TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/8 93/10/0115

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.08.1996
beobachten
merken

Index

L40019 Anstandsverletzung Lärmerregung Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

EGVG Art9 Abs1 Z1;
EGVG Art9 Abs1 Z2;
EGVG Art8/Wr Fall2 Lärmerregung;
VStG §24;
VStG §25 Abs2;
VStG §51a Abs1;
VStG §51g Abs2;
VwGG §61 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. April 1993, Zl. UVS-03/19/00022/93, betreffend Übertretungen des Art. VIII zweiter Fall und des Art. IX Abs. 1 Z. 1 und 2 EGVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 27. Jänner 1992 in der Zeit zwischen 16.45 Uhr und 18.00 Uhr an näher bezeichneten Orten in W durch lautes Herumschreien

1. ungebührlicherweise störenden Lärm erregt und 2. ein Verhalten gesetzt, das geeignet war, Aufsehen und Ärgernis zu erregen, tatsächlich auch erregt hat und somit die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört, und 3. sich gegenüber einem Sicherheitswachebeamten, der sich in rechtmäßiger Ausübung seines Dienstes befand, ungeachtet vorausgegangener Abmahnung durch lautes Anschreien und heftiges Gestikulieren ungestüm benommen, und dadurch gegen 1. Art. VIII zweiter Fall,

2. Art. IX Abs. 1 Z. 1, 3. Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG verstoßen. Die mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen wurden herabgesetzt; die vom Beschwerdeführer erlittene Vorhaft wurde entsprechend angerechnet.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist der oben genannte Bescheid der belangten Behörde vom 20. April 1993 und nicht auch ihr Bescheid vom 9. Februar 1993, mit dem ein Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe nach § 51a VStG abgewiesen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher die Rechtmäßigkeit dieses letzteren Bescheides nicht zu prüfen. Festzuhalten ist, daß dem Beschwerdeführer zwar aufgrund seines dahingehenden Antrages mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1993 die Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde gegen den zweitgenannten Bescheid bewilligt wurde; eine Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde in der Folge aber nicht eingebracht. Die in der vorliegenden Beschwerde wiederholt aufgestellte gegenteilige Behauptung ist unrichtig.

Die besagte Bewilligung der Verfahrenshilfe hatte die Wirkung, daß dem Beschwerdeführer IM VERFAHREN VOR DEM VERWALTUNGSGERICHTSHOF ein Rechtsanwalt zur Einbringung einer Beschwerde beigegeben wurde. Sie hatte aber keine Auswirkungen auf das Verfahren vor der belangten Behörde. Sie entfaltete daher in diesem Verfahren weder eine wie immer geartete "aufschiebende Rechtswirkung" noch löste sie die Verpflichtung der belangten Behörde aus, die Bestellung des vom Verwaltungsgerichtshof bewilligten Verfahrenshelfers abzuwarten und diesem ihren Ladungsbescheid vom 9. Februar 1993 zuzustellen. Soweit die Beschwerde mit dem Hinweis auf § 61 VwGG, der die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren regelt, und die dort enthaltene Verweisung auf die Vorschriften über das zivilgerichtliche Verfahren argumentiert, verkennt sie die Rechtslage: Im Verfahren vor der belangten Behörde gilt für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht § 61 VwGG, sondern § 51a VStG, der im übrigen nicht an der ZPO, sondern an § 41 StPO orientiert ist (Erläuterungen zur Regierungsvorlage 1090 BlgNR 17.GP, 18). Damit erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen.

2. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Verfahrensrügen bemängelt, daß die belangte Behörde den maßgebenden Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt habe, legt er nicht konkret dar, inwiefern der Sachverhalt ergänzungsbedürftig sein soll und welcher andere, für die bekämpfte Entscheidung maßgebende Sachverhalt sich andernfalls ergeben hätte. Damit hat der Beschwerdeführer die Relevanz des insoweit behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

Dies gilt sinngemäß auch für die weiteren Rügen betreffend Mängel des Ermittlungsverfahrens: Mangels näherer Angaben ist nicht ersichtlich, was mit dem Vorbringen gemeint ist, der Beschwerdeführer habe in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 1993 "nur äußerst eingeschränkt aussagen" dürfen. In der Beschwerde wird nicht ausgeführt, worin diese Einschränkung konkret bestanden habe. Laut Verhandlungschrift wies der Vorsitzende den Beschwerdeführer an, er möge seine Ausführungen auf die verfahrensgegenständlichen Tatvorwürfe beziehen; nicht verfahrensgegenständliche Äußerungen bzw. Fragen an die Zeugen würden zurückgewiesen werden. Gegen diese Information des Vorsitzenden bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist darin keine rechtswidrige Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers zu erblicken.

Was das gerügte Unterbleiben der zeugenschaftlichen Vernehmung der "Meldungsleger" (damit sind offensichtlich jene Personen gemeint, mit denen der Beschwerdeführer in einem Citybus in Streit geraten war und die in der Folge das Einschreiten der Sicherheitswachebeamten veranlaßten) anlangt, hat der Beschwerdeführer deren Vernehmung nie beantragt, obwohl er dazu sowohl im Verfahren vor der Erstbehörde als auch in jenem vor der belangten Behörde Gelegenheit gehabt hätte. Die Behauptung, die Erstbehörde habe ohne seine Anhörung entschieden, ist aktenwidrig (siehe Blatt 13 ihres Aktes). Davon abgesehen wird in der Beschwerde zwar behauptet, daß die genannten drei Personen Zweckdienliches hätten aussagen können. Der Beschwerde ist aber nicht eindeutig zu entnehmen, ob sie überhaupt Zeugen des vom angefochtenen Bescheid erfaßten Geschehens, welche sich erst einige Zeit nach der Fahrt im Citybus ereignete, waren.

3. Auch das gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde gerichtete Beschwerdevorbringen vermag keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen:

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung, der Darstellung des Tatgeschehens durch die als Zeugen vernommenen Sicherheitswacheorgane zu folgen und den diese Darstellung bestreitenden Vorbringen des Beschwerdeführers den Glauben zu versagen, im wesentlichen damit, daß jene Zeugen klar, widerspruchsfrei und unter der Sanktion des § 289 StGB stehend ausgesagt hätten, daß ihnen als qualifizierten Organen der öffentlichen Aufsicht die Fähigkeit zur richtigen Wahrnehmung und Wiedergabe von Vorgängen wie den gegenständlichen zuzubilligen sei und daß sich kein Hinweis auf ein Interesse dieser Personen ergeben habe, den ihnen unbekannten Beschwerdeführer wahrheitswidrig zu belasten, während der Beschwerdeführer jedenfalls ein Interesse daran habe, durch seine Darstellung ein für ihn günstiges Kalkül mit dem Ergebnis seiner Straffreiheit herbeizuführen, und es auch nicht ausgeschlossen werden könne, daß er an die Beurteilung seines Verhaltens nicht denselben objektiven Maßstab anlege wie die einschreitenden Sicherheitswachebeamten. Diese mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung nicht in Widerspruch stehende Beweiswürdigung kann mit dem Vorbringen nicht erschüttert werden, es spreche für die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, daß ihm keine Handschellen angelegt worden seien. Daraus folgt lediglich, daß sich der Beschwerdeführer seiner Eskortierung nicht in einem Ausmaß widersetzt hat, welches die Anlegung von Handschellen erfordert hätte. Ebensowenig kann die Beschwerde mit dem Vorbringen einen relevanten Fehler der Beweiswürdigung aufzeigen, es sei nicht anzunehmen, daß ein mit den rechtlichen Werten verbundener Mensch wie der Beschwerdeführer seine Lesebrille und seinen Kugelschreiber nur zu dem Zweck zerbreche, um so seine Anhaltung als rechtswidrig darzustellen.

4. Soweit die Beschwerde die Verletzung des Beschwerdeführers in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend macht, ist darauf mangels Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Prüfung derartiger Rechtsverletzungen nicht einzugehen. Für die "in eventu" angeregte Überweisung "der gegenständlichen Rechtsangelegenheit zur Prüfung an den Verfassungsgerichtshof" fehlt eine gesetzliche Grundlage.

5. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1996.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993100115.X00

Im RIS seit

03.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten