TE Vwgh Erkenntnis 2022/3/31 Ra 2021/03/0129

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Veröffentlicht am 31.03.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
10/10 Grundrechte
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1
EpidemieG 1950 §20
EpidemieG 1950 §26
EpidemieG 1950 §26 Abs1
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z5
StGG Art2
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed, Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der R KG in P, vertreten durch die Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 19. Mai 2021, Zl. 405-8/115/1/7-2021, betreffend Vergütung des Verdienstentganges nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von Euro 1.346,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - insoweit in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides der belangten Behörde - den Antrag der Revisionswerberin auf Vergütung des Verdienstentgangs gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für den Zeitraum von 16. März 2020 bis 28. März 2020 wegen Einstellung des Seilbahnbetriebs des Skigebietes F ab; die Revision wurde für unzulässig erklärt.

2        Dem legte das Verwaltungsgericht (auf das Wesentliche zusammengefasst) zu Grunde, dass die Revisionswerberin im örtlichen Zuständigkeitsbereich der belangten Behörde das Skigebiet F mit zwei Sesselliften, fünf Schleppliften samt den dazugehörigen Skiabfahrten betreibe. Die belangte Behörde habe mit Verordnung vom 13. März 2020 - in Kraft getreten am 16. März 2020, aufgehoben mit 28. März 2020 - den Betrieb von Seilbahnen gemäß § 26 EpiG eingestellt. Diese - allein auf § 26 EpiG gestützte - Verordnung biete aber keine Grundlage für einen Ersatzanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG, weil davon nur die Beschränkung bzw. Sperre des Betriebs von Unternehmen nach § 20 EpiG erfasst würde; solches liege aber nicht vor.

3        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, deren Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen geltend macht, es fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur hier maßgeblichen Frage, ob § 26 EpiG für sich genommen eine Rechtsgrundlage für die Schließung von Seilbahnunternehmen darstelle oder doch nur zur Erlassung einer sonst im EpiG vorgesehenen Maßnahme ermächtige, sodass die vorgenommene Maßnahme als Sperre iSd § 20 EpiG zu werten sei.

4        Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

5        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6        Die Revision ist aus dem dargelegten Grund zulässig; sie ist auch begründet.

7        Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 5. Oktober 2021, E 848/2021-17, der Beschwerde nach Art. 144 B-VG eines Seilbahnunternehmens gegen ein einen Vergütungsantrag nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG für die Schließung des Seilbahnbetriebs durch eine Verordnung nach § 26 EpiG abweisendes Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts Folge gegeben. Die beschwerdeführende Gesellschaft sei durch dieses Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

8        Maßgebend für diese Entscheidung war - hier auf das für den nunmehrigen Revisionsfall Wesentliche zusammengefasst - Folgendes:

Die Regelung des § 26 Abs. 1 EpiG, wonach für den Betrieb öffentlicher Verkehrsanstalten und für den Verkehr auf denselben durch Verordnung bestimmt werde, in welcher Weise und durch welche Organe die in diesem Gesetz bezeichneten Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten in Anwendung zu bringen sind, trage der (auch historischen) Sonderstellung öffentlicher Verkehrsanstalten Rechnung, indem sie diese einerseits von „gewerblichen Unternehmen“ iSd § 20 EpiG abhebe. Andererseits determiniere § 26 EpiG die auf seiner Grundlage zu ergreifenden Maßnahmen nicht selbst, sondern verweise auf die an anderer Stelle des EpiG bereitgestellten Befugnisse. Damit würden in Verbindung mit § 20 EpiG jedenfalls auch die Bezirksverwaltungsbehörden (Hinweis auf § 43 Abs. 4 EpiG) insbesondere zu Betriebsbeschränkungen und -schließungen ermächtigt.

Betriebsschließungen für öffentliche Verkehrsanstalten nach dem EpiG seien damit, möge sich die Behörde auch förmlich nur auf § 26 EpiG berufen, Eingriffe iSd § 20 iVm § 26 EpiG und sohin einer Vergütung nach § 32 Abs. 1 (Z 4 und 5) EpiG zugänglich. Die gegenteilige Auffassung, wonach bei Vergütungsansprüchen nach § 32 EpiG zwischen Betriebsschließungen nach § 20 und solchen nach § 26 EpiG zu unterscheiden wäre, unterstelle dem Gesetz zudem einen verfassungswidrigen, weil gleichheitswidrigen Inhalt.

Die Bezirkshauptmannschaft, die mit § 1 Abs. 1 ihrer auf § 26 EpiG gestützten Verordnung die Einstellung des Betriebs von Seilbahnen verfügt hatte, habe damit eine Betriebsschließung iSd § 20 iVm § 26 EpiG angeordnet, ohne dass dem die am 16. März 2020 in Kraft getretene COVID-19-Maßnahmenverordnung BGBl II Nr. 96/2020 entgegengestanden wäre, die den „öffentlichen Verkehr“ von ihrem Betretungsverbot ausgenommen hatte.

Indem das Verwaltungsgericht den Vergütungsanspruch der beschwerdeführenden Gesellschaft nach § 32 EpiG schon dem Grunde nach mit der Begründung verneint hatte, dass auf § 26 EpiG gestützte Betriebsschließungen schlechthin nicht vergütungsfähig seien, habe es dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt und die beschwerdeführende Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

9        Ausgehend von dieser Beurteilung, der sich der Verwaltungsgerichtshof anschließt, ist im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung die vorliegend auf § 26 EpiG gestützte Einstellung des Betriebs der Seilbahnen einer Betriebsschließung nach § 20 EpiG gleichzustellen und somit grundsätzlich vergütungsfähig iSd § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG. Indem das Verwaltungsgericht, ausgehend von einer gegenteiligen Rechtsansicht, dies verneint hat, hat es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

10       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

11       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 31. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021030129.L00

Im RIS seit

25.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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