TE Vwgh Beschluss 2021/11/2 Ra 2021/11/0124

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Veröffentlicht am 02.11.2021
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
43/01 Wehrrecht allgemein
44 Zivildienst

Norm

AVG §68 Abs2
WehrG 2001 §24 Abs1
ZDG 1986 §1 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des M H in B (Schweiz), vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH in 6840 Götzis, Dr.-A.-Heinzle-Straße 34, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2021, Zlen. (1.) W122 2239390-1/4E, betreffend Einberufungsbefehl, (2.) W122 2235842-1/4E, betreffend Nichtvorliegen der Zivildienstpflicht, und (3.) W122 2238514-1/3E, betreffend Einberufungsbefehl (belangte Behörden vor dem Verwaltungsgericht: jeweils betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst: Militärkommando Vorarlberg; betreffend Nichtvorliegen der Zivildienstpflicht: Zivildienstserviceagentur), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Wie sich aus dem angefochtenen Erkenntnis, der Revision und den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, wurde der Revisionswerber - ein professioneller Eishockeyspieler - am 19. August 2014 für tauglich befunden. Mit am 15. September 2016 zugestelltem Einberufungsbefehl wurde er für den 6. Februar 2017 zum Grundwehrdienst einberufen. Mit Bescheid vom 27. Jänner 2017 wurde - in Abänderung des ursprünglichen Einberufungsbefehls - der Einberufungstermin mit 2. Oktober 2017 festgelegt.

2        Nachdem sein Antrag auf Aufschub des Grundwehrdienstes im zweiten Rechtsgang mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 20. Juli 2020 (dem hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2020, Ro 2018/11/0005, folgend) abgewiesen worden war, wurde der Revisionswerber mit Bescheid vom 24. Juli 2020 zur Leistung des restlichen Grundwehrdienstes zum Termin 1. Dezember 2020 einberufen. Dieser Einberufungsbefehl wurde am 27. Juli 2020 an die P Rechtsanwalt GmbH zugestellt, welche von der erstbelangten Behörde die Auskunft vom 18. August 2020 einholte, dass „der Einberufungsbefehl für den Einrückungstermin 02 10 2017 obsolet ist und durch den Einberufungsbefehl für den 01 12 2020 ersetzt wurde“. Daraufhin gab die P Rechtsanwalt GmbH mit Schreiben an das Militärkommando vom 21. August 2020 bekannt, dass sie den Revisionswerber hinsichtlich der Einberufung - anders als im Verfahren betreffend Zivildienst - weder anwaltlich vertrete noch zustellbevollmächtigt sei. Da jedoch der ursprüngliche Einberufungsbefehl obsolet sei, werde gleichzeitig eine Zivildiensterklärung des Revisionswerbers vom 20. August 2020 vorgelegt.

Mit Bescheid vom 3. September 2020 stellte die zweitbelangte Behörde fest, das Recht des Revisionswerbers zur Abgabe einer Zivildiensterklärung vom 21. August 2020 sei zu diesem Zeitpunkt gemäß § 5a Abs. 1 Z 3 iVm. § 1 Abs. 2 2. Satz ZDG infolge Ruhens dieses Rechts ausgeschlossen; die Zivildiensterklärung habe daher Zivildienstpflicht nicht eintreten lassen. Begründend wurde ausgeführt, das Recht zur Abgabe einer Zivildiensterklärung habe im Hinblick auf den Einberufungsbefehl vom 15. September 2016 am 21. August 2020 bereits gemäß § 1 Abs. 2 2. Satz ZDG geruht.

Der Einberufungsbefehl vom 24. Juli 2020 wurde am 29. September 2020 von der P Rechtsanwalt GmbH an den mittlerweile vom Revisionswerber bevollmächtigten Rechtsanwalt Mag. X übermittelt.

Mit Bescheid der erstbelangten Behörde vom 21. Oktober 2020 wurde der ursprüngliche Einberufungsbefehl zum Antritt des Grundwehrdienstes zum 6. Februar 2017 dahin abgeändert, dass der Revisionswerber den Grundwehrdienst am 1. Dezember 2020 anzutreten habe. Dieser Bescheid wurde an Rechtsanwalt Mag. X als Bevollmächtigten zugestellt.

3        Die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Einberufungsbefehl vom 24. Juli 2020 wurde mit Beschwerdevorentscheidung der erstbelangten Behörde vom 10. Dezember 2020 zurückgewiesen, da eine rechtswirksame Zustellung an den bevollmächtigten Rechtsanwalt Mag. X nicht erfolgt sei. Über Vorlageantrag des Revisionswerbers traf das Verwaltungsgericht mit Spruchpunkt A)2. des angefochtenen Erkenntnisses eine inhaltsgleiche Entscheidung.

Mit Beschwerdevorentscheidung der erstbelangten Behörde vom 5. Jänner 2021 wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Einberufungsbefehl vom 21. Oktober 2020 abgewiesen. Mit Spruchpunkt A)1. des (auch diesbezüglich über Vorlageantrag ergangenen) angefochtenen Erkenntnisses wurde die Beschwerde ebenfalls abgewiesen.

Ebenfalls mit Spruchpunkt A)1. des angefochtenen Erkenntnisses wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der zweitbelangten Behörde vom 3. September 2020 (Feststellung betreffend die Zivildienstpflicht) ab.

Gleichzeitig erklärte es gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision für nicht zulässig.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

5        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN). Dem Erfordernis einer (gesonderten) Zulässigkeitsbegründung wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

6        Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe im Zusammenhang mit der Übermittlung des Einberufungsbefehls vom 24. Juli 2020 an den bevollmächtigten Rechtsanwalt Mag. X am 29. September 2020 die Heilungsregel des § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG missachtet und sei daher zu Unrecht davon ausgegangen, der Einberufungsbefehl sei nicht rechtswirksam zugestellt worden. Weiters wird vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur „Rechtsverbindlichkeit einer Aussage der Behörde“, habe das Militärkommando doch am 18. August 2020 die Auskunft erteilt, der ursprüngliche Einberufungsbefehl sei obsolet. Schließlich weiche das angefochtene Erkenntnis von - nicht näher bezeichneter - hg. Judikatur ab, weil einerseits entgegen der üblichen Derogationsregel der ursprüngliche Einberufungsbefehl „wieder in Kraft“ getreten sei, obwohl am 24. Juli 2020 ein späterer Einberufungsbefehl erlassen worden sei, und andererseits das Verwaltungsgericht seine Entscheidung in einem wesentlichen Punkt, nämlich zur Auskunft des Militärkommandos vom 18. August 2020, nicht begründet habe.

7        Von den aufgeworfenen Rechtsfragen hängt das Schicksal der vorliegenden Revision nicht iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG ab, weil das Verwaltungsgericht nicht von der hg. Rechtsprechung abgewichen ist:

8        Hierzu ist zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2013, 2013/11/0099, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausführte:

„2.1. Der Verwaltungsgerichtshof legt das Vorbringen der Beschwerde, demzufolge der Beschwerdeführer seine Zivildiensterklärung erst nach der Abänderung des ursprünglichen Einberufungsbefehls vom 22. Oktober 2012 durch den Bescheid des Militärkommandos Burgenland vom 7. Dezember 2012, und zwar am 16. Jänner 2013, abgegeben hat, seiner rechtlichen Beurteilung ebenso zugrunde wie die unbestritten gebliebene Feststellung der belangten Behörde, dass der erstgenannte Einberufungsbefehl am 29. Oktober 2012 zugestellt wurde.

...

2.3.2. Gemäß § 1 Abs. 2 erster Satz ZDG ist die Ausübung des Rechts zur Abgabe einer Zivildiensterklärung dem Wehrpflichtigen mindestens sechs Monate nach Abschluss jenes Stellungsverfahrens, bei dem er erstmals für den Wehrdienst tauglich befunden wurde, gewährleistet, es sei denn, der Wehrpflichtige hätte darauf ausdrücklich und schriftlich verzichtet. Gemäß dem zweiten Satz dieser Bestimmung ruht das Recht vom zweiten Tag vor einer Einberufung zum Präsenzdienst bis zur Entlassung aus diesem oder bis zur Behebung des Einberufungsbefehls.

Wie sich aus den unter Pkt. 1.1.2. wiedergegebenen Gesetzesmaterialien unzweifelhaft ergibt, ist in § 1 Abs. 2 zweiter Satz ZDG unter ‚Einberufung‘ die Zustellung des Einberufungsbefehls - und nicht etwa der Einberufungstermin - zu verstehen.

Für den Beschwerdefall folgt daraus, dass jedenfalls seit der Zustellung des (ersten) Einberufungsbefehls vom 22. Oktober 2012 am 29. Oktober 2012 das Recht zur Abgabe einer Zivildiensterklärung ruhte. Dieses Ruhen gilt zwar gemäß § 1 Abs. 2 zweiter Satz ZDG nur ‚bis zur Behebung des Einberufungsbefehls‘, darunter ist aber nur eine ersatzlose Behebung zu verstehen. ...“

9        Aus dem zitierten Erkenntnis ergibt sich, dass es für die Wirksamkeit der Zivildiensterklärung auf den Zustellzeitpunkt des ersten Einberufungsbefehls ankommt. Im Revisionsfall wurde der erste Einberufungsbefehl am 15. September 2016 zugestellt.

10       Weiters geht aus dem zitierten Erkenntnis hervor, dass das Recht zur Abgabe einer Zivildiensterklärung bis zu einer ersatzlosen Behebung des Einberufungsbefehls ruht. Im Revisionsfall wurde der am 15. September 2016 zugestellte und mit Bescheid vom 27. Jänner 2017 abgeänderte Einberufungsbefehl nie ersatzlos behoben.

11       Daran konnte eine bloße Auskunft - wie jene der erstbelangten Behörde vom 18. August 2020 - nichts ändern. Schon deshalb war entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen eine nähere Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit der Auskunft des Militärkommandos entbehrlich.

12       Da eine ersatzlose Behebung des ersten Einberufungsbefehls nie erfolgte, ist es für ein Ruhen der Zivildienstpflicht entgegen dem Revisionsvorbringen auch unerheblich, ob der Einberufungsbefehl vom 24. Juli 2020 für den 1. Dezember 2020 rechtswirksam zugestellt worden war.

13       Der Revisionswerber hatte seit der Feststellung seiner Tauglichkeit am 19. August 2014 bis zur Erlassung des ersten Einberufungsbefehls am 15. September 2016 mehr als zwei Jahre Zeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung. Dass der ursprüngliche Einberufungstermin durch einen späteren (den 1. Dezember 2020, welcher auch im Bescheid vom 21. Oktober 2020 festgelegt wurde) ersetzt wurde, diente nicht dazu, dem Revisionswerber erneut die Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung zu verschaffen (vgl. abermals VwGH 23.5.2013, 2013/11/0099).

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

15       Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 2. November 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021110124.L00

Im RIS seit

24.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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