TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/19 96/07/0002

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Veröffentlicht am 19.09.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §62 Abs4;
AVG §66 Abs4;
VStG §44a Z1;
WRG 1959 §137 Abs3 litg;
WRG 1959 §31b Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde des Ing. G in A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 13. Oktober 1995, Zl. Senat-AM-94-094, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes (Weitere Partei des Verfahrens: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 20. April 1994 forderte die Bezirkshauptmannschaft Amstetten (BH) den Beschwerdeführer dazu auf, sich zu folgendem, die Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs. 3 lit. g in Verbindung mit § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 begründenden Tatvorwurf zu rechtfertigen:

Der Beschwerdeführer habe es als der gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortliche Beauftragte der M. Gesellschaft mbH für den Bereich "Lager und Zwischenlager" dieser Gesellschaft zu verantworten, daß am 30. März 1994 auf dem Firmenareal, im westlichen Bereich des Grundstückes Nr. 93/2, KG N., Schlamm aus der betriebsinternen Schwimm-Sinkanlage im Ausmaß von ca. 30 m3 auf unbefestigtem Boden abgelagert worden sei. Dadurch sei ohne die gemäß § 32 Abs. 1 und 2 WRG 1959 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung eine Einwirkung auf Gewässer (Grundwasser) vorgenommen worden, die zur Folge gehabt habe, daß durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt werde.

In seiner Rechtfertigung bestritt der Beschwerdeführer den Tatvorwurf mit der Begründung, daß nur eine zwei bis drei Wochen dauernde Zwischenlagerung auf geeignetem Untergrund vorgenommen worden sei, die nicht geeignet gewesen sei, eine Gewässergefährdung herbeizuführen. Bei der gegebenen Sachlage sei nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit nachteiligen Einwirkungen auf das Grundwasser nicht zu rechnen gewesen, sodaß es an der von der Behörde gesehenen Bewilligungspflicht gefehlt habe.

Im Straferkenntnis vom 28. Juni 1994 hielt die BH an ihrer Auffassung fest, erkannte den Beschwerdeführer wegen des in der Aufforderung zur Rechtfertigung genannten Tatvorwurfes der dort angeführten Verwaltungsübertretung schuldig und verhängte über ihn nach § 137 Abs. 3 WRG 1959 eine Geldstrafe in Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Tage).

In seiner gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer auf Widersprüche zwischen Spruch und Gründen des bekämpften Straferkenntnisses hin. Während im Spruch als Tatort der westliche Bereich des Grundstückes Nr. 93/2, KG N., angeführt werde, gehe die Begründung davon aus, daß auf den Grundstücken Nr. 93/1 und 93/2, KG N. konsenslose Schlammablagerungen erfolgt seien. Während im Spruch des Straferkenntnisses davon ausgegangen werde, daß die Ablagerung auf unbefestigtem Boden erfolgt sei, spreche die Begründung des Straferkenntnisses davon, daß diese Ablagerung im Bereich der konsenslosen Shredderdeponie vorgenommen worden sei, welche zufolge einer künstlich hergestellten und verdichteten Lehmabdichtung aber einen befestigten Grund aufweise. Wenn die Strafbehörde erster Instanz die Geringfügigkeit der Ablagerung mit dem Hinweis auf deren Bewilligungspflicht nach dem Abfallwirtschaftsgesetz abzutun versuche, könne diese Begründung den Spruch des bekämpften Straferkenntnisses nicht tragen. Eine Bewilligungspflicht nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 für die vorgeworfene Ablagerung habe aus den schon in der Rechtfertigung dargestellten Gründen nicht bestanden.

Mit dem nach der am 11. Oktober 1995 durchgeführten mündlichen Verhandlung erlassenen, nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers dahin "teilweise Folge", daß sie den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wie folgt abänderte:

"(Beschwerdeführer) hat als verantwortlicher Beauftragter (§ 9 Abs. 2 VStG) der M. Gesellschaft mbH (Unternehmenssitz A.) zu verantworten, daß am 30. 3. 1994 auf dem Grundstück Nr. 93/1 (KG N) ca. 30 m3 Schlamm aus der betriebsinternen Schwimm-Sinkanlage abgelagert wurde. Damit wurde ohne die gemäß § 32 Abs. 1 und 2 WRG 1959 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung eine Einwirkung auf Gewässer vorgenommen.

Übertretungsnorm:

§§ 32 i.V.m. 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959

Gemäß § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 wird über (Beschwerdeführer) eine Geldstrafe in Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt.

(Kostenentscheidung)"

In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde fest, daß im Falle einer Schlammablagerung auf ungeschütztem Untergrund "im verfahrensgegenständlichen Bereich" (ohne Abdichtung und Sickerwassererfassung) mit Sicherheit davon auszugehen sei, daß nach dem natürlichen Lauf der Dinge zu einem späteren Zeitpunkt ein nicht unbeträchtlicher Eintritt des rund 5.000 l umfassenden Sickerwassers in den Grundwasserbereich stattfinden werde. Rechtlich gelange, da es sich lediglich um ein Zwischenlager mit einer Lagerzeit von zwei bis drei Wochen gehandelt habe, § 32 WRG 1959 und nicht § 31b leg. cit. zur Anwendung. Eine wegen Geringfügigkeit bewilligungsfreie Einwirkung auf Gewässer im Sinne des § 32 Abs. 1 WRG 1959 liege deswegen nicht vor, weil sachbezogen feststehe, daß im Falle einer Schlammablagerung auf ungeschütztem Untergrund nach dem natürlichen Lauf der Dinge mit einer mehr als geringfügigen Gewässerbeeinträchtigung zu rechnen sei. Die Schlammablagerung sei zwar nicht auf ungeschütztem Untergrund, sondern auf einer Fläche erfolgt, die nach unten entsprechend abgedichtet und mit einer Sickerwassererfassung ausgestattet worden sei. Bewilligungspflicht nach § 32 WRG 1959 bestehe aber auch dann, wenn die an sich mit bestimmten Maßnahmen oder Anlagen erfahrungsgemäß verbundene Einwirkung durch technische Vorkehrungen vermieden werde. Erst die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung ermögliche nämlich die Durchsetzung der projektsgemäßen Errichtung der Anlage sowie die Vorschreibung und Durchsetzung von Auflagen und anderen Nebenbestimmungen und damit die Sicherstellung eines konsensgemäßen Betriebes. Die Berichtigung der Bezeichnung des Grundstückes sei deswegen zulässig gewesen, weil der Beschwerdeführer dadurch in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt worden sei. Durch eine am Begehungstag von der BH vorgenommene Intervention und Aufforderung zur Umlagerung des abgelagerten Schlammes sei von vornherein klar gewesen, um welches Grundstück es sich handle. Die zunächst unrichtige Grundstücksbezeichnung aufgrund eines alten Katasterplanes, der überdies von der M. Gesellschaft mbH dem Gewässeraufsichtsorgan zur Verfügung gestellt worden sei, könne daran nichts ändern. Überdies sei das Grundstück Nr. 93/1 auch in der Begründung des bekämpften Straferkenntnisses, welches innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist erlassen worden sei, erwähnt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung begehrt, sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf, nicht gemäß § 137 Abs. 3 lit. g in Verbindung mit § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 bestraft zu werden, und in seinen Verfahrensrechten als verletzt anzusehen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen des Tatbestandes des § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 mit der Begründung, daß die belangte Behörde von einer Bewilligungspflicht für die ihm vorgeworfenen Ablagerungen nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 in Verkennung der Rechtslage ausgegangen sei.

Diese Rüge ist deswegen berechtigt, weil entgegen der von der belangten Behörde auch noch in ihrer Gegenschrift wiederholten Rechtsauffassung die von ihr als nicht ordnungsgemäß beurteilte Zwischenlagerung im Sinne des zweiten Satzes des § 31b Abs. 1 WRG 1959 der Bewilligungspflicht des ersten Satzes dieser Gesetzesstelle, nicht aber einer solchen nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 unterliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, 95/07/0059). Die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tathandlung konnte den Straftatbestand nach § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 demnach in keinem Fall verwirklichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, 94/07/0116). Die nach § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 erfolgte Bestrafung des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid war schon deshalb rechtswidrig.

Eine weitere Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich aus der vom Beschwerdeführer mit Recht aufgezeigten Unzulässigkeit der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Auswechslung des Grundstückes, auf welchem die vorgeworfenen Ablagerungen vorgenommen wurden. Der Tatort ist essentielles Element der in den Spruch eines Straferkenntnisses nach § 44a Z. 1 VStG aufzunehmenden als erwiesen angenommenen Tat. Wurde der Beschwerdeführer im Straferkenntnis erster Instanz wegen Ablagerungen auf dem Grundstück Nr. 93/2 KG N. bestraft, dann bedeutete die von der belangten Behörde vorgenommene Änderung der Bezeichnung des betroffenen Grundstückes mit einem Grundstück Nr. 93/1, KG N., rechtlich eine Auswechslung der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tat durch eine solche Neubezeichnung des Tatortes, mit dem dieser nicht bloß konkretisiert, sondern im Verhältnis zu dem im erstinstanzlichen Straferkenntnis konkretisiert gewesenen Tatort geändert wurde. Zu einem solchen Austausch eines wesentlichen Tatbestandselementes der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung war die Berufungsbehörde aber auch dann nicht berechtigt, wenn sie damit nur einen der Strafbehörde erster Instanz unterlaufenen Irrtum richtig stellen wollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 1994, 92/07/0139), ohne daß die Frage von Belang wäre, inwieweit die Gesellschaft, für deren Handeln der Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich einzustehen hat, einen solchen Irrtum veranlaßt hatte.

Der angefochtene Bescheid war aus den aufgezeigten Erwägungen demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort falsche Angabe Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996070002.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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