TE Bvwg Beschluss 2021/12/20 W170 2241686-1

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Veröffentlicht am 20.12.2021
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Entscheidungsdatum

20.12.2021

Norm

B-VG Art135 Abs4
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art89 Abs2
HGG 2001 §51 Abs1
ZDG §1 Abs5
ZDG §34 Abs2
ZDG §34 Abs3
ZDG §34 Abs4
ZDG §77 Abs1 Z2

Spruch


W170 2241686-1/5Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Thomas MARTH im Verfahren über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Heerespersonalamts vom 11.03.2021, GZ P132714/3-HPA/2021, betreffend Wohnkostenbeihilfe:

Das Bundesverwaltungsgericht stellt gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den

Antrag

die Wortfolge „51 Abs. 1“ in § 34 Abs. 2 ZDG, die Wortfolgen „und Wohnkostenbeihilfe“ und „Diese hat den Antrag an das Heerespersonalamt weiterzuleiten.“ in § 34 Abs. 3 ZDG, § 34 Abs. 4 sowie die Wortfolge „§ 34 Abs. 3“ in § 77 Abs. 1 Z 2 ZDG

in eventu

die Wortfolgen „Bestimmungen des 5. Hauptstückes des HGG 2001 sowie dessen“ und „51 Abs. 1“ in § 34 Abs. 2 ZDG, die Wortfolgen „und Wohnkostenbeihilfe“ und „Diese hat den Antrag an das Heerespersonalamt weiterzuleiten.“ in § 34 Abs. 3 ZDG, § 34 Abs. 4 sowie die Wortfolge „§ 34 Abs. 3“ in § 77 Abs. 1 Z 2 ZDG

in eventu

die Wortfolge „51 Abs. 1“ in § 34 Abs. 2 ZDG, § 34 Abs. 3 erster und dritter Satz ZDG, § 34 Abs. 4 ZDG sowie die Wortfolge „§ 34 Abs. 3“ in § 77 Abs. 1 Z 2 ZDG;

in eventu

die Wortfolgen „Bestimmungen des 5. Hauptstückes des HGG 2001 sowie dessen“ und „51 Abs. 1“ in § 34 Abs. 2 ZDG, § 34 Abs. 3 erster und dritter Satz ZDG, § 34 Abs. 4 sowie die Wortfolge „§ 34 Abs. 3“ in § 77 Abs. 1 Z 2 Zivildienstgesetz 1986

als verfassungswidrig aufzuheben.


Text


Begründung:

I. Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 05.11.2020 einer näher genannten Einrichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zugewiesen. Mit Bescheid des Heerespersonalamtes vom 11.03.2021 wurde sein Antrag auf Zuerkennung von Wohnkostenbeihilfe gemäß § 34 ZDG 1986 iVm dem 5. Hauptstück des HGG 2001 HGG 2001 wegen des Umstandes, dass die Wohnung erst nach Zuweisung zum Zivildienst angemietet wurde, abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde und führte begründend aus, dass er auf Grund seiner Lebenssituation gezwungen gewesen sei, die Wohnung anzumieten.

3. Im Lichte der VfGH Rechtsprechung zur Verfassungswidrikeit der Zuständigkeit des Heerespersonalamtes zur Entscheidung über Entschädigungsansprüche Zivildienstleistender hegte das Bundesverwaltungsgericht Bedenken über die Verfassungsmäßigkeit der Zuständigkeit des Heerespersonalamtes zur Entscheidung über Familienunterhalt, Partnerunterhalt, und Wohnkostenbeihilfe Zivildienstleistender. Das Bundesverwaltungsgericht beantragte daher § 34 Abs. 3 erster und dritter Satz und Abs. 4 sowie die Wortfolge „§ 34 Abs. 3“ in § 77 Abs. 1 Z 2 Zivildienstgesetz 1986 als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Beschluss vom 29.09.2021, G142-2021-4 ua., wies der Verfassungsgerichtshof die Anträge als zu eng gefasst zurück, zumal sich die Zuständigkeit des Heerespersonalamtes zur Entscheidung über Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe auch bei Wegfall des § 34 Abs. 3 ZDG aus § 34 Abs. 2 leg. cit. ergebe, da dieser die Anwendbarkeit von unter anderem § 51 Abs. 1 HGG 2001 vorsehe, welcher wiederum die Zuständigkeit des Heerespersonalamtes zur Erlassung von Bescheiden festlege sofern nicht anderes bestimmt sei.

II. Zur Zulässigkeit des Antrages

1. Zum anfechtungsberechtigten Gericht

Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß Art. 89 in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG, verpflichtet, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes zu stellen, gegen dessen Anwendung es aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat.

Derartige Bedenken sind seitens des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf die im Spruch angeführte Norm entstanden.

2. Zum zur Anfechtung zuständigen Spruchkörper

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist; da eine solche Norm nicht zu finden ist, ist gegenständlich zur Behandlung der anhängigen Beschwerde und somit zu Anfechtung der unterfertigende Einzelrichter zuständig.

3. Zur Präjudizialität und zum Anfechtungsumfang

Gemäß § 27 1. Fall VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. § 27 VwGVG ist daher zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht – hier das Bundesverwaltungsgericht – immer zu überprüfen hat, ob die zuständige Behörde entschieden hat.

Daher sind die angefochtenen Normen, die die Zuständigkeit der Behörde regeln, im gegenständlichen Verfahren für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts präjudiziell.

Hinsichtlich der Einbeziehung der Wortfolge „51 Abs. 1“ in § 34 Abs. 2 ZDG in den Anfechtungsumfang wird auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 29.09.2021, G142-2021-4 ua., verwiesen.

In Lichte der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Beschluss vom 29.09.2021, G142-2021-4 ua., (siehe letzter Absatz) erscheint es angebracht, im Hauptantrag in § 34 Abs. 2 ZDG die Wortfolgen „Bestimmungen des 5. Hauptstückes des HGG 2001 sowie dessen“ und „51 Abs. 1“ anzufechten, sicherheitshalber aber wird aber im Lichte der Präjudizialiät auch nur der Verweis auf § 51 Abs. 1 HGG in § 34 Abs. 2 ZDG angefochten.

Dass hinsichtlich § 34 Abs. 3 ZDG die Wortfolgen „und Wohnkostenbeihilfe“ und „Diese hat den Antrag an das Heerespersonalamt weiterzuleiten.“ im Hauptantrag angefochten werden, erscheint im Lichte der Präjudizialität geboten, sicherheitshalber – um den Antrag nicht wieder zu eng zu fassen – werden im Eventualantrag aber der gesamte 1. von § 34 Abs. 3 ZDG statt allein die Wortfolge „und Wohnkostenbeihilfe“ angefochten.

III. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften:

§§ 1 Abs. 5, 34 und 77 ZDG lauten auszugsweise:

"Abschnitt I

Allgemeine Grundsätze

§ 1. (Verfassungsbestimmung) […]

(5) Der Zivildienst ist außerhalb des Bundesheeres zu leisten.

[…]

§ 34. (1) Der Zivildienstpflichtige, der
1.         einen ordentlichen Zivildienst oder
2.         einen außerordentlichen Zivildienst gemäß § 8a Abs. 6 im Anschluss an einen in Z 1 genannten Zivildienst leistet,

hat Anspruch auf Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe, wie er einem Wehrpflichtigen nach § 23 HGG 2001 zusteht.

(2) Auf den Familienunterhalt, den Partnerunterhalt und die Wohnkostenbeihilfe sind die Bestimmungen des 5. Hauptstückes des HGG 2001 sowie dessen §§ 50, 51 Abs. 1, 54 Abs. 1 bis 5 und 55 nach Maßgabe des Abs. 3 anzuwenden. Dabei treten an die Stelle
1.         der militärischen Dienststelle die Einrichtung, die im Zuweisungsbescheid angegeben ist (§ 11 Abs. 1) und

3.       der Wirksamkeit der Einberufung im Sinne des § 23 Abs. 3 HGG 2001 die Genehmigung des Zuweisungsbescheides.

(3) Zur Erlassung von Bescheiden über Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe von Zivildienstpflichtigen ist das Heerespersonalamt zuständig. Der Antrag auf Zuerkennung oder Änderung von Familienunterhalt, Partnerunterhalt oder Wohnkostenbeihilfe kann auch bei der Gemeinde eingebracht werden, in der der Zivildienstpflichtige seinen Hauptwohnsitz hat. Diese hat den Antrag an das Heerespersonalamt weiterzuleiten. Die Auszahlung des Familienunterhalts, des Partnerunterhaltes und der Wohnkostenbeihilfe erfolgt durch die Zivildienstserviceagentur. Die dem Zivildienstleistenden gebührenden Geldleistungen sind so rechtzeitig zu überweisen, dass ihm diese am Dienstantrittstag für den laufenden Monat, für die übrige Zeit jeweils am ersten jeden Monats im Voraus zur Verfügung stehen.

(4) Über Beschwerden gegen Bescheide des Heerespersonalamtes gemäß Abs. 3 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.

§ 77. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist hinsichtlich

[…]

2. des § 5 Abs. 1 bis 3, 4 letzter Halbsatz, § 6 Abs. 5, § 32 Abs. 6, § 34 Abs. 3 sowie § 76a Abs. 2 der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport;

[…] betraut.“

Die Bestimmungen des 5. Hauptstücks sowie § 50 ff HGG 2001 lauten auszugsweise soweit hier relevant:

„5. Hauptstück
Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe

1. Abschnitt
Gemeinsame Bestimmungen

Ansprüche

§ 23.
(1) Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe kann Anspruchsberechtigten gebühren, die den Grundwehrdienst oder den Wehrdienst als Zeitsoldat oder den Ausbildungsdienst leisten, auf deren Antrag und für die Dauer eines solchen Wehrdienstes, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

[…]

4. Abschnitt
Verfahren

Allgemeines

§ 33.
(1) Der Antrag auf Zuerkennung oder Änderung von Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe kann eingebracht werden

1. beim Heerespersonalamt oder

2. nach Antritt des Wehrdienstes auch bei jener militärischen Dienststelle, bei der der Anspruchsberechtigte Dienst zu leisten hat.

Diese Dienststelle hat den Antrag und die beigebrachten Unterlagen unverzüglich an das Heerespersonalamt weiterzuleiten. 

Mitteilungspflicht

§ 34.
(1) Anspruchsberechtigte und Empfänger von Leistungen nach diesem Hauptstück sind verpflichtet, jede Änderung der für die Bemessung dieser Leistungen maßgebenden Umstände ehestmöglich, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Kenntnis der die Änderung begründenden Tatsachen dem Heerespersonalamt mitzuteilen. Nach Antritt des Wehrdienstes kann die Mitteilung auch bei jener militärischen Dienststelle eingebracht werden, bei der der Anspruchsberechtigte Dienst zu leisten hat. Diese Dienststelle hat das Heerespersonalamt unverzüglich über diese Mitteilung zu informieren.

Auszahlung

§ 35.

[…]

(3) Der Familienunterhalt, Partnerunterhalt und die Wohnkostenbeihilfe sind am 15. jeden Monates auszuzahlen. Diese Geldleistungen sind auf Wunsch der zum Empfang der Leistung berechtigten Person auf ein Konto zu überweisen. Die hiefür erforderlichen Angaben sind dem Heerespersonalamt oder nach Antritt des Wehrdienstes jener militärischen Dienststelle bekannt zu geben, bei der der Anspruchsberechtigte Dienst zu leisten hat.

[…]

Strafbestimmung

§ 50.
Wer den im § 33 Abs. 4, § 34 Abs. 1 erster Satz oder im § 43 Abs. 5 festgelegten Pflichten zuwiderhandelt oder in den Fällen des § 33, § 34 Abs. 1 oder des § 43 unwahre oder unvollständige Angaben macht, begeht, sofern diese Tat nicht einen gerichtlich strafbaren Tatbestand darstellt, eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, von der Landespolizeidirektion mit Geldstrafe bis zu 700 Euro zu bestrafen.

Zuständigkeiten und verfahrensrechtliche Sonderbestimmungen

§ 51.

(1)      Die Zuständigkeit zur Erlassung von Bescheiden nach diesem Bundesgesetz obliegt, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, dem Heerespersonalamt.

[…]

Gemeinsame Bestimmungen für die Auszahlung

§ 54.
(1) Fällt ein in diesem Bundesgesetz normierter Auszahlungstag auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so sind diese Beträge an jenem Tag auszuzahlen, der diesem Auszahlungstag unmittelbar vorangeht und nicht selbst ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag ist. Beträge, deren Auszahlung während einer dem Wehrpflichtigen gewährten Dienstfreistellung fällig wird, sind am Tag vor Beginn der Dienstfreistellung auszuzahlen. Dies gilt nicht für Beträge, die unbar ausgezahlt werden.

(2) Erstreckt sich ein Anspruch auf monatlich auszuzahlende Leistungen nur auf einen Teil des Kalendermonates oder ändert sich im Laufe des Kalendermonates die Höhe dieser Leistungen, so gebührt für jeden Kalendertag der verhältnismäßige Teil der entsprechenden Leistung.

(3) Beträge nach diesem Bundesgesetz sind nötigenfalls auf ganze Cent kaufmännisch zu runden.

(4) Ist eine Auszahlung von Beträgen zum gesetzlich normierten Zeitpunkt nicht möglich, so sind sie ehestmöglich auszuzahlen, bar auszuzahlende Beträge spätestens bei der Entlassung des Anspruchsberechtigten aus dem Wehrdienst. Dies gilt auch, wenn kein Auszahlungszeitpunkt normiert ist. Eine vorzeitige Auszahlung ist zulässig, wenn sie aus organisatorischen Gründen, die mit der Durchführung der Auszahlung in Zusammenhang stehen, notwendig ist.

(5) Geldleistungen nach diesem Bundesgesetz sind auf ein Konto zu überweisen, sofern nicht zwingende militärische Erfordernisse entgegenstehen.

[…]

Übergenuss

§ 55.
(1) Zu Unrecht empfangene Beträge (Übergenüsse) sind, soweit sie nicht im guten Glauben empfangen worden sind, dem Bund zu ersetzen. Sie sind vom Heerespersonalamt hereinzubringen.

(2) Die rückforderbaren Übergenüsse sind durch Abzug von den nach diesem Bundesgesetz gebührenden Beträgen hereinzubringen. Hiebei können Raten festgesetzt werden. Bei der Festsetzung der Raten ist auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ersatzpflichtigen Rücksicht zu nehmen. Ist die Hereinbringung durch Abzug nicht möglich, so ist der Ersatzpflichtige zum Ersatz zu verhalten. Leistet der Ersatzpflichtige nicht Ersatz, so sind die rückforderbaren Übergenüsse nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 (VVG), BGBl. Nr. 53, hereinzubringen. Die Stellung des Anspruchsberechtigten nach § 3 VVG kommt dabei dem Heerespersonalamt als Vertreter des Bundes zu. Die Verpflichtung zum Ersatz ist auf Verlangen mit Bescheid festzustellen. Soweit die Ersatzforderung des Bundes durch Abzug hereinzubringen ist, geht sie den Forderungen anderer Personen vor.

(3) Aus berücksichtigungswürdigen Gründen kann die Rückzahlung gestundet werden. Von der Hereinbringung rückforderbarer Übergenüsse kann ganz oder teilweise Abstand genommen werden, wenn die Hereinbringung eine besondere Härte bedeuten würde oder wenn das Verfahren zur Hereinbringung mit Kosten und Weiterungen verbunden wäre, die in keinem Verhältnis zum Rückforderungsbetrag stehen würden.“

IV. Verfassungsrechtliche Bedenken:

1. Die antragsgegenständlichen Normen sehen die Zuständigkeit des Heerespersonalamtes zur Erlassung von Bescheiden über Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe von Zivildienstpflichtigen vor. Davor waren die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig, über derartige Anträge von Zivildienstpflichtigen mit Bescheid abzusprechen.

Diese Zuständigkeit des Heerespersonalamtes wurde mit Art 86 des Budgetbegleit-Gesetzes 2011, BGBl. I. Nr. 111/2010, als Novelle zum Zivildienstgesetz 1986 normiert. Die Erläuternden Bemerkungen dazu (981 dB, XXIV GP) sehen Folgendes vor:

„Eine diesbezügliche Kompetenzverteilung von den Bezirksverwaltungsbehörden zum Heerespersonalamt (HPA) erscheint wesentlich praktikabler, als die Entscheidungskompetenz zur Zivildienstserviceagentur (ZISA) zu verlagern, zumal das HPA seit Jahren mit diesen Tätigkeiten vertraut ist und über entsprechendes Fachwissen bzw. Infrastruktur verfügt. Darüber hinaus wird damit einer Forderung der Landeshauptleutekonferenz entsprochen.“

2. Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17.06.2021, G47/2021 ua, hat der Verfassungsgerichtshof die Zeichenfolge "51 Abs. 1," in § 34b Abs. 2 ZDG, als verfassungswidrig aufgehoben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

§ 3 Abs. 1 ZDG ordnet an, dass der Zivildienstpflichtige zu Dienstleistungen heranzuziehen ist, die der zivilen Landesverteidigung oder sonst dem allgemeinen Besten dienen. Die in der Staatszielbestimmung des Art. 9a B-VG vorgesehene, strukturelle Aufzählung der militärischen, geistigen, zivilen und wirtschaftlichen Landesverteidigung verdeutlicht die verfassungsrechtlich gebotene Gliederung und Gestaltungsnotwendigkeit der umfassenden Landesverteidigung (vgl Neisser, Art9a B-VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 7. Lfg. 2011, Rz 6 f.). Der (Verfassungs-)Gesetzgeber wollte mit der Erlassung des Zivildienstgesetzes 1974, BGBl 187, und nachfolgend mit der Novelle 1994, BGBl 187, nicht – wie im Wehrgesetz 1955 – punktuelle Regelungen für den Wehrersatzdienst treffen, sondern zwei grundsätzlich voneinander getrennte Systeme schaffen. Dieser gesetzgeberische Wille spiegelt sich auch in den – bereits im Prüfungsbeschluss dargelegten – Materialien zum Zivildienstgesetz 1974, BGBl 187, wider. Die Entflechtung von Personen, die den Dienst mit der Waffe ablehnen, vom sonstigen Apparat des Bundesheeres wurde […] seit der Einführung des Zivildienstes im Jahr 1974 auf einfachgesetzlicher Ebene umfassend umgesetzt. Die Vollziehung des Zivildienstgesetzes wurde nahezu gänzlich der Zuständigkeit des Bundesministers für Landesverteidigung entzogen.

Zutreffend weist die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die österreichische Bundesverfassung den Bereich der zivilen Gewalt und jenen der militärischen Gewalt strikt voneinander trennt. Aus der expliziten Anordnung des §1 Abs. 5 ZDG, wonach der Zivildienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten ist, sowie aus dem in §1 Abs. 1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht folge die Zuordnung des Zivildienstes zur zivilen Gewalt. Eine Verknüpfung der beiden grundsätzlich getrennten Systeme, die sich nicht schon aus der Wehrpflicht ergebe (insbesondere Stellungsverfahren und Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht), komme daher nur in engen Grenzen in Betracht.

Der (Verfassungs-)Gesetzgeber hat somit […] zwei grundsätzlich getrennte Systeme geschaffen, die jeweils unterschiedlichen Gewalten zuzurechnen sind – der militärischen und der zivilen Gewalt.

[…] Mit der Vollziehung von Verwaltungsangelegenheiten im Bereich des Zivildienstes durch eine dem Bundesminister für militärische Angelegenheiten organisatorisch untergeordnete Behörde wird den Zielen des (Verfassungs-)Gesetzgebers nicht Rechnung getragen, zumal diese Behörde funktionell den Zwecken des Bundesheeres dient (vgl. zum Begriff der Heeresverwaltung Truppe, Art79 B-VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 9. Lfg. 2012, Rz 12).

Der Verfassungsgerichtshof geht vor diesem Hintergrund nach wie vor davon aus, dass angesichts des vom Verfassungsgesetzgeber vorgefundenen und zugrunde gelegten Systems der seit der ZDG-Novelle 1994, BGBl 187, im Verfassungsrang bestehenden Norm des § 1 Abs. 5 ZDG die Bedeutung beizumessen ist, dass (auch) sämtliche im Zusammenhang mit dem Zivildienst stehende Verwaltungsaufgaben nicht von Behörden besorgt werden dürfen, die – wie das Heerespersonalamt – organisatorisch dem Bundesminister für militärische Landesverteidigung unterstehen, zumal diese Behörde funktionell den Zwecken des Bundesheeres dient.“

Im Lichte dieser Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes müssen bei der immer noch bestehenden Einbindung des Heerespersonalamtes bei der Zuerkennung von Wohnkostenbeihilfe für Zivildiener verfassungsrechtliche Bedenken entstehen, da hier im Wesentlichen eine mit der dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu Grunde liegende Verflechtung zwischen Zivildienst und Heerespersonalamt vorzufinden ist.

3. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes treffen die oben angeführten vom Verfassungsgerichtshof erkannten Bedenken der Verfassungsmäßigkeit in gleicher Art auch auf die durch die angefochtenen Normen des ZDG normierte Zuweisung der Vollzugsaufgabe der Erlassung von Bescheiden über Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe von Zivildienstpflichtigen an das Heerespersonalamt zu.

V. Hemmung der Entscheidungsfrist

Gemäß § 34 Abs. 2 Z 2 VwGVG wird die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof ex lege nicht in die Entscheidungsfrist eingerechnet.

Schlagworte

Gesetzprüfungsantrag Präjudizialität verfassungsrechtliche Bedenken Wohnkostenbeihilfe Zivildienst Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W170.2241686.1.01

Im RIS seit

31.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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