Entscheidungsdatum
28.09.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W128 2246620-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , Erziehungsberechtigte des mj. XXXX gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Niederösterreich vom 02.09.2021, Zl. I-1043/7780-2021, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Formularantrag vom 02.08.2021 zeigte die Erziehungsberechtigte die Teilnahme des mj. XXXX , geb. am XXXX (in der Folge als Kind bezeichnet) am häuslichen Unterricht auf der 8. Schulstufe im Schuljahr 2021/2022 an.
2. Mit dem bekämpften Bescheid untersagte die belangte Behörde die Teilnahme des Kindes am angezeigten häuslichen Unterricht. Begründend wird ausgeführt, dass das Kind im Schuljahr 2020/2021 die Niederösterreichische Mittelschule ( XXXX ) XXXX auf der 8. Schulstufe besucht habe und diese Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen habe. Das Wiederholen von Schulstufen im Rahmen des häuslichen Unterrichts sei unzulässig, da die erforderliche Externistenprüfung gemäß § 42 Abs. 6 SchUG nicht rechtzeitig abgelegt werden könne.
3. Mit Schreiben vom 13.09.2021 erhob die Erziehungsberechtigte rechtzeitig die verfahrensgegenständliche Beschwerde. Begründend monierte sie, dass es dem Kind aufgrund „nervlicher bzw. psychischer Probleme“ nicht möglich sei, „am Schulunterricht vor Ort teilzunehmen“.
4. Mit Schreiben vom 22.09.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.
5. Am 28.09.2021 übermittelte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht das Jahreszeugnis des Kindes vom 02.07.2021 über die im Schuljahr 2020/2021 besuchte Klasse 3a (7. Schulstufe) an der XXXX XXXX .
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin zeigte am XXXX die Teilnahme des in Österreich schulpflichtigen Kindes am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2021/2022 an.
Das Kind besuchte im Schuljahr 2020/2021 die Klasse 3a der XXXX . Das Kind wurde im Jahreszeugnis über diese Schulstufe in keinem (Pflicht-)Gegenstand beurteilt. Es hat die 3. Klasse der Mittelschule (7. Schulstufe) nicht erfolgreich abgeschlossen und ist zum Aufsteigen in die 4. Klasse der Mittelschule (8. Schulstufe) nicht berechtigt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem verwaltungsbehördlichen Verfahren, im Besonderen aus der Anzeige des „häuslichen Unterrichts“ sowie dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde. Der Sachverhalt konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei festgestellt werden. Insbesondere ist auf das von der Behörde eingeholte Jahreszeugnis zu verweisen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu A)
3.2.1. Art. 17 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867 lautet (auszugsweise):
„[…] Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu ertheilen, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.
Der häusliche Unterricht unterliegt keiner solchen Beschränkung.
[…]
Dem Staate steht rücksichtlich des gesammten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu.“
Gemäß § 1 Schulpflichtgesetz (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idgF besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht […].
Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September und dauert neun Schuljahre.
Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen […] zu erfüllen.
§ 11 SchPflG lautet (auszugsweise):
„Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht
§ 11. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann […] auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.
[…]
(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.
(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.“
Gemäß § 25 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz (SchUG), BGBl. Nr. 472/1986, idgF ist ein Schüler zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn er die Schulstufe erfolgreich abgeschlossen hat. Eine Schulstufe ist erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält. Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in höchstens einem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält und dieser Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit „Befriedigend“ beurteilt wurde.
§ 42 SchUG lautet (auszugsweise):
„Externistenprüfungen
§ 42. (1) Die mit dem Zeugnis über den erfolgreichen Besuch einer Schulstufe oder einer Schulart (Form bzw. Fachrichtung einer Schulart) sowie die mit der erfolgreichen Ablegung einer Reifeprüfung, Reife- und Diplomprüfung, Diplomprüfung oder Abschlußprüfung verbundenen Berechtigungen können auch ohne vorhergegangenen Schulbesuch durch die erfolgreiche Ablegung einer entsprechenden Externistenprüfung erworben werden.
[…]
(6) Grundvoraussetzung für die Zulassung zur Ablegung einer Externistenprüfung ist, daß der Prüfungskandidat zum (ersten) Prüfungstermin nicht jünger ist als ein Schüler bei Absolvierung des betreffenden Bildungsganges ohne Wiederholen oder Überspringen von Schulstufen wäre. Soweit es sich um eine Externistenprüfung handelt, die einer Reifeprüfung, einer Reife- und Diplomprüfung, einer Diplomprüfung oder einer Abschlußprüfung entspricht, bezieht sich dieses Alterserfordernis auf den Zeitpunkt der Zulassung zur Hauptprüfung. Hat der Prüfungskandidat vor dem Antritt zur Externistenprüfung eine Schule besucht und eine oder mehrere Stufen dieser Schule nicht erfolgreich abgeschlossen, so darf er zur Externistenprüfung über eine Schulstufe der betreffenden Schulart (Form, Fachrichtung) oder über die Schulart (Form, Fachrichtung) frühestens zwölf Monate nach der zuletzt nicht erfolgreich abgeschlossenen Schulstufe antreten.
[…]
(14) Die Bestimmungen über die Ablegung von Externistenprüfungen gelten auch für die auf Grund der §§ 11 Abs. 4, 13 Abs. 3 und § 22 Abs. 4 des Schulpflichtgesetzes 1985 abzulegenden Prüfungen zum Nachweis des zureichenden Erfolges des Besuches von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht oder häuslichen Unterrichtes sowie des Besuches von im Ausland gelegenen Schulen.
[…]“
3.2.2. Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 42 SchUG, was unter der in § 11 Abs. 4 SchPflG 1985 angeordneten "Prüfung" zu verstehen ist. Aus diesen Regelungen folgt insbesondere auch, dass der "Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts" iSd § 11 Abs. 4 SchPflG 1985 nur durch eine entsprechend den Bestimmungen über die Externistenprüfungen (§ 42 SchUG 1986) abgelegte Prüfung erbracht werden kann. Daraus erhellt, dass die in § 11 Abs. 4 SchPflG 1985 genannte Prüfung ohne Einschränkung - somit auch hinsichtlich der Zulassung zu dieser Prüfung - dem Regelungsregime des § 42 SchUG 1986 unterliegt.
Da die Regelung des § 42 Abs. 6 letzter Satz SchUG 1986 - wie die Regelungen des § 42 SchUG 1986 zu Externistenprüfungen generell - auf die Prüfung iSd § 11 Abs. 4 SchPflG 1985 anzuwenden ist, darf diese zum Nachweis des zureichenden Erfolges des für ein bestimmtes Schuljahr angezeigten Unterrichtes normierte Prüfung gar nicht vor Schulschluss dieses Schuljahres abgelegt werden. Dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat, ergibt sich auch aus § 11 Abs. 4 SchPflG 1985, wonach für den Fall, dass der zureichende Erfolg dieses Unterrichts für eine Schulstufe nicht nachgewiesen wird, die Erfüllung der Schulpflicht iSd § 5 leg.cit. anzuordnen ist, und somit der weitere Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht bzw. die Teilnahme am häuslichen Unterricht nicht mehr in Betracht kommt. (siehe VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007, m.w.N.).
3.2.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:
Wie festgestellt hat das Kind die 7. Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen und ist zum Aufsteigen in die 8. Schulstufe nicht berechtigt. Es hat daher die 7. Schulstufe zu wiederholen.
Aus der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat.
Folglich ist ein Wiederholen nur im Rahmen eines Schulbesuches an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zulässig.
Vor diesem normativen Hintergrund ist der Bildungsdirektion für Niederösterreich nicht entgegenzutreten, wenn sie den von der Beschwerdeführerin am 02.08.2021 angezeigten Unterricht von vornherein für unzulässig erachtete und daher untersagte.
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
3.2.4. Aufgrund der Untersagung des häuslichen Unterrichts, hat das Kind gemäß § 5 SchPflG seine Schulpflicht im Schuljahr 2021/2022 in einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen zu erfüllen.
3.2.5. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, jeweils m.w.N.).
3.3. Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – unter Punkt 3.2. dargestellten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
allgemeine Schulpflicht Externistenprüfung häuslicher Unterricht öffentliche Schule Unterrichtserfolg Untersagung Wiederholen einer SchulstufeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W128.2246620.1.00Im RIS seit
03.11.2021Zuletzt aktualisiert am
03.11.2021