat dem Mitbeteiligten - wie bereits vorher ohne nähere Begründung das Finanzamt - den Unterhaltsabsetzbetrag zuerkannt.

19       Gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 steht „für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, ... auf Antrag ein Familienbonus Plus“ zu.

20       Die folgenden Ziffern dieses Absatzes regeln die Einzelheiten dieses Anspruchs. Dabei regelt § 33 Abs. 3a Z 3 EStG 1988 die Aufteilung des Familienbonus Plus unter den anspruchsberechtigten Personen.

21       § 33 Abs. 3a Z 3 lit. b EStG 1988 in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 103/2019 regelt die Aufteilung des Familienbonus Plus zwischen „Familienbeihilfenberechtigen“ und einem „Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht“, wie folgt:

„Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

-    Beim Familienbeihilfenberechtigen oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

-    beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflicheten kein Familienbonus Plus zu.“

22       Die Aufteilung des Familienbonus Plus ist gemäß § 33 Abs. 3a Z 3 lit. c EStG 1988 bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.

23       Im Falle eines Anspruchs auf eine der Familienbeihilfe vergleichbare ausländische Beihilfe besteht gemäß § 4 FLAG kein Anspruch auf Familienbeihilfe (Abs. 1) oder nur ein verminderter Anspruch im Ausmaß einer Ausgleichszahlung (Unterschiedsbetrag zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der höheren Familienbeihilfe, vgl. Abs. 2 bis 7). In solchen - in § 33 Abs. 3a EStG 1988 nicht ausdrücklich geregelten - Fällen, in denen also (teilweise) an Stelle der Familienbeihilfe eine gleichartige ausländische Beihilfe iSd § 4 FLAG gewährt wird, ist in gleicher Weise die in § 33 Abs. 3a erster Satz EStG 1988 normierte Voraussetzung der „Beihilfengewährung“ erfüllt (vgl. Mayr/Gensluckner in Doralt et al, EStG22, § 33 Tz 34/2). Gemäß § 4 Abs. 6 FLAG gilt die Ausgleichszahlung als Familienbeihilfe. Aus der Sicht des Familienbonus plus kann es keinen Unterschied machen, ob sich noch eine (geringfügige) Ausgleichzahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG ergibt oder ob die Ausgleichzahlung wegen der Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe bloß Null beträgt.

24       Das Finanzamt bringt vor, der Gewährung des Familienbonus Plus stehe entgegen, dass der Mitbeteiligte keinen „Antrag“ auf Familienbeihilfe bzw. auf eine Ausgleichzahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG gestellt habe; auch wenn bei höheren Familienleistungen im Ausland die Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG „betragsmäßig Null“ sei, müsste eine entsprechende Antragstellung (auf Ausgleichszahlung von null Euro) nach dem FLAG erfolgen, sodass der Anspruch dem Grunde nach im Beihilfenverfahren geprüft werden könne.

25       Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs können, wenn die in Rede stehende Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG „betragsmäßig Null“ ist, Antragstellende auf Familienbonus Plus jedenfalls (subsidiär) auch in ihrem Einkommensteuerverfahren nachweisen, dass alle inhaltlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt sind. Gemäß § 13 zweiter Satz FLAG ist im Familienbeihilfenverfahren ein Bescheid dann zu erlassen, wenn dem Beihilfenantrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist.

26       Dass im Revisionsfall - entgegen der Annahme des BFG - für den 2002 geborenen Sohn in Österreich dem Grunde nach gar kein Familienbeihilfenanspruch bestünde, wurde vom Finanzamt nicht konkret behauptet. Der Umstand, dass sich das Kind ständig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, steht - unbeschadet des § 5 Abs. 3 FLAG - dem Beihilfenanspruch nicht entgegen (vgl. § 53 Abs. 1 zweiter Satz FLAG).

27       Ebenso wurde weder vom Finanzamt vorgebracht noch vom BFG festgestellt, dass auch von der Kindsmutter ein Antrag auf Familienbonus Plus gestellt worden wäre, womit in einer Gesamtbetrachtung das Höchstausmaß des möglichen Familienbonus Plus überschritten worden und eine Kürzung gemäß § 33 Abs. 3a Z 3 lit. c EStG 1988 vorzunehmen gewesen wäre.

28       Es kann dem BFG vor diesem Hintergrund daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn es dem Mitbeteiligten im Revisionsfall nach Prüfung der grundsätzlichen Familienbeihilfenberechtigung für den 2002 geborenen Sohn den Familienbonus Plus in voller Höhe zuerkannt hat.

29       Da somit der Inhalt der Revision bereits erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 6. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150067.L00

Im RIS seit

29.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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