TE Lvwg Erkenntnis 2021/9/30 LVwG-2021/44/0991-1

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Veröffentlicht am 30.09.2021
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Entscheidungsdatum

30.09.2021

Norm

VStG §44a Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch Rechtsanwälte BB und CC, Adresse 2, **** Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 16.06.2020, Zahl ***, betreffend eines Strafverfahrens nach dem LMSVG,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:

„Im Zuge einer am 05. November 2019 im Betrieb DD, **** X., Adresse 3, durchgeführten Lebensmittelkontrolle wurde vom Lebensmittelaufsichtsorgan EE nachstehende Probe, nämlich „Muscheln extra 2 kg Holland“ mit der Probennummer *** um 08:23 Uhr entnommen und von der FF, **** W, Adresse 4, beurteilt. Eine ausführliche erläuternde Beurteilung entnehmen Sie bitte dem beigelegten Gutachten. Sie, AA, geb. am **.**.****, haben es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ des DD in **** X., Adresse 3, und als Inverkehrbringer der Ware zu verantworten, dass sich oben geschilderte Verwaltungsübertretung welche dem Gutachten zu entnehmen ist ergeben hat.“

Daher habe er gegen § 5 Abs 1 Z 1 iVm § 90 Abs 1 Z 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) verstoßen und sei zu ermahnen. Außerdem habe er gemäß § 71 Abs 3 LMSVG die Untersuchungsgebühr der FF in Höhe von € 254,20 zu ersetzten.

Mit Schreiben vom 09.07.2020 hat er dagegen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und unter anderem eingewandt, dass ihm die Ermahnung ohne das erwähnte Gutachten zugestellt worden sei.

Tatsächlich lässt sich dem Strafakt der Behörde nicht entnehmen, dass das angefochtene Straferkenntnis mitsamt einem Gutachten abgefertigt worden ist. Das im Schuldspruch genannte Gutachten wurde auch nicht individualisiert; weder der oder die Gutachterin, noch das Datum oder eine Geschäftszahl können dem Straferkenntnis entnommen werden.

II.      Erwägungen:

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Die Verweisung auf ein Gutachten zur Einhaltung des § 44a Z 1 VStG setzt voraus, dass der Formulierung des Schuldspruches zweifelsfrei zu entnehmen ist, dass das Gutachten bzw ein bestimmter Teil des Gutachtens zum Bestandteil des Schuldspruches erklärt wird und, dass das Gutachten dem Straferkenntnis angeschlossen ist (vgl VwGH 30.09.1993, 92/18/0118).

Im vorliegenden Fall wird im Schuldspruch nur ausgeführt, dass eine Beurteilung der „Muscheln extra 2 kg Holland“ bzw die Verwaltungsübertretung dem beigelegten Gutachten entnommen werden könne. Das Straferkenntnis selbst lässt weder erkennen, um welches konkrete Gutachten es sich handelt, noch, welche Tat dem Beschwerdeführer in Zusammenhang mit den Muscheln vorgeworfen wird. Es liegt auch kein Anhaltspunkt dafür vor, dass das Straferkenntnis mitsamt einem Gutachten zugestellt worden ist.

Ergibt sich die dem Beschuldigten angelastete Tat nicht aus dem Text des Spruches, sondern wird nur auf eine nicht angeschlossene Beilage verwiesen, ist hinsichtlich der als erwiesen angenommenen Tat den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG nicht Genüge getan. Das Fehlen eines konkreten Tatvorwurfes setzt den Beschwerdeführer der Gefahr einer Doppelbestrafung aus und beeinträchtigt seine Verteidigungsrechte (vgl VwGH 19.12.2014, Ro 2014/02/0087).

Zumal das angefochtene Straferkenntnis keine Tat erkennen lässt, kommt keine Berichtigung in Betracht. Die Heranziehung eines anderen als des der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhalts im Beschwerdeverfahren würde nämlich zu einem unzulässigen Austausch der Tat führen. Der Beschwerde ist daher Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

III.    Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Fehlen eines Tatvorwurfs

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.44.0991.1

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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