TE Vwgh Beschluss 2022/1/24 Ra 2021/06/0231

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Veröffentlicht am 24.01.2022
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Index

L82000 Bauordnung
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauRallg
B-VG Art130 Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs1 Z2
VwGG §38
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §34
VwGVG 2014 §8
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der S GmbH in I, vertreten durch Mag. Wilfried Huber, Rechtsanwalt in 6284 Ramsau im Zillertal, Raiffeisenplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 12. August 2021, LVwG-2020/40/0656-3, betreffend Abweisung eines Bauantrages (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Götzens; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G vom 18. Februar 2020, mit dem der Antrag vom 17. März 2017 auf Erteilung einer Baubewilligung für ein näher bezeichnetes Bauvorhaben wegen Überschreitung der höchstzulässigen Nutzfläche und der Nutzflächendichte abgewiesen worden war, als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision für nicht zulässig.

Begründend führte das LVwG - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - aus, das Vorhaben weise eine verbaute Fläche von 475 m2, eine Baumassendichte von 2,9 und eine Nutzflächendichte von rund 0,77 auf. Da für den Bauplatz kein Bebauungsplan vorliege, seien die gemäß § 31 Abs. 6 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016) erlassenen textlichen Festlegungen des § 9 Abs. 4 lit. a der Verordnung zum örtlichen Raumordnungskonzept der Gemeinde G anzuwenden. Demnach dürfe eine Baubewilligung für den Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden auf Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht, unter anderem nur erteilt werden, wenn die Nutzflächendichte von maximal 0,45 eingehalten werde. Die Änderung dieser Verordnung sei zwar während des anhängigen Bauverfahrens vom Gemeinderat der Gemeinde G beschlossen worden, aber noch vor der Entscheidung des LVwG - nämlich mit Ablauf des 19. Dezember 2019 - in Kraft getreten. An diese ordnungsgemäß kundgemachte Verordnung sei das LVwG gebunden. Das Bauansuchen sei daher gemäß § 34 Abs. 3 lit. a Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) wegen eines Widerspruchs zu den textlichen Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes abzuweisen gewesen.

5        In der Zulässigkeitsbegründung formuliert die Revisionswerberin als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung

-    „die Entscheidungspflicht der Behörde,

-    die Rechtsanwendung zum Zeitpunkt der Entscheidung,

-    die Rechtsanwendung zum Zeitpunkt der Baueingabe,

-    die Steuerung der Rechtsanwendung durch bewusste Verfahrensverzögerung,

-    die Rechtswirkung einer Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes während des laufenden Verfahrens

-    die Entscheidungspflicht der Baubehörde gemäß § 37 Abs. 1 TBO“.

Zum Zeitpunkt der Einreichung des Bauantrages und auch im weiteren Verfahren sei das Bauvorhaben „innerhalb gewisser Zeiträume“ genehmigungsfähig gewesen. Die Entscheidung der Baubehörde „wurde jedoch offensichtlich auch im Zusammenwirken mit dem Gemeinderat so gesteuert, dass jeweils zum Zeitpunkt der Entscheidung eine Bausperre [Anmerkung: ab 5. Juli 2017 für zwei Jahre] verordnet war bzw. eine Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes [Anmerkung: ab 20. Dezember 2019] in Kraft getreten ist.“ Es gehe um die Frage, ob die während des laufenden Bauverfahrens erfolgten Änderungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes zu berücksichtigen seien, und welche Auswirkungen ein Verstoß der Baubehörde gegen die in der TBO festgelegte Entscheidungspflicht habe.

6        Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht über eine Entscheidung einer Behörde, sondern eines Verwaltungsgerichtes entscheidet.

7        Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegen im gegenständlichen Verfahren aber auch inhaltlich nicht vor.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Baubehörden im Baubewilligungsverfahren im Allgemeinen jene Rechts- und Sachlage maßgeblich, die im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides gegeben ist. Eine andere Betrachtungsweise wäre dann geboten, wenn etwa der Gesetzgeber (hier: Verordnungsgeber) in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz (bzw. die bisher geltende Verordnung) anzuwenden ist. Weiter wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war (vgl. VwGH 1.10.2021, Ra 2018/06/0210, Rn. 14, mwN). Eine derartige Sonderregelung - und damit eine Rechtsgrundlage dafür, die während des anhängigen Verfahrens erfolgten Änderungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes unberücksichtigt zu lassen - ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich und wurde in der Revision auch nicht vorgebracht.

Auch die Frage der Überschreitung der Entscheidungsfrist wurde vom Verwaltungsgerichtshof bereits beantwortet. Selbst wenn eine Behörde oder ein Verwaltungsgericht die Entscheidungspflicht verletzt haben sollte, bleibt für die Entscheidung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend. Dem Umstand, dass die Behörde oder das Verwaltungsgericht (allenfalls) in der Lage gewesen wäre, ihre/seine Entscheidung zu einem früheren Zeitpunkt zu treffen und dadurch eine für die Revisionswerberin günstigere Sach- und Rechtslage anzuwenden, kommt für die Frage einer allfälligen Rechtswidrigkeit der Entscheidung keine Bedeutung zu (vgl. VwGH 5.9.2018, Ra 2018/03/0044, mwN). Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht einer Behörde oder eines Verwaltungsgerichtes stehen den Parteien nämlich geeignete Instrumente (eine Säumnisbeschwerde bzw. ein Fristsetzungsantrag) zur Verfügung.

8        In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 24. Jänner 2022

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Baubewilligung BauRallg6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021060231.L00

Im RIS seit

24.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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