TE Vwgh Beschluss 2022/3/18 Ra 2020/22/0070

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Veröffentlicht am 18.03.2022
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13 Abs1
AVG §13 Abs7
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des Landeshauptmanns von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 14. Februar 2020, VGW-151/063/542/2020-8, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: A T, vertreten durch Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Begründung

1.1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, hält sich seit dem Jahr 2015 auf Grund einer - wiederholt (zuletzt mit Gültigkeit bis zum 22. April 2018) verlängerten - Aufenthaltsbewilligung für Studierende im Bundesgebiet auf.

1.2. Am 24. August 2017 stellte der Mitbeteiligte einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zwecks Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau.

Nach der Scheidung von seiner Ehefrau änderte der Mitbeteiligte den Zweckänderungsantrag am 20. April 2018 dahingehend ab, dass er die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte“ gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 NAG begehrte. Das mit der Sache befasste Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) wies mit Bescheid vom 7. Juni 2018 den Antrag auf Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß §§ 20d Abs. 1, § 12a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ab. Der Mitbeteiligte erhob dagegen Beschwerde, zog diese aber in der Folge zurück, woraufhin das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 6. Juni 2019 einstellte.

Am 12. Juli 2019 stellte der Mitbeteiligte neuerlich einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte“ gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 NAG (in Bezug auf einen anderen Arbeitgeber). Das AMS wies mit Bescheid vom 30. September 2019 den Antrag auf Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß §§ 20d Abs. 1, 12a AuslBG ab. Der Mitbeteiligte erhob dagegen Beschwerde.

2.1. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2019 wies der Landeshauptmann von Wien (im Folgenden: Behörde) den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für Studierende vom 24. August 2017 ab. Die durchgeführten Erhebungen hätten - so die Begründung - ergeben, dass die Zulassung des Mitbeteiligten zum betriebenen Bachelorstudium mit 30. April 2019 wegen unterlassener Fortsetzungsmeldung geendet habe und daher die diesbezügliche besondere Erteilungsvoraussetzung nicht erfüllt sei.

2.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid vom 30. Oktober 2019 Folge und behob die Entscheidung ersatzlos. Der Mitbeteiligte habe - so die wesentliche Begründung - einen (neuerlichen) Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte“ gestellt, wobei dieses Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Nach der Rechtsprechung sei ein vor Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Aufenthaltstitels gestellter Zweckänderungsantrag gemäß § 24 Abs. 4 NAG als mit einem Verlängerungsantrag verbunden zu werten, wobei die Anträge im Verhältnis von Haupt- und Eventualantrag stünden. Vorliegend sei der Zweckänderungsantrag (Hauptantrag) noch nicht erledigt, sodass die Behörde nicht berechtigt (gewesen) sei, über den damit verbundenen Verlängerungsantrag (Eventualantrag) zu entscheiden.

Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3.1. Gegen dieses Erkenntnis erhob die Behörde die hier gegenständliche außerordentliche Revision.

3.2. Noch vor der Entscheidung über die Revision durch den Verwaltungsgerichtshof zog der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 24. September 2021 den Verlängerungsantrag (vom 24. August 2017) zurück.

Die Behörde legte die Antragszurückziehung dem Verwaltungsgerichtshof vor und wies (unter anderem) darauf hin, dass aufgrund der ersatzlosen Behebung des behördlichen Bescheids vom 30. Oktober 2019 durch das Verwaltungsgericht das Verfahren (über den Verlängerungsantrag) wieder bei der Behörde anhängig sei.

4.1. Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Darunter sind gemäß § 13 Abs. 1 AVG alle Arten von Verfahrenshandlungen zu verstehen, mit denen Beteiligte an eine Behörde herantreten können (vgl. VwGH 6.7.2016, Ra 2016/08/0041, Rn. 20).

Die Zurückziehung ist so lange zulässig, als der Antrag noch unerledigt ist. Dies bedeutet für Fälle, in denen der Antrag auf Einleitung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gerichtet ist, dass eine Antragszurückziehung bis zur Bescheiderlassung, im Fall einer Beschwerde bis zur Beschwerdeerledigung, möglich ist (vgl. VwGH neuerlich Ra 2016/08/0041, Rn. 21; 16.8.2017, Ro 2017/22/0005, Pkt. 3.1.). Der Antragsteller hat somit das Recht, über seinen Antrag zu disponieren, auf seine Motive für die Antragszurückziehung kommt es nicht an; die ausdrückliche Zurückziehung eines Antrags wird - als prozessuale Willenserklärung - mit dem Einlangen bei der zuständigen Behörde endgültig wirksam (vgl. VwGH 25.6.2021, Ro 2019/05/0018, 0019, Rn. 22).

4.2. Vorliegend wurde der mit einem Zweckänderungsantrag verbundene verfahrenseinleitende Verlängerungsantrag vom 24. August 2017 - nach weiteren Zweckänderungsanträgen (vom 20. April 2018 und 12. Juli 2019) - mit behördlichem Bescheid vom 30. Oktober 2019 abgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts dahingehend Folge gegeben, dass der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben wurde.

Im Hinblick darauf wurde jedoch der gegenständliche Verlängerungsantrag vom 24. August 2017 bisher nicht durch einen behördlichen Bescheid oder eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung abschließend erledigt, wie auch die Behörde in ihrem Vorlagebericht hervorhob. Das Verfahren über diesen Antrag ist weiterhin anhängig, sodass der unerledigte Antrag gemäß § 13 Abs. 7 AVG zurückgezogen werden kann (vgl. zu einer ähnlich gelagerten Konstellation erneut VwGH Ro 2017/22/0005, Pkt. 3.1., 3.2.).

5.1. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist eine Revision mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde. Dabei liegt ein Einstellungsfall nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls bei einer formellen Klaglosstellung, aber auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung hat. Diese Rechtsprechung hat auch für eine Amtsrevision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gemäß Art. 133 Abs. 6 Z. 2 B-VG gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts Gültigkeit (vgl. neuerlich VwGH Ro 2017/22/0005, Pkt. 4.1.; 31.3.2020, Ra 2020/14/0035, Rn. 5).

5.2. Vorliegend ist das rechtliche Interesse des Revisionswerbers an einer meritorischen Erledigung zufolge der Zurückziehung des Verlängerungsantrags vom 24. August 2017 durch den Mitbeteiligten (nachträglich) weggefallen. Die Amtsrevision war deshalb als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren hierüber gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Wien, am 18. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020220070.L00

Im RIS seit

22.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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