TE Bvwg Beschluss 2021/11/2 W128 2247507-1

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Veröffentlicht am 02.11.2021
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Entscheidungsdatum

02.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art14 Abs7a
SchOG §3
SchPflG 1985 §1
SchPflG 1985 §11
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §5 Abs1
SchUG §25 Abs1
SchUG §25 Abs2
SchUG §42
StGG Art17
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §28 Abs4

Spruch


W128 2247507-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN als Einzelrichter über die Beschwerde der mj. XXXX (Erstbeschwerdeführerin), vertreten durch die Kindesmutter, XXXX (Zweitbeschwerdeführerin), beide vertreten durch HÄMMERLE & HÄMMERLE Rechtsanwälte GmbH, 8786 Rottenmann, Hauptplatz 111, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Steiermark vom 27.09.2021, Zl. VIIIHa18/374-2021:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bildungsdirektion für Steiermark zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Formularantrag vom 29.06.2021 zeigte die Zweitbeschwerdeführerin die Teilnahme von XXXX , geb. XXXX (Erstbeschwerdeführerin) am häuslichen Unterricht auf der 7. Schulstufe im Schuljahr 2021/2022 an.

2. Mit Schreiben vom 06.08.2021 teilte die belangte Behörde der Zweitbeschwerdeführerin mit, dass eine Bearbeitung der Anzeige nicht möglich sei, da der erfolgreiche Abschluss der zuletzt besuchten Schulstufe zwingende Voraussetzung für die Teilnahme am häuslichen Unterricht sei. Gegenständlich habe die Zweitbeschwerdeführerin kein Zeugnis vorgelegt, womit der erfolgreiche Abschluss verbunden sei. Die Zweitbeschwerdeführerin habe nach Absolvierung einer zulässigen Wiederholungsprüfung der Behörde ein entsprechendes Zeugnis vorzulegen.

3. Mit dem bekämpften Bescheid untersagte die belangte Behörde die Teilnahme der Erstbeschwerdeführerin am angezeigten häuslichen Unterricht und ordnete an, dass die Erstbeschwerdeführerin im Schuljahr 2021/2022 ihre Schulpflicht in einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen habe. Begründend wird ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin im Schuljahr 2020/2021 die 6. Schulstufe besucht und diese nicht erfolgreich abgeschlossen habe, da das Jahreszeugnis ein „Nicht Genügend“ aufweise. Die für den häuslichen Unterricht erforderliche Externistenprüfung könne daher gemäß § 42 Abs. 6 SchUG nicht rechtzeitig abgelegt werden. Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde ausgeschlossen.

4. Mit Schriftsatz vom 08.10.2021 erhoben die Beschwerdeführerinnen durch ihre rechtsfreundliche Vertretung rechtzeitig die verfahrensgegenständliche Beschwerde. Begründend wird moniert, dass die Erstbeschwerdeführerin trotz des „Nicht genügend“ im Pflichtgegenstand Mathematik zum Aufsteigen berechtigt sei und daher bereits deshalb (und ohne Antreten zu einer Wiederholungsprüfung) die 6. Schulstufe erfolgreich abgeschlossen habe. Die Behörde habe daher willkürlich gehandelt und wolle damit erreichen, dass die Erstbeschwerdeführerin trotz Corona-Maßnahmen die Schule im Präsenzbetrieb zu besuchen habe. Darüber hinaus habe die belangte Behörde nicht dargelegt, inwiefern ein großes öffentliches Interesse vorliege, um den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu rechtfertigen.

5. Mit Schreiben vom 20.10.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 29.06.2021 wurde die Teilnahme der schulpflichtigen Erstbeschwerdeführerin am häuslichen Unterricht auf der 7. Schulstufe im Schuljahr 2021/2022 angezeigt. Im Rahmen der Anzeige wurde nicht angegeben, auf welcher Schulstufe und aufgrund welcher Schulart der häusliche Unterricht stattfinden soll. Als Angabe über den zu unterrichtenden Lehrplan scheint der Vermerk „Lehrplan Österreich“ auf. Als Information über Kenntnisse und Bezugsquelle vermerkte die Zweitbeschwerdeführerin: „Ja, Bundesministerium Bildung und Schulbücher der Sprengelschule“.

Die Erstbeschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 2020/2021 die Klasse 2c (6. Schulstufe) des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums XXXX (BG/BRG XXXX ). Die besuchte Schulart war das Gymnasium, Realgymnasium, wirtschaftskundliches Realgymnasium (mit verordneter Stundentafel), 1. und 2. Klasse.

Das Jahreszeugnis vom 09.07.2021 enthält im Pflichtgegenstand „Mathematik“ die Beurteilung „Nicht genügend“. Die Erstbeschwerdeführerin ist zum Aufsteigen in die 3. Klasse (7. Schulstufe) und zur Ablegung einer Wiederholungsprüfung in Mathematik berechtigt.

Zur Wiederholungsprüfung ist die Erstbeschwerdeführerin nicht angetreten.

Im behördlichen Verfahren wurden notwendige Ermittlungen des Sachverhalts nicht einmal ansatzweise geführt. Ein abschließender, für die Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Rechtslage relevanter Sachverhalt konnte nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, im Besonderen aus der Anzeige des „häuslichen Unterrichts“ sowie dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde. Die o.a. Feststellungen konnten auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei getroffen werden. Insbesondere ist auf das Jahreszeugnis und das Anzeigeformular zu verweisen.

Dass die Erstbeschwerdeführerin nicht zur Wiederholungsprüfung angetreten ist, wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 03.11.2021 von der Schulleitung des BG/BRG XXXX mitgeteilt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu A)

3.2.1. Art. 17 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867 lautet (auszugsweise):

„[…] Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu ertheilen, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.

Der häusliche Unterricht unterliegt keiner solchen Beschränkung.

[…]

Dem Staate steht rücksichtlich des gesammten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu.“

Gemäß § 1 Schulpflichtgesetz (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idgF besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht […].

Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September und dauert neun Schuljahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen […] zu erfüllen.

§ 11 SchPflG lautet (auszugsweise):

„Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht

§ 11. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann […] auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.

[…]

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.“

§ 3 Schulorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 242/1962, idgF lautet (auszugsweise):

„§ 3. Gliederung der österreichischen Schulen

(1) Das österreichische Schulwesen stellt in seinem Aufbau eine Einheit dar. Seine Gliederung wird durch die Alters- und Reifestufen, die verschiedenen Begabungen und durch die Lebensaufgaben und Berufsziele bestimmt. Der Erwerb höherer Bildung und der Übertritt von einer Schulart in eine andere ist allen hiefür geeigneten Schülern zu ermöglichen. Schüler und Eltern sind über die Aufgaben und Voraussetzungen der verschiedenen Schularten zu informieren und insbesondere in der 4. und 8. Schulstufe sowie vor dem Abschluß einer Schulart über den nach den Interessen und Leistungen des Schülers empfehlenswerten weiteren Bildungsweg zu beraten.

(2) Die Schulen gliedern sich
1.         nach ihrem Bildungsinhalt in:
a)         allgemeinbildende Schulen,
b)         berufsbildende Schulen,
2.         nach ihrer Bildungshöhe in:
a)         Primarschulen,
b)         Sekundarschulen.

[…]

(4) Sekundarschulen sind
[…]
2.         die Mittelschule,
[…]
7.         die höheren Schulen.

(6) Pflichtschulen sind

1.       die allgemeinbildenden Pflichtschulen (Volksschulen, Mittelschulen, Sonderschulen, Polytechnische Schulen),

2.       die berufsbildenden Pflichtschulen (Berufsschulen).“

Gemäß § 25 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz (SchUG), BGBl. Nr. 472/1986, idgF ist ein Schüler zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn er die Schulstufe erfolgreich abgeschlossen hat. Eine Schulstufe ist erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält. Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in höchstens einem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält und dieser Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit „Befriedigend“ beurteilt wurde.

Gemäß § 25 Abs. 2 SchUG ist ein Schüler ferner zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn das Jahreszeugnis zwar in einem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält, aber

a) der Schüler nicht auch schon im Jahreszeugnis des vorhergegangenen Schuljahres in demselben Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ erhalten hat,

b) der betreffende Pflichtgegenstand - ausgenommen an Berufsschulen - in einer höheren Schulstufe lehrplanmäßig vorgesehen ist und

c) die Klassenkonferenz feststellt, daß der Schüler auf Grund seiner Leistungen in den übrigen Pflichtgegenständen die Voraussetzungen zur erfolgreichen Teilnahme am Unterricht der nächsthöheren Schulstufe im Hinblick auf die Aufgabe der betreffenden Schulart aufweist.

§ 42 SchUG lautet (auszugsweise):

„Externistenprüfungen

§ 42. (1) Die mit dem Zeugnis über den erfolgreichen Besuch einer Schulstufe oder einer Schulart (Form bzw. Fachrichtung einer Schulart) sowie die mit der erfolgreichen Ablegung einer Reifeprüfung, Reife- und Diplomprüfung, Diplomprüfung oder Abschlußprüfung verbundenen Berechtigungen können auch ohne vorhergegangenen Schulbesuch durch die erfolgreiche Ablegung einer entsprechenden Externistenprüfung erworben werden.

[…]

(6) Grundvoraussetzung für die Zulassung zur Ablegung einer Externistenprüfung ist, daß der Prüfungskandidat zum (ersten) Prüfungstermin nicht jünger ist als ein Schüler bei Absolvierung des betreffenden Bildungsganges ohne Wiederholen oder Überspringen von Schulstufen wäre. Soweit es sich um eine Externistenprüfung handelt, die einer Reifeprüfung, einer Reife- und Diplomprüfung, einer Diplomprüfung oder einer Abschlußprüfung entspricht, bezieht sich dieses Alterserfordernis auf den Zeitpunkt der Zulassung zur Hauptprüfung. Hat der Prüfungskandidat vor dem Antritt zur Externistenprüfung eine Schule besucht und eine oder mehrere Stufen dieser Schule nicht erfolgreich abgeschlossen, so darf er zur Externistenprüfung über eine Schulstufe der betreffenden Schulart (Form, Fachrichtung) oder über die Schulart (Form, Fachrichtung) frühestens zwölf Monate nach der zuletzt nicht erfolgreich abgeschlossenen Schulstufe antreten.

[…]

(14) Die Bestimmungen über die Ablegung von Externistenprüfungen gelten auch für die auf Grund der §§ 11 Abs. 4, 13 Abs. 3 und § 22 Abs. 4 des Schulpflichtgesetzes 1985 abzulegenden Prüfungen zum Nachweis des zureichenden Erfolges des Besuches von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht oder häuslichen Unterrichtes sowie des Besuches von im Ausland gelegenen Schulen.

[…]“

§ 14 Steiermärkisches Pflichtschulerhaltungsgesetz 2004, LGBl. Nr. 71/2004 lautet:

„Schulsprengel

§ 14

Schulsprengel (Pflicht- und Berechtigungssprengel)

(1) Als Sprengel von Pflichtschulen werden im Folgenden jene örtlichen Gebiete bezeichnet, die das Einzugsgebiet einer Pflichtschule bilden. Durch die Sprengel wird der räumliche Umfang der Schul-erhaltungspflicht der gesetzlichen Schulerhalter begrenzt.

(2) Unter Pflichtsprengel ist jenes Gebiet zu ver-stehen, in dem die dort wohnenden schulpflichtigen Kinder, die eine öffentliche Pflichtschule im Sinne -dieses Gesetzes (§ 1 Abs. 2) besuchen, verpflichtet sind, die betreffende Schule zu besuchen.

(3) Unter Berechtigungssprengel ist jenes Gebiet zu verstehen, in dem die dort wohnenden Kinder, soweit sie die Eignung zum Besuch der betreffenden Schule haben, berechtigt sind, die Schule zu besuchen.“

§ 17 Steiermärkisches Pflichtschulerhaltungsgesetz 2004, LGBl. Nr. 71/2004 idF LGBl. Nr. 60/2019 lautet:

㤠17

Mittelschulsprengel

(1) Der Schulsprengel einer öffentlichen Mittelschule umfasst den Volksschulsprengel, in dem sich die Mittelschule befindet, und weiters nach der Zumutbarkeit des Schulweges jene Ortschaften, in denen Kinder wohnen, die für den Besuch einer Mittelschule in Betracht kommen.

(2) Jede Gemeinde oder Teile von solchen haben einem Schulsprengel einer öffentlichen Mittelschule anzugehören.

(3) Die Schulsprengel der öffentlichen Mittelschulen haben lückenlos aneinander zu grenzen.“

3.2.2. Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 42 SchUG, was unter der in § 11 Abs. 4 SchPflG 1985 angeordneten "Prüfung" zu verstehen ist. Aus diesen Regelungen folgt insbesondere auch, dass der "Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts" iSd § 11 Abs. 4 SchPflG 1985 nur durch eine entsprechend den Bestimmungen über die Externistenprüfungen (§ 42 SchUG 1986) abgelegte Prüfung erbracht werden kann. Daraus erhellt, dass die in § 11 Abs. 4 SchPflG 1985 genannte Prüfung ohne Einschränkung - somit auch hinsichtlich der Zulassung zu dieser Prüfung - dem Regelungsregime des § 42 SchUG 1986 unterliegt.

Da die Regelung des § 42 Abs. 6 letzter Satz SchUG 1986 - wie die Regelungen des § 42 SchUG 1986 zu Externistenprüfungen generell - auf die Prüfung iSd § 11 Abs. 4 SchPflG 1985 anzuwenden ist, darf diese zum Nachweis des zureichenden Erfolges des für ein bestimmtes Schuljahr angezeigten Unterrichtes normierte Prüfung gar nicht vor Schulschluss dieses Schuljahres abgelegt werden. Dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat, ergibt sich auch aus § 11 Abs. 4 SchPflG 1985, wonach für den Fall, dass der zureichende Erfolg dieses Unterrichts für eine Schulstufe nicht nachgewiesen wird, die Erfüllung der Schulpflicht iSd § 5 leg.cit. anzuordnen ist, und somit der weitere Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht bzw. die Teilnahme am häuslichen Unterricht nicht mehr in Betracht kommt (siehe VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007, m.w.N.).

3.2.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Im Jahreszeugnis vom 09.07.2021 wurde der Pflichtgegenstand Mathematik unstrittig mit „Nicht genügend“ beurteilt. Daher hat die Erstbeschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 SchUG die 6. Schulstufe am BG/BRG XXXX nicht erfolgreich abgeschlossen. Daran ändert auch der Hinweis der Beschwerdeführerinnen nichts, die Erstbeschwerdeführerin könne in die 7. Schulstufe aufsteigen, da der Gesetzgeber in § 25 Abs. 1 und 2 SchUG zwischen dem erfolgreichen Abschluss einer Schulstufe und der – trotz nicht erfolgreichem Abschluss gegebenen – Berechtigung zum Aufsteigen unterscheidet. Ein Wiederholen der 6. Schulstufe im Rahmen des häuslichen Unterrichts ist nach der obzitierten Judikatur des VwGH nicht möglich. Ebenso ist es aufgrund § 42 Abs. 6 SchUG nicht möglich zeitgerecht eine Externistenprüfung über den Stoff der 7. Schulstufe der Schulart Gymnasium, Realgymnasium, wirtschaftskundliches Realgymnasium (mit verordneter Stundentafel), 1. und 2. Klasse zu absolvieren.

3.2.4. Die belangte Behörde übersieht jedoch, dass es nach dem erhobenen Sachverhalt keinesfalls klar ist, ob die Erstbeschwerdeführerin im häuslichen Unterricht nach dieser Schulart unterrichtet werden soll. Es besteht nämlich die Möglichkeit die Erstbeschwerdeführerin nach der Schulart „Mittelschule“ zu unterrichten, was nicht unter die Einschränkung des § 42 Abs. 6 SchUG fallen würde und somit der zeitgerechten Ablegung der Externistenprüfung nicht entgegenstünde. Der Hinweis auf die „Schulbücher der Sprengelschule“ im Anzeigeformular könnte dafür sprechen. Dennoch hat die belangte Behörde der zum damaligen Zeitpunkt nicht rechtsfreundlich vertretenen Zweitbeschwerdeführerin mit Schreiben vom 06.08.2021 bloß aufgetragen, einen Nachweis über die Ablegung der Wiederholungsprüfung vorzulegen und vor Erlass des bekämpften Bescheides keine weiteren Erhebungen über die Schulart des beabsichtigten häuslichen Unterrichts getätigt. Insofern hat die belangte Behörde ihr Ermessen gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG trotz Fehlens einer wesentlichen Grundlage geübt.

3.2.5. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen mangelhaft:

In seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, S. 127 und S. 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, S. 65 und S. 73 f.).

3.2.6. Da die Behörde nicht festgestellt hat, nach welchem Lehrplan der häusliche Unterricht beabsichtigt ist, hat sie die erforderlichen entscheidungswesentlichen Feststellungen nicht getroffen, und ist der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG sind damit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

3.2.7. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde in einem ordentlichen Ermittlungsverfahren festzustellen haben, nach welchem Lehrplan und welcher Schulart der häusliche Unterricht beabsichtigt ist und danach festzustellen haben, ob iSd § 11 Abs. 3 SchPflG mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, ob der häusliche Unterricht in der geplanten Form, die gesetzlich geforderte Gleichwertigkeit aufweist. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichtes im Vergleich zu dem in einer öffentlichen Schule nicht gegeben ist, wenn gewichtigere Gründe gegen die Gleichwertigkeit sprechen als für die Gleichwertigkeit. Ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der häusliche Unterricht dem an einer im § 5 Schulpflichtgesetz 1962 genannten Schule nicht gleichwertig ist, dann steht es im freien Ermessen der belangten Behörde, die Teilnahme am häuslichen Unterricht zu untersagen (siehe VwGH vom 25.02.1971, 2062/70).

Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst ist weder im Interesse der Raschheit gelegen noch wäre dies mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Der Bescheid ist daher mangels Vorliegen der Voraussetzungen iSd § 28 Abs. 2 VwGVG nach § 28 Abs. 4 VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bildungsdirektion für Steiermark zurückzuverweisen.

3.2.8. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.

3.2.9. Durch die Behebung des Bescheides erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Über die Frage, ob der Wechsel von der Unterstufe der allgemein bildenden höheren Schule in eine Mittelschule einen Wechsel in eine andere Schulart darstellt, der von der Einschränkung des § 42 Abs. 6 Satz 3 SchUG nicht umfasst ist, liegt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor. Diese Rechtsfrage ist über den vorliegenden Fall hinaus von grundsätzlicher Bedeutung.

Schlagworte

Ermittlungspflicht Externistenprüfung Gleichwertigkeit häuslicher Unterricht Jahreszeugnis Kassation Lehrplan mangelnde Sachverhaltsfeststellung negative Beurteilung Nichtantritt Revision zulässig Unterrichtserfolg Untersagung Wiederholungsprüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W128.2247507.1.00

Im RIS seit

05.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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