TE Vwgh Erkenntnis 1996/7/31 94/13/0248

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Veröffentlicht am 31.07.1996
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Index

32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

UStG 1972 §11 Abs14;
UStG 1972 §11 Abs7;
UStG 1972 §11 Abs8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat II, vom 4. Juli 1994, Zl. 6/1-1078/94-07, betreffend Umsatzsteuer für 1990 (mitbeteiligte Partei: S in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte war im Streitjahr als Zeitungskolporteur für die M. Zeitungsvertriebs Ges.m.b.H. & Co KG (im folgenden: M. KG) tätig.

In den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erliegt eine nach Wochen gegliederte Aufstellung über die dem Mitbeteiligten aus seiner Tätigkeit als Kolporteur im Jahre 1990 zugeflossenen "Provisionen", wobei die Mehrwertsteuer jeweils ausgewiesen wurde.

In einer Berufung gegen den an den Mitbeteiligten erlassenen Bescheid über Umsatzsteuer 1990 wurde auf arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Entscheidungen hiefür zuständiger Gerichte bzw. Behörden verwiesen, wonach das Vertragsverhältnis zwischen einem Kolporteur und dem Zeitungsverlag als Dienstverhältnis zu qualifizieren sei.

In der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung gab der steuerliche Vertreter des Mitbeteiligten auf entsprechende Fragen der Senatsmitglieder bekannt, im Falle des Antritts eines Urlaubs durch einen Kolporteur der M. KG werde das Vertragsverhältnis unterbrochen; eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses werde nicht garantiert. Der Kolporteur sei in den Arbeitsprozeß eingegliedert und könne über die Betriebsmittel nicht verfügen. Auch die Kleidung gehöre nicht dem Kolporteur, sondern der M. KG; die Jacke und die Kappe müßten bei Beendigung des Vertragsverhältnisses zurückgegeben werden. Dem Kolporteur werde eine Mindestabnahmemenge vorgeschrieben, die er nicht beeinflussen könne. Die Mindestabnahmemenge sei als Disziplinierungsmittel anzusehen. Ein Kolporteur, der die entsprechende Verkaufsmenge nicht erbringe, müsse die Mindestabnahmemenge aus eigenem bezahlen. Der Kolporteur könne sein Kontingent erhöhen; es werde dann jedoch auch die Mindestabnahmemenge hinaufgesetzt. Der Standort werde von der M. KG ausgesucht. Die persönliche Abhängigkeit ergebe sich aus der hohen Wochenarbeitszeit, die weit über 40 Stunden betrage. Im Krankheitsfall müsse der Kolporteur dies sofort melden. Sein Platz werde dann von einem anderen Kolporteur ersetzt. Der kranke Kolporteur erhalte seitens der M. KG keine Entschädigung. Die M. KG setze Kontrollore ein, die die Einhaltung der Vertragsbedingungen überwachen. Bei Verstößen gegen die Bedingungen erfolge eine Bestrafung durch Kürzung des Entgelts. Gröbere Verstöße können zu einem Verlust des Standplatzes führen. Gegenüber dem dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juni 1982, 81/13/0190, zugrunde gelegten Sachverhalt bestünden nunmehr als Disziplinierungsmittel neben der Kürzung des Entgelts auch die Erhöhung der Mindestverkaufsquote und der Verlust der Morgen- oder Abendkolportage.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung Folge gegeben. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, daß der Kolporteur in das Unternehmen der M. KG derart eingegliedert sei, daß er den Weisungen der M. KG zu folgen verpflichtet sei. Der Mitbeteiligte sei somit kein Unternehmer i. S.d. UStG 1972.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen

inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Begründung eines Bescheides muß erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. z.B. das Erkenntnis vom heutigen Tage, 95/13/0220, mit weiteren Hinweisen). Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid nicht. Obgleich die belangte Behörde (erstmals) in der mündlichen Verhandlung Ermittlungen über die Umstände der in Rede stehenden Tätigkeit des Mitbeteiligten als Kolporteur der M. KG vornahm, setzte sie sich mit diesem Ermittlungsergebnis insgesamt in bezug auf ihre getroffene Beurteilung nicht in einer nachvollziehbaren Weise auseinander. Einerseits ging die belangte Behörde beispielsweise im angefochtenen Bescheid davon aus, der Mitbeteiligte habe einen Sachverhalt, der sich von dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juni 1982, 81/13/0190, 82/13/0053, unterschied, nicht behauptet; andererseits gelangte die belangte Behörde "ungeachtet der Ausführungen in diesem Erkenntnis" zu der Auffassung, "die Merkmale des Vertrags" wie auch die tatsächlichen Umstände rechtfertigten die Annahme einer Unternehmereigenschaft nicht. Mit dieser mangelhaften Begründung hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Aus verfahrensökonomischen Gründen wird zur Beurteilung der Tätigkeit eines Kolporteurs eines Zeitungsverlages auf das Erkenntnis vom heutigen Tage, 95/13/0220, hingewiesen.

Im übrigen erweist sich der angefochtene Bescheid auch aus dem Grunde des § 11 UStG 1972 als rechtswidrig, worauf vom beschwerdeführenden Präsidenten im Ergebnis zutreffend verwiesen wird: Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist, schuldet nach Abs. 14 dieser Gesetzesstelle diesen Betrag. Dabei gelten nach Abs. 7 des § 11 UStG 1972 auch Gutschriften, die im Geschäftsverkehr an die Stelle von Rechnungen treten, unter den dort genannten Voraussetzungen als Rechnungen des Unternehmers. Die Gutschrift verliert dabei ihre Wirkung einer Rechnung, soweit der Empfänger der Gutschrift dem in ihr enthaltenen Steuerbetrag widerspricht. Im Abs. 8 des § 11 UStG 1972 sind die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Gutschrift als Rechnung angeführt.

In den den Mitbeteiligten betreffenden Akten ist eine das gesamte Streitjahr umfassende Aufstellung über die an den Mitbeteiligten ausbezahlten Beträge mit Ausweis von Mehrwertsteuer enthalten. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde darauf nicht Bedacht genommen, sodaß der angefochtene Bescheid insoweit nicht nachvollzogen werden kann. Insbesondere wurden von der Abgabenbehörde nach dem Inhalt der Akten keine Ermittlungen darüber angestellt, ob von der M. KG eine einer Rechnung gleichstehende Gutschrift erteilt wurde oder nicht. Es bedarf daher der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung; weiters wurden auch durch diese Begründungslücke Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Da derartige wesentliche Mängel vom Verwaltungsgerichtshof auch ohne Antrag des Beschwerdeführers wahrzunehmen sind (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 591), war somit der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994130248.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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