TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/26 95/14/0120

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Veröffentlicht am 26.11.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §288 Abs1 litd;
BAO §289;
BAO §93 Abs3 lita;
FinStrG §79 Abs2;
FinStrG §89;
FinStrG §93 Abs2;
FinStrG §93;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/14/0131 95/14/0132

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Graf und Mag. Heinzl, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde 1. der F-GmbH in B, 2. der T-GmbH in B und

3. des H in S, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen die Bescheide des Vorsitzenden der Berufungssenates I bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 4. März 1994,

1. Zl. 115/2-6/94, 2. Zl. 116-6/94 und 3. Zl. 117-6/94, betreffend Hausdurchsuchung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Erstbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 4.000,-- bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sind Gesellschaften mbH, der Drittbeschwerdeführer ist ihr Geschäftsführer.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde einer Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gegen die am 7. Jänner 1994 erfolgte Anordnung einer Hausdurchsuchung in ihren Räumlichkeiten nicht Folge gegeben. Zur Begründung ergibt sich aus dem Bescheid:

In dem an die Erstbeschwerdeführerin ergangenen Hausdurchsuchungsbescheid werde ausgeführt, es finde bei dieser eine Lohnsteuerprüfung hinsichtlich der Jahre 1991 und 1992 statt. Hiebei sei festgestellt worden, daß die Erstbeschwerdeführerin jährlich ca einen Betrag von 1 Mio S an Aushilfslöhnen ausgezahlt habe. Die Identität der Empfänger dieser Beträge sei zum Teil nicht feststellbar, es sei aber festgestellt worden, daß auch Arbeitnehmer der Erstbeschwerdeführerin neben ihren ordentlichen Lohnzahlungen Aushilfslöhne erhalten hätten, wodurch es zur Verkürzung von Lohnabgaben gekommen sei. Es sei weiters feststellt worden, daß für einzelne Arbeitnehmer kein Lohnkonto bestehe und an das Finanzamt keine Lohnsteuer abführt worden sei. Darüber hinaus sei festgestellt worden, daß die Zweitbeschwerdeführerin Arbeitnehmer beschäftigt habe, dem Finanzamt aber die entsprechenden Lohnabgaben vorenthalten habe. Aufgrund dieser Feststellungen bestehe der Verdacht der Abgabenhinterziehung und der begründete Verdacht, daß sich in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführer Aufzeichnungen bzw Buchhaltungs- und Geschäftsunterlagen befänden, aus denen die Höhe der bisher nicht der Lohnsteuer unterworfenen Zahlungen an Arbeitnehmer ersichtlich sei und mit deren freiwilligen Herausgabe nicht gerechnet werden könne. Da diese Unterlagen in einem gegen den Verantwortlichen der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin abzuführenden Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kämen, sei die Hausdurchsuchung geboten und begründet.

In der Beschwerde gegen den Hausdurchsuchungsbescheid sei vorgebracht worden, daß bereits dem Lohnsteuerprüfer sämtliche Unterlagen vorgelegt worden seien. Es sei dem Finanzamt durch den offenen Ausweis im Jahresabschluß 1991 und durch die monatliche Lohnsteueranmeldung das Ausmaß der ausgezahlten Aushilfslöhne bekannt gewesen. Die Erstbeschwerdeführerin habe für die Aushilfslöhne an Stelle der gesetzlich vorgeschriebenen pauschalen Lohnsteuer von 2% der Bemessungsgrundlage freiwillig einen pauschalen Lohnsteuersatz von 12% an das Finanzamt abgeführt. Aus der Begründung des Hausdurchsuchungsbescheides gehe nicht hervor, worauf sich der begründete Verdacht stütze, daß mit der freiwilligen Herausgabe der Unterlagen nicht gerechnet werden könne.

Für die belangte Behörde ergebe sich aufgrund der Angaben des Lohnsteuerprüfers, daß aus den von der Erstbeschwerdeführerin im Rahmen der Lohnsteuerprüfung vorgelegten Unterlagen (Konto Aushilfslöhne, Buchhaltung und verschiedene Kassabelege) die Identität des überwiegenden Teiles der Lohnempfänger nicht habe festgestellt werden können, zumal teilweise die Nennung der Empfänger unterblieben sei und teilweise die Zahlungsbestätigungen unleserliche Namen aufwiesen. Es seien somit dem Lohnsteuerprüfer bei weitem nicht alle von ihm benötigten Unterlagen vorgelegt worden. Er habe die richtige Höhe der hinterzogenen Abgaben nicht feststellen können, weil ihm die tatsächlichen Empfänger der Aushilfslöhne zum Großteil nicht bekannt gewesen seien. Nicht bekannt sei ihm auch die Zahl der von der Zweitbeschwerdeführerin beschäftigen Arbeitnehmer sowie die Höhe der an sie gezahlten Löhne gewesen. Im Zuge der Hausdurchsuchung seien nach mehr als dreistündigem Zuwarten die in Betracht kommenden abverlangten Unterlagen nicht herausgegeben worden. Daher habe nach ihnen gesucht werden müssen, sie seien aber nicht aufgefunden worden. Es seien aber etwa Kassenauszahlungsbelege aufgefunden worden, aus denen sich ergebe, daß dieselbe Person am selben Tag mit getrennten Auszahlungsbestätigungen "Aushilfslöhne" von ca 8.000 S erhalten habe. Hingegen seien Unterlagen betreffend die Zweitbeschwerdeführerin zur Berechnung der Lohnabgaben aufgefunden worden.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin und mit dem drittangefochtenen Bescheid der Beschwerde des Drittbeschwerdeführers gegen die am 7. Jänner erfolgte Anordnung einer Hausdurchsuchung in ihren bzw seinen Räumlichkeiten nicht Folge gegeben. Die Begründung dieser Bescheide entspricht jener des erstangefochtenen Bescheides.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 13. Juni 1995, B 1061-1063/94, die Behandlung der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde ab und trat sie gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof brachten die Beschwerdeführer aufgrund einer gemäß § 34 Abs 2 VwGG ergangenen Aufforderung einen Ergänzungsschriftsatz zu ihrer Beschwerde ein.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete zu jedem der angefochtenen Bescheide eine eigene Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Hausdurchsuchungen dürfen gemäß § 93 Abs 2 FinStrG unter anderem dann vorgenommen werden, wenn begründeter Verdacht besteht, daß sich in den betreffenden Räumlichkeiten Gegenstände befinden, die im Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen.

Was zunächst die Einwendungen der Beschwerdeführer gegen die Vorgangsweise bei Durchführung der Amtshandlung, mit der am 12. Jänner 1994 die Hausdurchsuchungsbescheide vollzogen wurden, betrifft, genügt es darauf hinzuweisen, daß der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nur die Bescheide der belangten Behörde unterliegen. Ebenso ist im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen, ob die Beschlagnahme von Unterlagen rechtens war oder nicht (vgl das hg Erkenntnis vom 8. Oktober 1991, 91/14/0122). Es erübrigt sich daher, auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen einzugehen.

Im Beschwerdefall ist streitentscheidend, ob die belangte Behörde die sich auf der Grundlage des § 93 Abs 2 FinStrG stellende Frage des Vorliegens von genügend Verdachtsgründen für die Durchführung einer Hausdurchsuchung dem Gesetz entsprechend beantwortet und begründet hat. Die Beschwerde bringt im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe mit den angefochtenen Bescheiden die Beschwerde gegen die erstbehördlichen Hausdurchsuchungsbescheide ungeachtet des Umstandes, daß diese nach Ansicht der Beschwerdeführer nicht entsprechend begründet gewesen seien, abgewiesen.

Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen (vgl das hg Erkenntnis vom 12. März 1991, 90/14/0026). Der für die Zulässigkeit einer Hausdurchsuchung erforderliche Verdacht muß bereits im Zeitpunkt der Anordnung der Hausdurchsuchung vorhanden sein. Auf die erst bei dieser vorgefundenen Unterlagen kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ihrer Anordnung nicht an.

Der Gerichtshof vermag in diesem Zusammenhang eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide nicht zu erkennen. Die erstbehördlichen Hausdurchsuchungsbescheide verweisen in ihrer Begründung auf Feststellungen der Lohnsteuerprüfung, nach denen ständigen Dienstnehmern der Erstbeschwerdeführerin auch "Aushilfslöhne" gezahlt worden seien, die nur mit einem pauschalen Prozentsatz der Lohnsteuer unterzogen worden seien. Sie verweisen auch darauf, daß im überwiegenden Ausmaß die Empfänger der in Höhe von ca 1 Mio S jährlich ausgezahlten "Aushilfslöhne" nicht bekannt gegeben und daß Mängel in der Lohnkontenführung festgestellt worden seien. Feststellungen der Lohnsteuerprüfungen hätten auch ergeben, daß die Zweitbeschwerdeführerin Arbeitnehmer beschäftigt, aber keine Lohnsteuer abgeführt habe. Aufgrund dieser Tatsachen durfte das Finanzamt unbedenklich davon ausgehen, daß der Verdacht besteht, der Drittbeschwerdeführer habe als Vertreter der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin Abgabenhinterziehungen (§ 33 Abs 2 lit b FinStrG) begangen. Es durfte weiters der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend annehmen, daß ein begründeter Verdacht dafür besteht, Aufzeichnungen über die Höhe der an einzelne Dienstnehmer gezahlten Beträge seien - schon zu Abwehr allfälliger arbeitsrechtlicher Ansprüche - geführt worden und könnten sich in den Räumlichkeiten, hinsichtlich welcher die Durchsuchung angeordnet worden ist, befinden.

Zu Recht ist sohin in den angefochtenen Bescheiden die Ansicht vertreten worden, daß die erstbehördlichen Hausdurchsuchungsbescheide eine ausreichende Begründung enthalten haben.

In der Begründung der angefochtenen Bescheide wird auch auf "den Bericht des Vorstandes des Finanzamtes Klagenfurt, in welchem der Sachverhalt genau geschildert wird und insbesondere ausgeführt wird, daß keineswegs sämtliche Unterlagen dem Prüfungsorgan ausgefolgt wurden" verwiesen. Die Beschwerdeführer rügen zu Recht, daß ihnen dieser Bericht nicht bekanntgegeben worden ist, ja das Finanzamt ihn sogar unter Hinweis auf § 79 Abs 2 FinStrG von der Akteneinsicht ausgenommen hat. Es liegt sohin eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, weil die Bescheidbegründung auf ein den Parteien nicht zugegangenes Schreiben verweist (vgl zur Zulässigkeit von Verweisungen in der Begründung von Bescheiden die bei Ritz, BAO-Kommentar § 93 Tz 15 und § 288 Tz 3 zitierte hg Rechtsprechung). Diese Verletzung von Verfahrensvorschriften führt allerdings im vorliegenden Fall deshalb nicht zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide, weil der Begründungspflicht mit dem weiteren Teil der Begründung entsprochen worden ist. Aus diesem ergibt sich nämlich, daß ganz konkrete, dem Finanzamt im Zuge der Lohnsteuerprüfung bekanntgewordene Tatsachen den Verdacht der Abgabenhinterziehung durch den Drittbeschwerdeführer und den Verdacht, daß sich bei den Beschwerdeführern Unterlagen befinden, die im Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen, stützen, sodaß die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 Abs 2 FinStrG erfüllt sind.

Verwiesen sei im übrigen darauf, daß der Drittbeschwerdeführer - als Geschäftsführer der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin - in der Folge mit der - unbekämpft gebliebenen - Strafverfügung vom 28. April 1995 der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStRG schuldig erkannt worden ist.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl 416/1994.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Strafverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995140120.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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