TE Vwgh Beschluss 2022/4/1 Ra 2021/03/0325

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Veröffentlicht am 01.04.2022
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Index

L65007 Jagd Wild Tirol
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
80/02 Forstrecht

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z10
B-VG Art15 Abs1
ForstG 1975 §33
ForstG 1975 §34
JagdG Tir 2004 §42 Abs2
JagdG Tir 2004 §52a
JagdG Tir 2004 §52b
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des W K in S, vertreten durch Dr. Walter Lenfeld und Dr. Wilfried Leys, Rechtsanwälte in 6500 Landeck, Malserstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 9. November 2021, Zl. LVwG-2021/41/1252-10, betreffend eine Angelegenheit nach dem Tiroler Jagdgesetz 2004 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 9. März 2021 wurden dem Revisionswerber acht Verwaltungsübertretungen gemäß § 42 Abs. 2 iVm § 70 Abs. 2 Z 19 Tiroler Jagdgesetz 2004 (TJG 2004) angelastet, weil er zu näher genannten Zeitpunkten im Zeitraum von 2. bis 13. Dezember 2020 im Gemeindegebiet K im Genossenschaftsjagdgebiet S durch das Aufsuchen der Rotwildfütterung V den Tatvorwurf der vorsätzlichen Beunruhigung von Wild erfüllt habe. Über ihn wurden deshalb acht Geldstrafen (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2        Der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gab das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis dahingehend statt, dass es das Straferkenntnis hinsichtlich der Übertretungen vom 6. und 8. Dezember 2020 behob und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einstellte sowie die (nunmehr) sechs verhängten Geldstrafen (samt Ersatzfreiheitsstrafen) herabsetzte. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab; die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

3        Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes zu Grunde:

Im Gemeindegebiet von K befinde sich auf dem Gebiet der Genossenschaftsjagd S die Rotwildfütterung V. Diese Fütterung liege inmitten einer Lichtung von ca. einem dreiviertel Hektar, umgeben von Lärchenaltbestand, und habe eine Größe von ca. 50 mal 50 Meter. Ca. 40 Meter unterhalb der Fütterung führe ein alter Viehtriebsteig vorbei, der nicht mehr genutzt werde. Die V-Alm sei durch eine andere Forststraße erschlossen. Ca. 400 Meter unterhalb der Fütterung liege das Wohnhaus des Revisionswerbers.

4        Der Revisionswerber habe sich am 2. Dezember 2020 um ca. 14:00 Uhr im Bereich V aufgehalten und sei von seinem Wohnhaus in Richtung O gegangen. Er habe Äste einer gefällten Lärche bis zu einem näher genannten Zufahrtsweg, welcher sich unterhalb der gegenständlichen Rotwildfütterung befinde, abtransportiert und dadurch das Rotwild vorsätzlich beunruhigt.

Dieselbe Tätigkeit habe der Revisionswerber am 7. Dezember 2020 um 12:40 Uhr wiederholt.

Am 10. Dezember 2020 sei der Revisionswerber zwischen 09:45 Uhr und 13:53 Uhr wiederum im Bereich O unterwegs gewesen, um dort einige Lärchenäste zusammenzubinden und diese zum - unterhalb der Rotwildfütterung S-V - liegenden Forstweg zu ziehen.

Dieselbe Tätigkeit sei durch den Revisionswerber am 11. Dezember 2020 zwischen 16:15 Uhr und 16:36 Uhr erfolgt. Dabei habe der Revisionswerber auch einen der Futtertröge der Rotwildfütterung inspiziert.

Am 12. Dezember 2020 um 07:10 Uhr sei der Revisionswerber wieder im Bereich der Rotwildfütterung S-V unterwegs gewesen, um Lärchenäste aus dem Bereich O zu holen, dadurch sei das Rotwild bei der Rotwildfütterung vorsätzlich beunruhigt worden.

Am 13. Dezember 2020 habe sich der Revisionswerber um 12:50 Uhr von seinem Wohnhaus aus in Richtung O begeben und sei etwa 50 Meter unterhalb der Rotwildfütterung S-V auf den Jäger T T getroffen, anschließend habe er sich der Rotwildfütterung auf ca. 30 Meter genähert.

5        Zu allen genannten Zeitpunkten habe der Revisionswerber den Wald im Nahbereich der Fütterungsstelle außerhalb markierter Wege und Straßen durchstreift.

Der Revisionswerber habe durch die regelmäßigen Ermahnungen des Jagdschutzorganes K gewusst, dass das Wild durch seine Anwesenheit im Nahbereich der gegenständlichen Rotwildfütterung beunruhigt werde.

6        Ob der Revisionswerber hingegen auch am 6. Dezember 2020 und am 8. Dezember 2020 die Fütterung aufgesucht habe, könne nicht eindeutig festgestellt werden. Das Verwaltungsstrafverfahren sei in diesen zwei Spruchpunkten daher einzustellen gewesen.

7        Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, der Revisionswerber habe das Aufsuchen der Fütterung (bis auf die Vorwürfe betreffend den 6. und 8. Dezember 2020) gar nicht bestritten. Er habe zwar bestritten, durch sein Verhalten das Rotwild an der Fütterungsstelle beunruhigt zu haben, der jagdfachliche Amtssachverständige habe jedoch schlüssig dargelegt, dass die späten Nachmittags- sowie die Nacht- und frühen Morgenstunden für das Rotwild die bevorzugten Zeiten darstellen, um die Fütterungseinrichtung aufzusuchen bzw. das Futter aufzunehmen. Deshalb habe zumindest eine Störung des Wildes stattgefunden, weil sich das Rotwild in aller Regel bereits vor dem direkten Anwechseln in unmittelbarer Nähe befinde.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, nach § 42 Abs. 2 TJG 2004 sei u.a. jede vorsätzliche Beunruhigung von Wild durch Personen, die zur Jagdausübung nicht berechtigt seien, verboten. Der Revisionswerber habe diesen Tatbestand schon deshalb erfüllt, weil er sich zu den näher beschriebenen Zeitpunkten abseits markierter Wege im Nahebereich der Fütterung aufgehalten habe, auch wenn er dabei kein jagdliches Sperrgebiet betreten habe. Da er sich immer wieder zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten an der Fütterung aufgehalten habe, könne sich das Wild auch nicht an ihn gewöhnt haben. Selbst wenn das Wild nicht schon direkt an der Fütterungseinrichtung gestanden sei, habe zumindest eine Störung stattgefunden, weil es sich in aller Regel bereits vor dem direkten Anwechseln in unmittelbarer Nähe befinde.

Das wiederholte Abmahnen durch den Jagdaufseher hätte den Revisionswerber veranlassen müssen, sich nicht im Bereich der Rotwildfütterung aufzuhalten und das Wild dadurch zu beunruhigen. Der Revisionswerber habe jedoch sein Verhalten nicht geändert und sich immer wieder im Bereich der Rotwildfütterung aufgehalten.

Aus diesen Gründen sei bloße Fahrlässigkeit auszuschließen. Der Revisionswerber habe vielmehr den Eintritt des verpönten Erfolges ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, weshalb bedingter Vorsatz (dolus eventualis) vorgelegen habe.

8        Zum Einwand des Revisionswerbers, es liege ein fortgesetztes Delikt vor, führte das Verwaltungsgericht Folgendes aus: Ein solches sei dann anzunehmen, wenn eine Reihe von rechtswidrigen Einzelhandlungen aufgrund der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Als objektive Voraussetzungen für das Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes müssten sowohl gleichartige Einzelhandlungen als auch ein Angriff auf dasselbe Rechtsgut gegeben sein, und die einzelnen Handlungen dürften nicht durch einen zu großen Zeitraum unterbrochen werden. Darüber hinaus müssten die Einzelakte im Sinne der subjektiven Komponente von einem einheitlichen Willensentschluss getragen sein (Hinweis auf VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108). Dieser einheitliche Willensentschluss liege gegenständlich nicht vor, habe doch der Revisionswerber in Anbetracht der Rechtswidrigkeit seiner Vorgangsweise „tagtäglich einen neuen Beschluss für die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen gesetzt.“

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung macht (zusammengefasst) Folgendes geltend:

14       Das Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab (Verweis auf VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0023), weil „nach dem festgestellten Sachverhalt zweifelsohne ein Dauerdelikt [vorliege], weshalb der Revisionswerber eben nur einmal zu bestrafen“ sei. Das Verwaltungsgericht habe „zu Unrecht das Nichtvorliegen eines fortgesetzten Deliktes“ angenommen. Der Verwaltungsgerichtshof judiziere in ständiger Rechtsprechung, dass bei Vorliegen eines Dauerdelikts oder eines fortgesetzten Delikts durch die Bestrafung alle bis zur Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses gesetzten Einzelhandlungen abgedeckt seien. Durch die „kumulierende“ Bestrafung weiche das Verwaltungsgericht davon ab.

Weiters sei wegen des mit § 33 ForstG verbundenen subjektiven Rechts auf Betreten des Waldes nicht jede Beunruhigung des Wildes strafbar. Die Bestimmung des § 42 Abs. 2 TJG 2004 könne im vorliegenden Fall nicht greifen, weil sich der Revisionswerber nicht in der Nähe der Fütterungsstelle aufgehalten habe und kein jagdliches Sperrgebiet ausgeschildert und ausgewiesen gewesen sei.

15       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

16       Ausgehend von den iSd § 41 VwGG maßgeblichen, schlüssig begründeten Feststellungen des Verwaltungsgerichts, denen die Revision insoweit nicht konkret entgegentritt, hat sich der Revisionswerber zu den inkriminierten Zeiten jeweils „im Nahebereich der Fütterungsstelle“ aufgehalten. Indem die Revision begründungslos vom Gegenteil ausgeht, kann die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan werden.

17       Wenn § 42 Abs. 2 TJG 2004 u.a. „jede vorsätzliche Beunruhigung von Wild“ (abgesehen von im Revisionsfall nicht zum Tragen kommenden Ausnahmen nach § 52a oder § 52b TJG 2004) verbietet, macht schon der Gesetzeswortlaut klar, dass das Betreten eines jagdlichen Sperrgebiets für die Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich ist. Diese Bestimmung verbietet nicht etwa - schon - das bloße Betreten des Waldes, vielmehr das (vorsätzliche) Beunruhigen von Wild.

18       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es dem Landesgesetzgeber freisteht - anknüpfend an die von ihm zu regelnden Sachgebiete (z.B. das Jagdwesen) - Ausnahmen von der freien Betretbarkeit des Waldes (abgesehen von den in § 34 ForstG vorgesehenen Benützungssperren) zu normieren (vgl. VwGH 3.6.1996, 95/10/0274 bis 0275, mit Hinweis auf VfSlg. 10.292/1984). Verwaltungsrechtliche Sperren anderer Art werden durch das ForstG also nicht ausgeschlossen.

19       Das landesrechtliche Verbot der vorsätzlichen Beunruhigung von Wild im TJG 2004 schränkt überdies die Benutzung des Waldes zu Erholungszwecken iSd § 33 ForstG nicht ein (vgl. in diesem Sinn VwGH 19.12.2013, 2013/03/0061). Aus diesem Grund kann der Revisionswerber nicht in dem von ihm geltend gemachten „subjektiven Recht auf Betreten des Waldes zu Erholungszwecken gemäß der Bestimmung des § 33 Abs. 1 ForstG“ verletzt sein.

20       Die Revision zeigt aber auch nicht auf, dass das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis von den Leitlinien der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Kriterien eines Dauerdelikts (vgl. dazu etwa VwGH 21.5.2019, Ra 2018/03/0117, VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108) abgewichen wäre: Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision macht nicht einmal geltend, dass entgegen der Beurteilung des Verwaltungsgerichts doch von einem - für die Annahme eines fortgesetzten Delikts jedenfalls erforderlichen - einheitlichen Willensentschluss auszugehen gewesen wäre. Abgesehen davon wurde auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in dem der Revisionswerber erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2021 das Vorliegen eines fortgesetzten Delikts geltend gemacht hat, dazu nichts vorgebracht.

21       Der behauptete Widerspruch schließlich zu VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0023, liegt schon deshalb nicht vor, weil in dieser Entscheidung nicht Abgrenzungskriterien zwischen „Einzeldelikt“ und fortgesetztem Delikt dargestellt werden, sondern die Abgeltungswirkung einer Bestrafung bei Vorliegen eines Dauerdelikts bzw. eines fortgesetzten Delikts aufgezeigt wird.

22       In der Revision werden nach dem Gesagten keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 1. April 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021030325.L00

Im RIS seit

25.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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