TE Bvwg Beschluss 2021/8/13 W140 2245244-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.08.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.08.2021

Norm

AVG §19
B-VG Art133 Abs4
FPG §46 Abs2a
FPG §46 Abs2b
VwGG §33
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W140 2245244-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alice HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Türkei, vertreten durch den Verein ZEIGE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2021, XXXX beschlossen:

A) Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


BEGRÜNDUNG

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 29.04.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19.09.2018 vollinhaltlich abgewiesen und unter anderem eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 10.06.2021 abgewiesen. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des BFA, XXXX , vom 19.07.2021 wurde dem BF gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG aufgetragen, am 04.08.2021 am türkischen Generalkonsulat in Wien zu erscheinen und relevante Dokumente mitzubringen. Im Fall, dass der BF diesem Auftrag ohne wichtigen Grund nicht Folge leiste, stellte das BFA die Verhängung einer 7-tägigen Haftstrafe in Aussicht. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

Mit Schriftsatz vom 02.08.2021 erhob der BF durch seinen Vertreter vollinhaltlich Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid und führte im Wesentlichen aus, der Bescheid erweise sich infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und der Verletzung von Verfahrensvorschriften als rechtswidrig. Aufgrund des nach wie vor gegen den BF aufrechten Haftbefehls in der Türkei sei eine Vorsprache im türkischen Generalkonsulat für den BF mit der Gefahr der Festnahme und weiteren unabsehbaren Folgen verbunden. Die weiteren Ausführungen in der Beschwerde bezogen sich auf das rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren des BF. Beantragt wurden die Beschwerdestattgabe und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Das BFA legte dem BVwG die Verwaltungsakten mit Schriftsatz vom 05.08.2021 vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Am 10.08.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Mitteilung des BFA ein, in welcher festgehalten wurde, dass das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) eingestellt werde.

Ausgeführt wurde Folgendes:

„Bitte entnehmen Sie gegenständlichem Mail, dass mittlerweile der originale NÜFUS des Herrn XXXX beim BFA aufliegt. Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates wurde daher eingestellt. Der Mitwirkungsbescheid wäre damit zwar obsolet, da jedoch der Verfahrensstand „in Beschwerde“ ist, wäre dieser neue Sachverhalt zu berücksichtigen. 
Hingewiesen sei in dieser Angelegenheit auch auf die Tatsache, dass offensichtlich die Frist zur Erhebung einer Beschwerde bzw. Revision beim VfGH bzw. VwGH im eigentlichen inhaltlichen Verfahren verstrichen ist. Zumindest wurde dem BFA bis dato nicht mitgeteilt, dass ein Verfahren beim Höchstgericht anhängig ist, sodass auch nicht erkannt werden kann, was der Sinn dieser Beschwerde sein soll, zumal sich der Inhalt der Beschwerde eigentlich auf das Asylverfahren bezieht und nicht wirklich auf den Mitwirkungsbescheid. Möglicherweise will man die Versäumnisse im Hauptverfahren hier quasi nachholen.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der dargestellte Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.

Insbesondere wird festgestellt, dass die Behörde nunmehr über den Original-NÜFUS des BF verfügt und das HRZ-Verfahren – im Rahmen dessen dem BF die Mitwirkung zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes bescheidmäßig auferlegt wurde – seitens des BFA amtswegig eingestellt wurde.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt des BFA sowie den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes. Insbesondere wurden dabei das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.06.2021, der Bescheid des BFA vom 19.07.2021, die Beschwerdeschrift vom 02.08.2021 sowie die Mitteilung des BFA vom 10.08.2021 herangezogen. Die Feststellung zur Einstellung des behördlichen Verfahrens ergibt sich aus der Mitteilung des BFA vom 10.08.2021.


3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im gegenständlichen Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gema?ß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zuru?ckzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gema?ß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fa?llen ist. § 28 Abs. 1 VwGVG nimmt die Einstellung des Verfahrens, wozu jedenfalls die Einstellung des Beschwerdeverfahrens zu za?hlen ist, von der Erledigung mittels Erkenntnis ausdru?cklich aus. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich aber auch, dass eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht gefu?hrten Verfahrens nicht in Betracht kommt. Handelt es sich doch bei der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, ein bei ihm anha?ngiges Verfahren nicht weiterzufu?hren, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG (vgl. zur Bejahung der Notwendigkeit der Fa?llung eines Beschlusses u?ber die Verfahrenseinstellung auch Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5 und § 31 VwGVG Anm 5, sowie Schmid in Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Anm K 3 und § 31 VwGVG Anm K 2) [ vgl. VwGH vom 29.04.2015, Zl. Fr 2014/20/0047].

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde oder "des Untergangs" des Beschwerdeführers kann analog zu § 33 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idF BGBl. I Nr. 33/2013, eine Einstellung des Verfahrens auch bei materieller Klaglosstellung des Beschwerdeführers wegen Wegfall des Rechtsschutzinteresses in Betracht kommen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], § 28 VwGVG, Anm. 5).

Weiters führte der VwGH in seiner Entscheidung vom 27.02.2019 (Ro 2017/10/0032) Folgendes aus: „§ 33 Abs. 1 VwGG lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem VwGH versteht. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, ist diese unzulässig, fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens (vgl. B 30. Jänner 2013, 2011/03/0228; B 23. Oktober 2013, 2013/03/0111; B 9. September 2015, Ro 2015/03/0028). Diese Überlegungen über das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses als Voraussetzung für eine zulässige Beschwerdeerhebung können auch auf das Verfahren vor dem VwG übertragen werden (vgl. E 28. Jänner 2016, Ra 2015/11/0027).“

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auch dann eintreten, wenn auf andere Weise als durch Abänderung des angefochtenen Bescheides im Sinne des Beschwerdeführers durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung im Nachhinein wegfällt (vgl. zB VwGH 17.12.2007, 2005/12/0153, mwN).

Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist immer dann zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung des Einzelnen keinen Unterschied macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles keinen objektiven Nutzen hat (vgl. VwGH Ro 2016/21/0008 v. 30.06.2016).


Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben:

Die Behörde verfügt nunmehr über den originalen NÜFUS des BF, sodass das HRZ- Verfahren eingestellt wurde. Eine Vorsprache des BF vor dem türkischen Generalkonsulat ist nicht mehr notwendig, die im Bescheid auferlegte Verpflichtung des BF entfällt. Daraus folgt, dass das Rechtsschutzinteresse des BF – durch die Einstellung des HRZ-Verfahrens durch das BFA – weggefallen ist.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt B) Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Gegenstandslosigkeit Heimreisezertifikat Mitwirkungsauftrag Verfahrenseinstellung Wegfall des Rechtsschutzinteresses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W140.2245244.1.00

Im RIS seit

03.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten