TE Lvwg Erkenntnis 2022/2/11 LVwG-S-232/001-2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.02.2022
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Entscheidungsdatum

11.02.2022

Norm

WRG 1959 §31
WRG 1959 §137 Abs2 Z4
VStG 1991 §44a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Franz Kramer über die Beschwerde des A, vertreten durch B, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 15. Dezember 2021, ***, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt 3. (Bestrafung wegen Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959) richtet, zu Recht erkannt:

I.  Das angefochtene Straferkenntnis wird hinsichtlich des Spruch-punktes 3. einschließlich der Verpflichtung zur Bezahlung eines Kostenbeitrages im Ausmaß von € 140,- aufgehoben und das Strafverfahren bezüglich des darin enthaltenen Tatvorwurfs (Übertretung des WRG 1959) eingestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 31, 137 Abs. 2 Z 4 WRG 1959 (Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 i.d.g.F.)

§§ 25 Abs. 2, 44a, 45 Abs. 1 Z 1 VStG (Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 i.d.g.F.)

§§ 27, 44 Abs. 1 und 2, 50 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 i.d.g.F.)

§ 25a Abs. 1 VwGG (Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 i.d.g.F.)

Art. 133 Abs. 4 B-VG (Bundesverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 i.d.g.F.)

Hinweis:

Die Entscheidung über die Beschwerde, soweit sie sich auf die Spruchpunkte 1., 2. und 4. des Straferkenntnisses vom 15. Dezember 2021 richtet, ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

Entscheidungsgründe

1.   Sachverhalt

1.1. Dem Strafakt der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (in der Folge: die belangte Behörde), wie er dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorgelegt wurde, ist folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt zu entnehmen:

1.1.1. Auf Grund einer behördeninternen Anzeige leitete die belangte Behörde unter anderem gegen A (in der Folge: der Beschwerdeführer) als handelsrechtlichen Geschäftsführer der C GmbH ein Strafverfahren wegen Übertretungen des AWG 2000, des WRG 1959 und der GewO 1994 ein.

1.1.2. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. November 2021 (eine andere Verfolgungshandlung ist dem Akt bis zur Erlassung des Straferkenntnisses nicht zu entnehmen) wurde dem Beschwerdeführer folgendes vorgeworfen:

„Es wird Ihnen zur Last gelegt, folgende Verwaltungsübertretungen begangen zu haben:

Zeit:   zumindest am 16.09.2021

Ort:    siehe Tatbeschreibung

Tatbeschreibung:

1. Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer, demnach ein nach außen vertretungsbefugtes Organ der C GmbH (FN ***) mit Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass durch diese am Gst. Nr. ***, KG ***, zur obgenannten Zeit gefährliche Abfälle, nämlich Öl- und Altöl in Behältern bzw. Fässern, alte Welleternitplatten, Elektroschrott und alte Telefonmasten, gelagert wurden, obwohl dieser Ort keine genehmigte Anlage oder ein für die Sammlung oder Behandlung vorgesehener geeigneter Ort ist.

2. Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer, demnach ein nach außen vertretungsbefugtes Organ der C GmbH (FN ***) mit Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass durch diese am Gst. Nr. ***, KG ***, zur obgenannten Zeit nicht gefährliche Abfälle, nämlich Aushub vermengt mit Baurestmassen, Betonbruchstücke, alte Gummiketten, Baumschnitt und Baustellenabfälle, gelagert wurden, obwohl dieser Ort keine genehmigte Anlage oder ein für die Sammlung oder Behandlung vorgesehener geeigneter Ort ist.

3. Sie haben es zu verantworten, die Sie treffende Sorgfaltspflicht als handelsrechtlicher Geschäftsführer, sohin ein nach außen vertretungsbefugtes Organ der C GmbH (FN ***) mit Sitz in ***, ***, außeracht gelassen zu haben, indem im Zuge der Tätigkeiten dieses Unternehmens zur obgenannten Zeit am Gst. Nr. ***, KG ***, gefährliche Abfälle, nämlich Öl- und Altöl in Behältern bzw. Fässern gelagert wurden und dadurch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung herbeigeführt wurde.

4. Sie haben es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der C GmbH (FN ***) mit Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass dieses Unternehmen zur obgenannten Zeit eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74 Abs. 2 GewO 1994) ohne die erforderliche Genehmigung betrieben hat, so eine örtlich gebundene Einrichtung, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist, nämlich am Gst. Nr. ***, KG ***, einen Lagerplatz für zahlreiche Baumaterialien und am Gst. Nr. ***, KG ***, einen Lagerplatz für Mulden, obwohl dies einer Betriebsanlagengenehmigung bedarf und eine solche nicht vorgelegen ist. Durch diese Betriebsanlage können insbesondere Nachbarn durch Geruch, Lärm und Staub belästigt werden, sodass für den Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage eine gewerbebehördliche Genehmigung erforderlich gewesen wäre, welche jedoch nicht vorlag.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu 1. § 79 Abs. 1 Z 1 iVm § 15 Abs. 3 AWG 2002 idF BGBl. I Nr. 8/2021

zu 2. § 79 Abs. 2 Z 3 iVm § 15 Abs. 3 AWG 2002 idF BGBl. I Nr. 8/2021

zu 3. § 137 Abs. 2 Z 4 iVm § 31 Abs. 1 WRG 1959 idF BGBl. I Nr. 73/2018

zu 4. § 366 Abs. 1 Z 2 iVm § 74 Abs. 2 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 65/2020

Mit Schreiben vom 09. Dezember 2021 rechtfertigte sich der Beschwerdeführer mit Bezug auf den Vorwurf der Übertretung des WRG 1959 dahingehend, dass „die Fässer und der Ölabscheider“ dicht gewesen, nicht lange gelagert und bereits zur Abholung bereitgestellt gewesen wären, sodass zu keiner Zeit die Gefahr einer Gewässerverunreinigung bestanden hätte.

1.1.3. Ohne weiteres Ermittlungsverfahren erließ die belangte Behörde das Straferkenntnis vom 15. Dezember 2021, ***, mit dem der Beschwerdeführer im Punkt 3. analog zum Tatvorwurf in der Aufforderung zur Rechtfertigung wegen Übertretung nach § 137 Abs. 2 Z 4 iVm § 31 Abs. 1 WRG 1959 mit einer Geldstrafe von € 1.400,- (Ersatzfreiheitsstrafe 64 Stunden) belegt wurde. In den Punkten 1. und 2. des Straferkenntnisses erfolgten Bestrafungen wegen Übertretung des AWG 2002, mit Spruchpunkt 4. wegen Übertretung der GewO 1994. Weiters wurde ein Kostenbeitrag von 10% der Strafe vorgeschrieben.

Begründend hielt die belangte Behörde unter der Überschrift „Festgestellter Sachverhalt“ fest, dass der C GmbH im Jahre 2015 eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung sowie die wasserrechtliche Bewilligung für die Versickerung bestimmter Niederschlagswässer über eine Sickermulde sowie die Einleitung anderer Niederschlagswässer in einen angrenzenden wasserführenden Graben erteilt worden sei. Die Betriebsanlagengenehmigung sei mittlerweile erloschen.

Bei einer Überprüfung der technischen Gewässeraufsicht am 16. September 2021 sei eine gewerbliche Nutzung des Grundstücks ***, KG ***, als Lagerplatz festgestellt worden. Durch die vorgefundene Lagerung von Öl und Altöl in Behältern bzw. Fässern sei die Gefahr einer Gewässerverunreinigung herbeigeführt worden.

Beweiswürdigend stützt sich die belangte Behörde im hier maßgeblichen Zusammenhang auf die Wahrnehmungen des Gewässeraufsichtsorgans vom 16. September 2021. Dem Vorbringen, es hätte keine Gefahr einer Gewässerverunreinigung bestanden, seien die fachlichen Ausführungen der technischen Gewässeraufsicht entgegen zu halten, wonach Altöl bereits in geringen Konzentrationen wassergefährdend sei und dieses in Gebäuden bzw. unter Dach mit flüssigkeitsdichtem Boden gelagert werden müsse, was gegenständlich nicht der Fall gewesen wäre. Im Übrigen sei der Beschwerdeführer „den fachlichen Ausführungen der technischen Gewässeraufsicht nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten“.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zum Spruchpunkt 3. (Übertretung des WRG 1959) zitiert die belangte Behörde die angewendeten Rechtsvorschriften sowie aus der Rechtsprechung zu § 137 Abs. 2 Z 4 WRG 1959 und kommt schließlich zum Ergebnis, dass wie festgestellt die Herbeiführung der Gefahr einer Gewässer-verunreinigung durch die Lagerung des Öls und Altöls zu bejahen sei, zumal dieses nicht ordnungsgemäß in Gebäuden bzw. unter Dach mit flüssigkeitsdichten Boden gelagert worden sei. Zur subjektiven Tatseite wird formelhaft auf § 5 Abs. 1 VStG verwiesen und lapidar ausgeführt, dass „dieser Entlastungsbeweis“ nicht gelungen sei. Weiters finden sich mit Bezug zum gegenständlichen Spruchpunkt Ausführungen zur Strafhöhe.

1.1.4. Der Akt der belangten Behörde enthält neben Melde-, Grundbuchs- und gewerberechtlichen Abfragen die verfahrensauslösende anonyme Anzeige, den Erhebungsbericht der Gewässeraufsicht sowie die behördeninterne Anzeige; diese Unterlagen wurden dem Beschwerdeführer der Aktenlage nach jedoch nicht vorgehalten.

1.1.5. Gegen das Straferkenntnis vom 15. Dezember 2021 richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, mit dem das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung bestritten und im Hauptantrag die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens begehrt wird. Mit Bezug auf die vorgeworfene Übertretung des WRG 1959 wird geltend gemacht, dass die Gefahr einer Gewässerverunreinigung zu keinem Zeitpunkt gegeben gewesen und es mit Gewissheit nicht zum Austritt eines einzigen Tropfens von Altöl gekommen sei.

1.2. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unter gleichzeitigen Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Entscheidung vor.

2.   Erwägungen des Gerichts

Vorauszuschicken ist, dass die derzeit geltende Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich die einlangenden Beschwerdefälle nach Maßgabe der angewendeten Materiengesetze auf die verschiedenen Richter des Gerichts verteilt. Daraus resultiert mit Relevanz für den vorliegenden Fall, dass über die Beschwerde von mehreren Richtern zu entscheiden ist. Die gegenständliche Entscheidung bezieht demnach ausschließlich auf den Spruchpunkt 3. des angefochtenen Straferkenntnisses, welches eine Übertretung des WRG 1959 zum Inhalt hat, einschließlich des diesbezüglichen Teils der Kostenentscheidung. In diesem Rahmen hat sich das Gericht bei seiner Entscheidung von folgenden Erwägungen leiten lassen:

2.1.     Feststellungen und Beweiswürdigung

Der unter Punkt 1. wiedergegebene Verfahrensverlauf und Inhalt von Schriftstücken ergibt sich aus den unbedenklichen Akten der belangten Behörde und ist unbestritten; das Gericht kann dies seiner Entscheidung zugrunde legen. Weiterer Feststellungen bedarf es dazu nicht.

2.2.     Anzuwendende Rechtsvorschriften

WRG 1959

§ 31. (1) Jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, hat mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

(2) Tritt dennoch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ein, hat der nach Abs. 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die Bezirksverwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug den Bürgermeister oder die nächst Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen. Bei Tankfahrzeugunfällen hat der Lenker, sofern dieser hiezu nicht oder nicht allein in der Lage ist auch der Beifahrer, die erforderlichen Sofortmaßnahmen im Sinne der Betriebsanweisung für Tankfahrzeuge zu treffen. Die Verständigungs- und Hilfeleistungspflicht nach anderen Verwaltungsvorschriften, wie vor allem nach der Straßenverkehrsordnung, wird dadurch nicht berührt. Sind außer den Sofortmaßnahmen weitere Maßnahmen zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlich, so ist zu ihrer Durchführung der Halter des Tankfahrzeuges verpflichtet.

(3) Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat die Wasserrechtsbehörde, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen wird, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Wenn wegen Gefahr im Verzuge eine Anordnung der Wasserrechtsbehörde nicht abgewartet werden kann, ist der Bürgermeister befugt, die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen – soweit nicht dem Bergrecht unterliegende Anlagen betroffen werden – unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Gefahr im Verzug ist jedenfalls gegeben, wenn eine Wasserversorgung gefährdet ist.

(…)

§ 137. (…)

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist, sofern die Tat nicht nach Abs. 3 oder 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 14 530 €, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen, wer

        (…)

4.

durch Außerachtlassung der ihn gemäß § 31 Abs. 1 treffenden Sorgfaltspflicht die Gefahr einer Gewässerverunreinigung herbeiführt;

        (…)

(…)

VwGVG

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den

angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3)

zu überprüfen.

§ 44. (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der

Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

(…)

§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über

Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses hat überdies zu enthalten:

1.   im Fall der Verhängung einer Strafe die vom Verwaltungsgericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung sowie die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten;

2.   im Fall des § 45 Abs. 1 VStG eine gedrängte Darstellung der dafür maßgebenden Gründe.

(3) Jedes Erkenntnis hat einen Hinweis auf die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren vor dem

Verfassungsgerichtshof und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu enthalten.

VStG

§ 25. (…)

(2) Die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

(…)

§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1.   die als erwiesen angenommene Tat;

2.   die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3.   die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4.   den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5.   im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten

§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu

verfügen, wenn

1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die

die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

(…)

VwGG

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision

gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(…)

B-VG

Artikel 133. (…)

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage

abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des

Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen

Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe

Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

(…)

2.3.     Rechtliche Beurteilung

2.3.1 Mit dem hier gegenständlichen Spruchpunkt 3. Erfolgte eine Bestrafung wegen Übertretung des WRG 1959.

Die Strafnorm des § 137 Abs. 2 Z 4 leg. cit. pönalisiert die Herbeiführung der Gefahr einer Gewässerverunreinigung infolge Außerachtlassung einer aus § 31 Abs. 1 leg. cit. resultierenden Verpflichtung. Zum Tatbild gehört also ein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten bei der Herstellung, Instandhaltung oder beim Betrieb von Anlagen oder das Setzen bzw. Unterlassen von Maßnahmen, die eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen könnten. Weitere Tatbestandsvoraussetzung ist der Eintritt der konkreten Gefahr einer Gewässerverunreinigung (vgl. VwGH 08.07.2004, 2004/07/0050). Als potentiell gefährdete Gewässer kommen dem System des WRG 1959 entsprechend sowohl Oberflächengewässer als auch das Grundwasser in Betracht.

2.3.2. Im Hinblick auf die von der belangten Behörde gewählte Umschreibung des Tatvorwurfes erhebt sich die Frage nach der ausreichenden Konkretisierung der Tat.

§ 44a Z 1 VStG stellt an den Spruch eines Straferkenntnisses die Anforderung, dass die als erwiesen angenommene Tat konkret umschrieben wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wenigstens seit dem grundlegenden Erkenntnis vom 03.10.1985, 85/02/0053, VwSlg 11894 A/1985, ist dieser Bestimmung dann entsprochen, wenn

?    im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen Tatvorwurf zu wiederlegen und

?    der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, muss die Tat nach Ort und Zeit, aber auch hinsichtlich der Umschreibung der anderen nach dem Tatbestand der übertretenen Rechtsvorschriften maßgeblichen Umständen konkret umschrieben sein. Diese Anforderungen müssen auch an die Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG gestellt werden (vgl. VwGH 26.06.2003, 2002/09/0005).

Der Spruch des Straferkenntnisses muss so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann (z.B. VwGH 17.09.2014, 2011/17/0210).

Einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der Verwaltungsstrafbehörde kann (und muss) das mittels Beschwerde angerufene Gericht (wie vormals die Berufungsbehörde) richtigstellen oder ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn (innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist) eine alle der Bestrafung zugrundeliegende Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (zB VwGH 23.10.2014, 2011/07/0205 zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei diese Rechtsprechung jedoch ohne weiteres auf die derzeit geltende Rechtslage übertragbar ist). Wesentlich ist also, dass Mängel in der Tatumschreibung durch die Verwaltungsstrafbehörde im gerichtlichen Be-schwerdeverfahren nur dann bzw. nur insoweit saniert werden können, wenn bzw. soweit es im Rahmen des verwaltungsstrafbehördlichen Verfahren zu einer Verfolgungshandlung gekommen ist, die den oben beschriebenen Konkretisierungserfordernissen entspricht.

Freilich darf es im Zuge der Richtigstellung nicht zu einer Auswechslung der Tat kommen; d.h. der Beschuldigte darf im Beschwerdeverfahren nicht für eine andere Tat bestraft werden als jene, die Inhalt des Straferkenntnisses war.

2.3.3. Im vorliegenden Fall entspricht der Tatvorwurf diesen Anforderungen in mehrfacher Hinsicht nicht.

Nach der Rechtsprechung (VwGH 15.11.1994, 92/07/0139, ergangen zur Vorgängerbestimmung der hier maßgeblichen Strafnorm) muss die Benennung jenes Gewässers, hinsichtlich dessen der zum Tatbild gehörende Erfolg herbeigeführt wurde, zu den wesentlichen Tatbestandsmerkmalen der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung gezählt werden, deren Konkretisierung im Spruch des verurteilenden Erkenntnisses zu fordern ist, wobei der Austausch eines solchen Elements der Berufungsbehörde (nunmehr: dem Verwaltungsgericht) verwehrt ist.

Im vorliegenden Fall ist weder dem Spruch noch der Begründung (und im Übrigen auch nicht der Verfolgungshandlung, welche nicht über die in den Spruch des Straferkenntisses aufgenommene Tatumschreibung hinausging) eine Benennung des Gewässers zu entnehmen, welches die belangte Behörde von einer Verunreinigung bedroht sah. Im Hinblick auf die in der Bescheidbegründung zitierte wasserrechtliche Bewilligung, wo sowohl von der Versickerung von Niederschlags-wässern auch von der Einleitung in einen angrenzenden wasserführenden Graben die Rede ist, wäre sowohl eine Bedrohung des Grundwassers als auch eines Oberflächengewässers denkbar. Im Sinne einer eindeutigen, auch eine mögliche Doppelbestrafung vermeidende Individualisierung der Tat wäre es daher erforderlich (gewesen), im Spruch des Straferkenntnisses anzugeben, welches Gewässer konkret von einer Verunreinigung bedroht war. Schon dieser im Beschwerde-verfahren nicht sanierbare Mangel muss zu einer Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses führen.

Darüber hinaus fehlt es an einer ausreichend konkreten Umschreibung des Tatvorwurfes dahingehend, dass daraus unmittelbar auf das Vorliegen sowohl der objektiven Sorgfaltswidrigkeit als auch der konkreten Verunreinigungsgefahr geschlossen werden könnte. Es kann nämlich nicht gesagt werden, dass jedes Lagern von Mineralölen in Behältern und Fässern schon für sich ein Verstoß gegen

§ 31 Abs. 1 WRG 1959 wäre. Auch wenn man hier noch die Begründung des Bescheides heranzieht, wo das Fehlverhalten offenbar darin gesehen wird, dass die Lagerung im Freien erfolgte, kann das Gericht auch mit Blick auf die vorgeworfenen Tatzeit nicht finden, dass etwa das kurzfristige (etwa nur an einem Tag) Bereithalten zum Abtransport im Freien schon jedenfalls sorgfaltswidrig wäre, wenigstens wenn es sich dabei um äußerlich nicht verunreinigte, ordnungsgemäß verschlossene, abgesicherte und in einwandfreiem Zustand befindliche Gebinde handelte. In diesem Zusammenhang fehlt es auch an einer Umschreibung jener Umstände, aus denen sich die konkrete Verunreinigungsgefahr ableiten ließe, zumal die bloße abstrakte Möglichkeit einer Einwirkung auf Gewässer den von der belangten Behörde angewendeten Tatbestand nicht erfüllt. Nun mag es, wie die belangte Behörde wiederum lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung anmerkt, durchaus sein, dass Altöl bereits in geringer Konzentration (respektive: in geringen Mengen) wassergefährdend ist; damit wird jedoch bloß eine abstrakte Eignung dargetan. Im Hinblick auf den Umstand, dass die belangte Behörde hinsichtlich der zeitlichen Dimension lediglich einen Tag, nämlich den 16 September 2021, vorgeworfen hat, ist aus dem bloßen Lagern von Fässern im Freien alleine noch nicht eine konkrete Gewässergefährdung abzuleiten, ohne dass weitere Kriterien, etwa ein schadhafter Zustand der Gebinde, deren mangelnde Sicherung gegen Ausfließen des Inhalts oder der gleichen dazukommen. Soweit die belangte Behörde auf Lichtbilder und die Stellungnahme der technischen Gewässeraufsicht verweist, ist festzuhalten, dass diese weder konkret zum Inhalt des Tatvorwurfes gemacht wurden, noch der Aktenlage nach dem Beschwerdeführer überhaupt vorgehalten worden sind (und daher im Beschwerdeverfahren nicht zur Ergänzung der Tatumschreibung herangezogen werden könnten), sodass er schon deshalb nicht in der Lage sein konnte, den fachlichen Ausführungen des Gewässeraufsichtsorgans auf gleicher fachlicher Ebene entgegen zu treten. Es ist daher im Rahmen der gegenständlichen Entscheidung nicht drauf einzugehen, ob aus den nicht zum Tatvorwurf gemachten konkreteren Ermittlungsergebnissen bereits ein hinreichender Beleg sowohl für sorgfaltswidriges Verhalten als auch für eine daraus resultierende konkrete Gefährdung eines noch festzustellenden Gewässers, etwa des Grundwassers oder des benachbarten Oberflächengewässers, abgeleitet werden könnte. Angemerkt sei, dass die geforderte objektive Sorgfaltswidrigkeit ein Tatbestandsmerkmal ist, welches nicht von einer „Beweislastumkehr“ im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG erfasst ist.

2.3.4. Zusammenfassend ergibt sich also, dass die Spruchgestaltung des vorliegenden Straferkenntnisses in im Beschwerdeverfahren nicht sanierbarer Weise gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG verstößt, sodass die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat keine Verwaltungsübertretung bildet.

Daher war das angefochtene Straferkenntnis im Punkt 3 einschließlich der darauf bezüglichen Kostenentscheidung (eines Anteils von € 140,- am Kostengesamtbetrag von € 330,-) aufzuheben und das Strafverfahren insoweit nach § 45 Abs. 1 Z 1 (zweiter Fall) VStG einzustellen.

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung nicht der Einleitung eines neuerlichen Strafverfahrens innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist und – bei Vorliegen der Voraussetzungen - der Bestrafung des Beschwerdeführers in Bezug auf eine hinreichend konkretisierte Tat entgegenstünde.

2.3.5. Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedurfte es aus dem Grunde des § 44 Abs. 2 letzter Fall VwGVG nicht.

2.3.6. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung war im gegenständlichen Fall nicht zu lösen, da es um die Anwendung einer eindeutigen bzw. durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinreichend geklärten (vgl. die zitierten Belege) Rechtslage auf den Einzelfall ging. Die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis (Art. 133 Abs. 4 B-VG) ist daher nicht zulässig.

Schlagworte

Umweltrecht; Wasserrecht; Verwaltungsstrafe; Gewässerverunreinigung; Verfahrensrecht; Tatumschreibung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.232.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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