TE Pvak 2021/7/15 B3-PVAB/21

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Veröffentlicht am 15.07.2021
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Norm

PVG §10 Abs4

Schlagworte

Beratung mit DL; Umsetzung des Beratungsverlangens; Frist für die Umsetzung; Niederschrift; Absehen des DL von der Beratung; COVID-19-Pandemie

Text

 

 

B 3-PVAB/21

Prüfungsergebnis

Die Personalvertretungsaufsichtsbehörde hat durch ihre Mitglieder Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI als Vorsitzende sowie Dr. Wilhelm SANDRISSER als Vertreter des Dienstgebers und Mag. Walter HIRSCH als Vertreter der Dienstnehmer/innen über die im Wege des zuständigen Zentralausschusses (ZA) beim Bundesministerium für Justiz (BMJ) gemäß § 41 Abs. 5 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (PVG) eingebrachte Beschwerde des Dienststellenausschusses bei der JA *** (DA) gegen den interimistischen Dienststellenleiter Oberrat A (DL) wegen behaupteter Verletzung des PVG in zwei Fällen gemäß § 41 Abs. 4 PVG mit folgendem Ergebnis geprüft:

Der DL hat das PVG verletzt, indem er zwei Anträgen des DA auf Beratung entgegen § 10 Abs. 4 PVG nicht binnen zwei Wochen Rechnung getragen hat.

Begründung

Der DA fasste in seiner Sitzung vom 24. März 2021 den Beschluss, seine Beschwerde betreffend zwei Anträge auf Beratungsgespräche nach § 10 Abs. 4 PVG, denen der DL nicht binnen zwei Wochen nachgekommen war, an den zuständigen Zentralausschuss zur Vorlage an die PVAB weiterzuleiten.

Der zuständige Zentralausschuss (ZA) beschloss am 30. März 2021, die Beschwerde des DA weiterzuleiten und brachte sie mit Schreiben vom 29. April 2021 bei der PVAB ein.

Nach § 41 Abs. 4 PVG kann sich ein Personalvertretungsorgan (PVO) wegen behaupteter Verletzung des PVG innerhalb des letzten Jahres durch ein Organ des Dienstgebers (DG) bei der PVAB beschweren, wobei solche Beschwerden im Wege des zuständigen ZA einzubringen sind.

Nach ständiger Rechtsprechung der PVAK, an der auch die PVAB unverändert festhält, muss die behauptete Verletzung des PVG innerhalb des letzten Jahres vor dem Beschluss des PVO, der der Beschwerde an die PVAB zugrunde liegt, erfolgt sein (Schragel, PVG, § 41, Rz 33, mwN). Die in Beschwerde gezogenen behaupteten Verletzungen des PVG waren am 15. März 2021 abgeschlossen. Der DA beschloss am 24. März 2021 wegen der behaupteten Verletzungen des § 10 Abs. 4 PVG Beschwerde an die PVAB im Wege des ZA zu erheben. Diese Beschwerde wurde der PVAB vom ZA mit Schreiben vom 29. April 2021 vorgelegt. Die Beschwerde des DA über die behaupteten Verletzungen des PVG vom 24. März 2021 erfolgte somit fristgerecht iSd § 41 Abs. 4 PVG.

Nach dem Beschwerdevorbringen und der Stellungnahme des DL vom 14. Juni 2021 liegt der Beschwerde folgender Sachverhalt zugrunde:

1.   Mit Schreiben vom 14. November 2020 wies die Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen u.a. die Leiterinnen der Justizanstalten darauf hin, dass sich die DL gemäß § 10 Abs. 4 PVG auf Verlangen des DA mit diesem über Anträge, Anregungen und Vorschläge zu beraten haben, wobei das Beratungsergebnis von den DL in Form einer – von allen Teilnehmer/innen unterfertigten – Niederschrift gemäß § 14 AVG festzuhalten ist.

2.   Mit 1. März 2021 übernahm OR A interimistisch die Leitung der JA.

3.   Am 25.02.2021 hatte der DA bei der Dienststellenleitung den „Antrag iSd § 10 Abs. 4 PVG – Beratungsgespräch“ betreffend die Arbeitssituation der Bediensteten B eingebracht.

3.1.     Mit Schreiben vom 2. März 2021 übermittelte der DL dem DA das Ersuchen der Bediensteten B um Verwendungsänderung mit der Bitte um Stellungnahme, welchem Ersuchen der DA nicht nachkam.

3.2.     Ein Beratungsgespräch zwischen DL und DA zu diesem Antrag des DA fand bis dato nicht statt.

3.3.     Der DL vertritt die Auffassung, ein Beratungsgespräch mit dem DA wäre nicht erforderlich gewesen, weil der DL dem Ersuchen von B nicht ablehnend gegenüberstand und der Arbeitsplatzwechsel mittlerweile vollzogen wurde, womit dem Anliegen des DA vollinhaltlich Rechnung getragen worden sei.

4.   Am 25.02.2021 brachte der DA bei der Dienststellenleitung auch den „Antrag iSd § 10 Abs. 4 PVG – Beratungsgespräch“ betreffend die Schaffung einer extern besetzten Mediationsstelle ein, um das unerträgliche Arbeitsklima in der JA zu verbessern bzw. Mobbing/Bossingkonflikte aufzulösen.

4.1.     Mit Schreiben vom 9. März 2021 teilte der DL dem DA mit, dass dieser Antrag des DA von ihm begrüßt und unterstützt werde, weshalb er gern an die Dienstbehörde herantreten wolle, sofern das vom DA erwähnte unerträgliche Arbeitsklima zwecks Verifizierung der angeblichen Mobbing/Bossingkonflikte konkretisiert werden könne, weil lediglich pauschale Unmutsäußerungen und nebulöse Hinweise auf unbefriedigende Arbeitssituationen leider nicht hinreichend geeignet schienen, zielführende und Erfolg versprechende Maßnahmen ergreifen zu können.

4.2.     Auch zu diesem Antrag fand ein Beratungsgespräch zwischen DL und DA bis dato nicht statt.

4.3.     Der DL vertritt dazu die Auffassung, ein Beratungsgespräch sei nicht erforderlich gewesen, weil der DL den Antrag inhaltlich ohnehin begrüßt und unterstützt sowie den DA lediglich um Konkretisierung seines Vorbringens gebeten habe, um eine geeignete Vorbereitung gewährleisten zu können.

5.   Nach zusammenfassender Meinung des DL waren im Zeichen der Pandemie Beratungen nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß durchzuführen. Hätte noch weiterhin Bedarf dahingehend bestanden, wären Beratungen selbstverständlich durchgeführt worden, leider habe es jedoch diesbezüglich keinerlei Information seitens des DA gegeben.

6.   Der DA fasste in seiner Sitzung vom 24. März 2021 den Beschluss, seine Beschwerde betreffend die beiden offenen Anträge auf Beratungsgespräche an den zuständigen Zentralausschuss zur Vorlage an die PVAB weiterzuleiten.

7.   Der zuständige Zentralausschuss beschloss am 30. März 2021, die Beschwerde des DA weiterzuleiten und brachte sie mit Schreiben vom 29. April 2021 bei der PVAB ein.

Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen wurden dem DL und dem DA mit Schriftsatz vom 22. Juni 2021 unter Hinweis darauf übermittelt, dass im Fall keiner Stellungnahme an die PVAB innerhalb der gesetzten Frist angenommen wird, es bestünden keine Einwände gegen den festgestellten Sachverhalt.

Der ZA hatte die Beschwerde weitergeleitet, ohne sich inhaltlich dazu zu äußern, weshalb seine Einbindung nicht geboten war.

Der DL bestritt in seiner Stellungnahme vom 25. Juni 2021 den von der PVAB festgestellten Sachverhalt nicht. Ergänzend teilte er mit, da erst aus der Beschwerde des DA an die PVAB ersichtlich geworden wäre, dass der DA an seinen verfahrensgegenständlichen Anträgen nach wie vor festhalte, am 25. Juni 2021 seine Einladung an den DA zu einem Beratungsgespräch für den 30. Juni 2021 ergangen sei. Mit ergänzender Stellungnahme vom 29. Juni 2021 teilte der DL weiters mit, dass der DA seine Einladung zum Beratungsgespräch als zu kurzfristig abgelehnt hätte, obwohl die Einladung 54 Stunden vor dem Termin erfolgt sei, weshalb ein neuer Termin für Dienstag, 6. Juli 2021, 14 Uhr, vereinbart wurde. Auch dieser zweiten ergänzenden Information kommt keine verfahrensrechtliche Relevanz zu. Gleiches gilt für die dritte ergänzende Information des DL vom 5. Juli 2021, in der der DL mitteilte, dass der DA aufgrund des derzeit laufenden PVAB-Verfahrens bis zu dessen Abschluss Abstand von diesbezüglichen Beratungsgesprächen nehme (E-Mail des DA an den DL vom 5. Juli 2021).

Auch der DA hat in seiner Stellungnahme vom 6. Juli 2021 die Sachverhaltsfeststellungen der PVAB nicht bestritten. Ergänzend führte der DA aus, dass der interimistische DL die Leitung der Dienststelle schon bis 31.12.2020 innegehabt habe, weshalb er auch für alle im Jahr 2020 eingebrachten Anträge des DA zuständiger DL gewesen sei. Dazu ist festzustellen, dass sich das Beschwerdeverfahren nach § 41 Abs. 4 und 5 PVG ausschließlich auf das Beschwerdevorbringen zu beziehen hat und dass der PVAB im Wege des zuständigen ZA die beiden Beratungsanträge des DA an den DL vom 25. Februar 2021 („Arbeitssituation der Bediensteten B“ und „Schaffung einer extern besetzten Mediationsstelle“) zur rechtlichen Prüfung vorgelegt wurden.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 10 Abs. 4 PVG hat sich die/der DL auf Verlangen des DA mit diesem über dessen Anträge, Anregungen und Vorschläge binnen 14 Tagen zu beraten, wobei das Beratungsergebnis von der/dem DL in Form einer Niederschrift festzuhalten ist.

Der DL übernahm die interimistische Leitung der JA mit 1. März 2021 und fand die noch unerledigten Anträge des DA auf Beratung iSd § 10 Abs. 4 PVG vom 25.02.2021 vor, die einen Arbeitsplatzwechsel der Bediensteten B sowie den Wunsch nach einer extern besetzte Mediationsstelle beinhalteten.

Der DL hätte diesen beiden Anträgen auf Beratung binnen zwei Wochen, also längstens bis zum Ablauf des 15. März 2021, zu entsprechen gehabt.

Der DL kam den beiden Verlangen lt. seiner Stellungnahme vom 14. Juni 2021 nicht nach, weil er im Fall von B das Anliegen des DA als bereits erfüllt betrachtete und im Fall der Mediationsstelle weitere Erläuterungen des DA einforderte. Überdies wären im Zeichen der Pandemie Beratungen nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß durchzuführen gewesen.

Das PVG verpflichtet den DL jedoch dazu, sich auf Verlangen des DA in jedem Fall mit diesem zu beraten, und zwar unabhängig davon, ob der Beratungsgegenstand vom DL als bereits erledigt oder als zu unklar oder als unvollständig definiert empfunden wird. In diesem Zusammenhang ist zudem anzumerken, dass nach den Intentionen des Gesetzgebers ja gerade in den Beratungsgesprächen zwischen DL und DA nach § 10 Abs. 4 PVG die wesentlichen Informationen und Erläuterungen zum jeweiligen Thema aus der Sicht beider Verhandlungspartner umfassend eingebracht und im persönlichen Gespräch mit dem Ziel einer Verständigung diskutiert werden sollen.

Dem Argument des DL, während der COVID-19-Pandemie wären Beratungen nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß durchzuführen gewesen, ist entgegenzuhalten, dass es sich bei Beratungsgesprächen auf Verlangen des DA iSd § 10 Abs. 4 PVG um zwingende Vorgaben des Gesetzgebers handelt, also um „unbedingt erforderliche“ Beratungen, ganz abgesehen von den technischen Möglichkeiten, die im Bundesdienst für digitale Beratungen zur Verfügung gestellt wurden.

Die Pflicht des DL zur Beratung besteht nach der Rechtsprechung der PVAK, an der die PVAB unverändert festhält, sogar bei unsubstanzierten Anträgen (PVAK 31.03.2003, A 42-PVAK/02), wobei sich die Beratung mit dem DA dann auf die Erörterung dieses Umstandes beschränken kann.

Da der DL den beiden Beratungsverlangen des DA, die noch dazu inhaltlich klar und eindeutig umschrieben waren, innerhalb der gesetzlichen Frist nicht entsprochen hatte, wurde § 10 Abs. 4 PVG, der den DL zwingend zur Beratung mit dem DA auf dessen Verlangen verpflichtet, in beiden Fällen objektiv von ihm verletzt.

Auf diese Verpflichtung hatte zudem auch die Dienstbehörde mit Erlass vom 14. November 2020 noch besonders hingewiesen.

Für diese vom DL gesetzten Verletzungen des PVG ist es ohne rechtliche Relevanz, dass er knapp vier Monate nach Erhalt der beiden verfahrensgegenständlichen Beratungsanträge den DA am 25. Juni 2021 zu einem Beratungsgespräch für den 30. Juni 2021 eingeladen hat. Auch dass der DL der Meinung gewesen war, die Anträge hätten sich erledigt bzw. bedürften näherer Erläuterung, ändert nichts an der von ihm zu verantwortenden zweimaligen Verletzung des § 10 Abs. 4 PVG, zumal die PVAB nach § 41 Abs. 4 PVG nur objektive Gesetzesverletzungen festzustellen hat, ohne auf allenfalls bestehende subjektive Gründe dafür einzugehen.

Da der DL somit entgegen § 10 Abs. 4 PVG zwei Verlangen des DA auf Beratung nicht fristgerecht entsprochen hat, war die Beschwerde berechtigt.

Wien, am 15. Juli 2021

Die Vorsitzende:

Sektionschefin i.R. Prof.in Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:PVAB:2021:B3.PVAB.21

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2021
Quelle: Personalvertretungsaufsichtsbehörde Pvab, https://www.bundeskanzleramt.gv.at/personalvertretungsaufsichtsbehorde
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