TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/11 I413 2241506-1

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Veröffentlicht am 11.10.2021
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Entscheidungsdatum

11.10.2021

Norm

ASVG §8 Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z4

Spruch


I413 2241506-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) Landesstelle Tirol vom 27.01.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit angefochtenem Bescheid stellte die belangte Behörde von Amts wegen fest, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Bergwanderführerin (mit Ausnahme der Tätigkeit für die XXXX ) im Zeitraum von 03.06.2019 bis 30.09.2019 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG sowie der Unfallversicherung nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG unterlag.

Gegen diesen am 29.01.2021 zugestellten Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin zusammengefasst ausführte, im Jahr 2019 keiner selbständigen Tätigkeit nachgegangen zu sein.

Mit Schriftsatz vom 16.04.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist seit Mai 2011 als Bergwanderführerin tätig.

Mit Versicherungserklärung vom 03.06.2019 gab die Beschwerdeführerin an, mit ihren Einkünften aus der selbständiger Erwerbstätigkeit die in Betracht kommende Versicherungsgrenze für das Jahr 2019 zu überschreiten.

Am 26.09.2019 erklärte die Beschwerdeführerin, dass ihre Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit die in Betracht kommende Versicherungsgrenze doch nicht überschreiten werde.

Die Beschwerdeführerin brachte im Jahr 2019 EUR 3.441,36 ins Verdienen. Hiervon entfielen EUR 3.278,06 auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb und EUR 283,30 auf Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit bei einer Schischule.

Im Jahr 2019 war die Beschwerdeführerin für XXXX Gesellschaft m.b.H. im Zeitraum vom 31.05.2019 bis 06.09.2019 als Bergwanderführerin tätig und in dieser Eigenschaft bei dieser Gesellschaft unselbständig beschäftigt. Diese Tätigkeit als Bergwanderführerin wurde erst im Nachhinein durch die Österreichische Gesundheitskasse als unselbständige Tätigkeit umqualifiziert und war dieser Umstand zum Zeitpunkt der Abgabe der Versicherungserklärung am 03.06.2019 nicht bewusst.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie dem nachgereichten Einkommenssteuerbescheid. Der maßgebliche festgestellte Sachverhalt des angefochtenen Bescheides wird von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen. Dass die Tätigkeit als Bergwanderführerin für die XXXX Gesellschaft mbH im Jahr 2019 nachträglich als eine unselbständige Tätigkeit gewertet wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt sowie dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Versicherungsdatenauszug, welcher für die Tätigkeit bei der XXXX Gesellschaft m.b.H. Versicherungszeiten im Zeitraum 31.05.2019 bis 06.09.2019 mit einer Summe an Beitragsgrundlage von EUR 5.185,00 ausweist. Zudem war sie laut diesem Auszug zwischen 01.03.2019 und 10.03.2019 als Arbeiterin bei einer Schischule beschäftigt. Dass die Tätigkeit als Bergwanderführerin für die XXXX Gesellschaft m.b.H. später in eine unselbständige Tätigkeit umqualifiziert wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und aus dem glaubhaften Vorbringen in der Beschwerde. Glaubhaft ist auch das Beschwerdevorbringen, dass dieser Umstand der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Abgabe der Versicherungserklärung nicht bewusst war.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die Abgabe der Versicherungserklärung auch dann Wirkung entfaltet, wenn sich nachträglich herausstellt, dass im betreffenden Jahr 2019 gar keine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit gegeben war.

Diese Frage ist im Sinne der belangten Behörde zu entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof hat erst kürzlich ausgeführt, dass die Abgabe einer Versicherungserklärung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG bewirkt, dass das Versicherungsverhältnis auch dann für den Zeitraum der Ausübung der betreffenden selbständigen Erwerbstätigkeit bestehen bleibt, wenn sich nach Einlangen des maßgeblichen Einkommensteuerbescheides herausstellt, dass die Versicherungsgrenze entgegen der abgegebenen Erklärung unterschritten wurde (VwGH 09.06.2020, Ra 2019/08/0143). Insoweit kommt der Versicherungserklärung die Rechtswirkung eines "opting in" zu: Es ist von der Sozialversicherungsanstalt bei Entgegennahme der Erklärung nämlich nicht zu prüfen, ob tatsächlich Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erklärung, es werde die Versicherungsgrenze überschritten werden, realistischen Annahmen entspricht. Maßgeblich ist ausschließlich, ob die betreffende Person eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG tatsächlich ausübt, ob durch diese Tätigkeit nicht nach anderen bundesgesetzlichen Bestimmungen eine Pflichtversicherung eingetreten ist und ob sie die erwähnte Erklärung betreffend das voraussichtliche Überschreiten der Versicherungsgrenze abgegeben hat. Es hängt daher der Sache nach nur von einer Willenserklärung des Versicherten ab, ob er unabhängig von der tatsächlichen Höhe der erzielten Einkünfte versichert sein möchte oder ob er nur im Nachhinein unter der Voraussetzung versichert sein möchte, dass nach dem jeweiligen Einkommensteuerbescheid die Einkünfte im betreffenden Kalenderjahr die Versicherungsgrenze überstiegen haben (VwGH 09.06.2020, Ra 2019/08/0143).

Damit begann das gegenständliche Versicherungsverhältnis am 03.06.2019 aufgrund der Abgabe der Versicherungserklärung. Auf das mangelnde Wissen, dass ihrer Bergwanderführertätigkeit im Jahr 2019 von einer selbständigen in eine unselbständige Tätigkeit im Nachhinein umqualifiziert werde würde, kommt es somit nicht an.

Will die Versicherte vor dem Vorliegen des endgültigen Einkommensnachweises die durch eine Erklärung begründete Versicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG wieder beenden, so genügt gemäß § 7 Abs. 4 Z 3 GSVG die Erklärung, dass die maßgebliche(n) Versicherungsgrenze(n) auf Grund der voraussichtlichen Einnahmen (doch) nicht überschritten werde(n). Eine derartige Erklärung beendet sodann die Pflichtversicherung mit dem Letzten des Kalendermonats, in dem die Erklärung abgegeben wird. Sie hindert zwar nicht eine (rückwirkende) Feststellung der Pflichtversicherung für denselben Zeitraum bei Vorliegen eines entsprechenden - die Versicherungsgrenze(n) (doch) überschreitenden - Einkommensteuerbescheides, wohl aber schiebt sie die Durchführung dieser Versicherung bis zu jenem Zeitpunkt auf, zu dem der entsprechende Einkommensteuerbescheid vorliegt, sofern dieser ergibt, dass die Versicherungsgrenze tatsächlich überschritten wurde (VwGH 05.11.2003, 2000/08/0085; 20.10.2004, 2002/08/0188; 29.03.2006, 2003/08/0160; 30.06.2009, 2009/08/0007; 09.09.2015, Ra 2015/08/0034). Die Versicherungserklärung hat sich ausdrücklich auf die jeweiligen Einkünfte "im Kalenderjahr" zu beziehen, die die jeweilige Versicherungsgrenze dieses Kalenderjahres nach der Erklärung "übersteigen werden". Wenn und solange weder eine Versicherungserklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (noch ein Einkommensteuerbescheid) für das betreffende Jahr vorliegt, kann über die Pflichtversicherung in diesem Jahr nicht abgesprochen werden (VwGH 30.6.2009, 2008/08/0272; 09.06.2020, Ra 2019/08/0143).

Eine solche Erklärung hat die Beschwerdeführerin am 29.09.2019 abgegeben, sodass das Versicherungsverhältnis am 30.09.2019 wieder endete. Dass die Österreichische Gesundheitskasse nachträglich die zunächst als selbständig angesehene Bergwanderführertätigkeit später als unselbständig qualifizieren würde, ist für das Ende des gegenständlichen Versicherungsverhältnisses hingegen nicht von Belang.

Somit erweist sich der Feststellungsbescheid der belangten Behörde im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur als rechtmäßig.

Die mündliche Verhandlung konnte in diesem Falle entfallen, da der maßgebliche Sachverhalt unstrittig feststeht und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine weitere Klärung des Falles zu erwarten war. Es handelte sich im gegenständlichen Fall nur um die Klärung rechtlicher – technischer – Fragen, die auch nach der Judikatur des EGMR zu Art 6 EMRK nicht einer Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedürfen (EGRM 22.06.2021, 56387/17, 69808/17, Pagitsch GmbH and Comino Unternehmensberatung Erwachsenenbildung GmbH v. Austria).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf das die im konkreten Fall aufgeworfenen Rechtsfragen klärende Erkenntnis VwGH 09.06.2020, Ra 2019/08/0143, und weicht von diesem Judikat nicht ab. Weitere Rechtsfragen von Bedeutung, welche höchstgerichtlich nicht geklärt wären, sind nicht hervorgekommen.

Schlagworte

Einkommenssteuerbescheid Erklärung Pflichtversicherung Rechtswirkung selbstständig Erwerbstätiger unselbständige Tätigkeit Versicherungsgrenze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I413.2241506.1.00

Im RIS seit

09.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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