Entscheidungsdatum
19.10.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W246 2246256-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Heinz VERDINO als Einzelrichter über den Antrag des Mag. XXXX auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19.07.2021, Zl. 00746952/006-I/1/2021, den Beschluss:
A) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem im Spruch genannten Bescheid setzte der Bundesminister für Inneres (in der Folge: die Behörde) das Besoldungsdienstalter des Beschwerdeführers gemäß § 169f Abs. 1 und 4 GehG fest.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde, welche vor dem Bundesverwaltungsgericht im Verfahren zur Zl. W246 2246256-1 protokolliert wurde.
3. Diese Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der Behörde mit Schreiben vom 09.09.2021 vorgelegt und sind am 10.09.2021 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt. Dabei führte die Behörde mit näherer Begründung aus, dass die Beschwerde aus ihrer Sicht nicht fristgerecht erhoben worden sei.
4. Das Bundesverwaltungsgericht teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15.09.2021, zugestellt am 24.09.2021, mit, dass seine Beschwerde nach den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Aktenstücken verspätet eingebracht worden sei. Der angeführte Bescheid sei am 22.07.2021 zugestellt worden. Die Rechtsmittelfrist von vier Wochen habe somit mit Ablauf des 19.08.2021 geendet. Der Beschwerdeführer habe seine Beschwerde am 20.08.2021 zur Post gegeben und somit verspätet eingebracht. Schließlich wurde dem Beschwerdeführer seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Gelegenheit gegeben, hierzu innerhalb von zwei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen.
5. Der Beschwerdeführer nahm hierzu mit Schreiben vom 01.10.2021, beim Bundesverwaltungsgericht am 04.10.2021 eingelangt, Stellung und beantragte unter neuerlicher Vorlage der Beschwerde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund der Versäumung der Beschwerdefrist. Dabei führte er aus, dass er aufgrund eines Unfalls seiner Mutter in jener Woche, in der die Frist zur Erhebung der Beschwerde geendet habe, äußerst stark psychisch belastet gewesen sei. Seine alleine lebende und knapp 86 Jahre alte Mutter sei am 16.08.2021 in ihrer Wohnung schwer gestürzt und habe sich dabei einen Oberschenkeltrümmerbruch zugezogen. Die Mutter des Beschwerdeführers sei an diesem Tag in das UKH XXXX eingeliefert und dort auf die Intensivstation gebracht worden, wobei sie am darauffolgenden Tag operiert worden sei. Die permanente Sorge um den Zustand seiner Mutter habe den Beschwerdeführer zutiefst betroffen gemacht, in große Sorge versetzt und im Nachhinein betrachtet in dieser Woche aus der Bahn geworfen. Aus diesem Grund habe er die fristgerechte Versendung seiner Beschwerde offensichtlich falsch bewertet und nach heutigem Wissenstand irrigerweise um einen Tag zu spät im Postweg aufgegeben.
Hierzu legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung über den Krankenhausaufenthalt seiner Mutter im UKH XXXX vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Behörde setzte mit dem im Spruch genannten Bescheid das Besoldungsdienstalter des Beschwerdeführers gemäß § 169f Abs. 1 und 4 GehG fest; dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 22.07.2021 zugestellt. Der Beschwerdeführer erhob gegen den angeführten Bescheid mit Schreiben vom 19.08.2021 Beschwerde; diese Beschwerde wurde vom Beschwerdeführer am 20.08.2021 zur Post gegeben.
Die knapp 86 Jahre alte Mutter zog sich bei einem Sturz in ihrer Wohnung am 16.08.2021 einen Oberschenkeltrümmerbruch zu, woraufhin sie an diesem Tag in das UKH XXXX eingeliefert und dort am darauffolgenden Tag operiert wurde. In der Folge war die Mutter des Beschwerdeführers bis 27.08.2021 stationär im UKH XXXX aufhältig.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu dem im Spruch genannten Bescheid sowie seinem Zustelldatum und zu der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Beschwerde sowie ihrem Aufgabedatum folgen aus den im erstinstanzlichen Verwaltungsakt einliegenden und aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes unbedenklichen Aktenstücken (Bescheid samt Zustellschein und Beschwerde samt Aufgabekuvert) und aus den dahingehenden Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Schreiben vom 01.10.2021, in welchem er die Richtigkeit der Daten auf dem Zustellschein sowie dem Aufgabekuvert nicht in Zweifel zog (s. Pkt. I.5.).
Die Feststellungen zum Sturz sowie zur Verletzung der Mutter des Beschwerdeführers und zu ihrem Aufenthalt im UKH XXXX folgen aus den diesbezüglich glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Schreiben vom 01.10.2021 und der damit übereinstimmenden Bestätigung über den Krankenhausaufenthalt seiner Mutter im UKH XXXX .
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 87/2021, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt im vorliegenden Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 109/2021, (in der Folge: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg.cit. trat dieses Bundesgesetz mit 01.01.2014 in Kraft. Nach § 58 Abs. 2 leg.cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtsache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 31 Abs. 1 leg.cit. erfolgen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Das Bundesverwaltungsgericht kann einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Unzulässigkeit zurückweisen, ihn als unbegründet abweisen oder dem Wiedereinsetzungsbegehren stattgeben, wobei die Entscheidung stets in Beschlussform zu ergehen hat (s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2, 2018, § 33 VwGVG, Anm. 21).
Zu A) Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
3.1. § 33 VwGVG lautet auszugsweise wie folgt:
„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) […]
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. […] Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(4a) […]
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.“
3.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einer Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Beschwerdefrist § 33 VwGVG anzuwenden; die §§ 71 und 72 AVG kommen nicht zu Anwendung. Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seiner Rechtsprechung aber auch fest, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. u.a. VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086, mwH).
Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Ereignis dann „unvorhergesehen“, wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Es ist „unabwendbar“, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. u.a. VwGH 26.02.2014, 2012/13/0051, mwH).
3.3.1. Nach dem oben wiedergegebenen § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb von zwei Wochen ab dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Besteht dieses Hindernis in einem Rechtsirrtum über das einzubringende Rechtsmittel, so hört dasselbe auf, sobald die Partei diesen Rechtsirrtum als solchen erkennen konnte und musste (s. z.B. VwGH 14.11.2012, 2012/08/0179; 18.10.2004, 2004/17/0152; 18.09.1996, 96/03/0140).
Der Beschwerdeführer ging zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde irrtümlich von ihrer rechtzeitigen Einbringung aus. Die verspätete Einbringung seiner Beschwerde wurde ihm erst mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.09.2021, zugestellt am 24.09.2021, zur Kenntnis gebracht (Pkt. I.4). Der in der Folge vom Beschwerdeführer erhobene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand langte am 04.10.2021 und somit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 33 Abs. 3 VwGVG beim Bundesverwaltungsgericht ein. Der Antrag ist daher zulässig.
3.3.2. Es ist festzuhalten, dass es sich beim Beschwerdeführer zwar um eine unvertretene Partei handelt, jedoch trifft auch solche unvertretenen Parteien bei der Wahrnehmung von Fristen eine erhöhte Sorgfaltspflicht (vgl. VwGH 25.09.2018, Ra 2016/05/0018; 25.06.1996, 96/11/0034). Der vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 01.10.2021 vorgebrachte erhöhte Belastungszustand aufgrund familiärer Probleme (starke psychische Belastung seiner Person aufgrund eines Unfalls und darauffolgenden Krankenhausaufenthalts seiner Mutter – s. hierzu näher unter Pkt. I.5. und II.1.), welcher aus seiner Sicht zur verspäteten Einbringung der Beschwerde geführt hat, vermag nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen bloß minderen Grad des Versehens iSd § 33 Abs. 1 VwGVG zu begründen (s. etwa VwGH 25.09.2018, Ra 2016/05/0018; 26.02.2009, 2007/09/0003; 25.09.1991, 91/16/0046; vgl. hierzu auch die Ausführungen und wiedergegebene Judikatur in Hengstschläger/Leeb, AVG, § 72, Rz 41).
Dem Beschwerdeführer ist daher ein Verschulden an der Versäumung der Beschwerdeeinbringung innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist zur Last zu legen, welches über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht.
3.4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, über welchen aufgrund der nach Beschwerdevorlage erfolgten Erhebung nach § 33 Abs. 4 VwGVG durch das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden ist, ist daher nach § 33 Abs. 1 leg.cit. abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Besoldungsdienstalter Fristversäumung Sorgfaltspflicht Verschulden WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W246.2246256.2.00Im RIS seit
11.11.2021Zuletzt aktualisiert am
11.11.2021