TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/24 W122 2218207-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.08.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

24.08.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §32 Abs1
WG 2001 §26 Abs1 Z2

Spruch


W122 2218207-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , wohnhaft in XXXX , auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 25.10.2019, Zl. W122 2218207-1/4E abgeschlossenen Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht, i.A. Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes, Bescheid des Militärkommandos Wien vom 26.02.2019, Zl. P996782/29-MilKdoW/Kdo/ErgAbt/2018 (6), zu Recht:

A) Der Antrag auf Wiederaufnahme wird gemäß § 28 Abs. 2 iVm § 32 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer beantragte am 03.12.2018 die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes.

2. Mit dem oben genannten Bescheid vom 26.02.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf befristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes vom 06.05.2019 bis 05.11.2019 abgewiesen.

3. Mit Schreiben vom 27.03.2019 wurde der Antragsteller seitens der belangten Behörde zur Übermittlung eines mit einer Diagnose versehenen fachärztlichen Gutachtens zur Prüfung der Frage, ob sein Gesundheitszustand eine amtswegige Aufhebung des Einberufungsbefehls rechtfertigt, aufgefordert.

4. Der Antragsteller legte einen klinisch-psychologischen Befund vom 15.04.2019 vor, der eine leichte depressive Episode diagnostizierte.

5. Mit Schreiben vom 25.04.2019 teilte die Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass sie keine Anhaltspunkte für eine Änderung seiner Eignung zum Wehrdienst erkenne und von ihrem Recht, den Einberufungsbefehl von Amts wegen aufzuheben, nicht Gebrauch mache. Der Beschwerdeführer wurde auf den weiterhin gültigen Einberufungsbefehl hingewiesen, den er zu befolgen habe.

6. Mit dem oben angeführten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.10.2019, Zl. W122 2218207-1/4E, wurde die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien vom 26.02.2019 abgewiesen.

7. Mit dem gegenständlichen Antrag vom 10.11.2019 wurde die Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt. Der Beschwerdeführer stützte sich in seiner Begründung auf die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 Z 2 (neue Tatsachen oder Beweismittel, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten) und Z 3 (nachträglich andere Entscheidung in wesentlichen Punkten durch die zuständige Verwaltungsbehörde bzw. das zuständige Gericht über ein Vorfrage iSd § 38 AVG), sowie jenen der Z 1 (Erschleichung des Erkenntnisses).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Mit Einberufungsbefehl vom 09.11.2018 wurde der Antragssteller zur Leistung seines Grundwehrdienstes vom 06.05.2019 bis 05.11.2019 einberufen.

1.2 Am 03.12.2018 beantragte der Antragssteller die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes. Mit dem oben genannten Bescheid vom 26.02.2019 wurde sein Antrag abgewiesen, wogegen er Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhob.

1.3 Mit Schreiben vom 27.03.2019 wurde der Antragsteller seitens der belangten Behörde zur Übermittlung eines mit einer Diagnose versehenen fachärztlichen Gutachtens zur Prüfung der Frage, ob sein Gesundheitszustand eine amtswegige Aufhebung des Einberufungsbefehls rechtfertigt, aufgefordert.

Der Antragsteller legte einen klinisch-psychologischen Befund vom 15.04.2019 vor, der eine leichte depressive Episode diagnostizierte.

Nach Ansicht der Behörde bot der vorgelegte Befund keine Anhaltspunkte für eine Änderung seiner Eignung zum Wehrdienst.

1.4 Der Antragsteller hatte somit dem weiterhin gültigen Einberufungsbefehl Folge zu leisten.

1.5 Am 30.04.2019 wurde die Beschwerde des Antragstellers gegen die Abweisung des Antrags auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes dem Bundesverwaltungsgericht samt bezughabenden Akten zur Entscheidung vorgelegt. Weder ergänzte der Antragsteller sein Beschwerdevorbringen inhaltlich noch legte er zusätzliche relevante Beweise vor.

1.6 Mit dem oben angeführten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.10.2019, Zl. W122 2218207-1/4E, wurde die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien vom 26.02.2019 abgewiesen.

1.7 Mit dem gegenständlichen Antrag wurde die Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen konnten unmittelbar auf Grund der Aktenlage, insbesondere auf Grundlage der vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Schriftstücke, getroffen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt in Ermangelung einer anderslautenden Spezialnorm Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bzw. eine mündliche Erörterung lässt angesichts des unstrittigen Sachverhaltes keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten. Im vorliegenden Fall ging es nicht um Fragen der Beweiswürdigung oder strittige Tatsachenfeststellungen, sondern Verfahrensgegenstand war nur die Lösung von Rechtsfragen. Es stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen (§ 24 Abs. 4 VwGVG; vgl. auch etwa EGMR 18.7.2013, Fall Schädler-Eberle, Appl. 56.422/09; VfGH 15.10.2016, A7/2016; VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117).

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Die relevante Bestimmung des § 32 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2017, lautet:

„Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1.

das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2.

neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3.

das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4.

nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.“

3.2 Der Antragsteller begehrt die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens betreffend die Abweisung seines Antrags auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001. Das Beschwerdeverfahren wurde mit hg. Erkenntnis vom 25.10.2019 rechtskräftig abgeschlossen.

Der Antragsteller erblickt einen Wiederaufnahmegrund darin, dass das Bundesverwaltungsgericht trotz ausdrücklichem Antrag der Partei auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet habe. Aus diesem Grund habe der Beschwerdeführer wesentliche Beweismittel zur Frage seiner (Un-)Tauglichkeit, insbesondere ein fachärztliches Gutachten, nicht vorbringen können. Es handle sich daher um eine rechtswidrige Unterlassung in mutwilliger Verletzungsabsicht der Grundrechte nach Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC, was für den Beschwerdeführer aufgrund der Verhandlungspflicht nicht vorhersehbar gewesen sei, und erfülle damit den Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG. Weiters wären die Beweismittel zur fehlenden Tauglichkeit des Beschwerdeführers maßgeblich für die Vorfrage der (Un-)Tauglichkeit, welche im Verfahren nach § 18b Abs. 4 zweiter Satz WG 2001 noch zu klären sei. Daher sei auch der Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 2 Z 3 VwGVG gegeben.

Außerdem stelle das Verschweigen der genannten Beweismittel, die sich im behördlichen Akt befinden sollten, eine Vortäuschung falscher Tatsachen durch die belangte Behörde dar und erfülle somit den Tatbestand der Erschleichung des angefochtenen unrichtigen Erkenntnisses. Denn bereits das Vorliegen medizinischer Fakten, die zu einem Wegfall der Voraussetzung der Tauglichkeit für die Befreiung von der Wehrpflicht führen müssten, verlange nach der Judikatur zwingend die Durchführung einer Verhandlung (VwGH 15.07.2019, Ra 2017/11/0240). Durch die bewusst unwahren Angaben der Behörde oder durch die bewusst rechtswidrige Unterlassung der Beweiswürdigung der in der Beschwerde und den Akten befindlichen Beweise oder durch die bewusst rechtswidrige Entscheidung unter Vortäuschung falscher Tatsachen im Widerspruch zu den genannten Beweisen durch den Richter im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sei auf eine Erschleichung des Erkenntnisses durch die belangte Behörde bzw. den Richter der Bundesverwaltungsgerichtes zu schließen. Nachdem es ein Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht bei Voraussetzungen wegen berücksichtigungswürdiger wirtschaftlicher Gründe gäbe und diese im gegenständlichen Fall vorlägen, sei die VwGH-Rechtsprechung betreffend die Verhandlungspflicht anwendbar. Die Unterlassung der Durchführung einer ausdrücklich beantragten Verhandlung zur Klärung des wahren Sachverhalts sei daher durch falsche Angaben, Annahme und falsche Beweiswürdigung erschlichen worden und stelle auch einen Wiederaufnahmegrund iSd § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG dar.

3.3 Zum Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes der Z 1:

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das Bestehen von Wiederaufnahmegründen – weil sie eine Durchbrechung der Rechtskraft und damit einen Eingriff in die Rechtssicherheit ermöglichen – streng zu prüfen (vgl. etwa VwGH 22.3.2011, 2008/21/0428). Der Wiederaufnahmewerber muss den Grund, auf den sich das Wiederaufnahmebegehren stützt, in seinem Antrag aus eigenem Antrieb konkretisiert und schlüssig darlegen (vgl. etwa VwGH 26.4.2013, 2011/11/0051). Der Antrag kann nur dann zur Wiederaufnahme führen, wenn er Tatsachen vorbringt, auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft, dass sie im wiederaufzunehmenden Verfahren zu einer anderen Entscheidung geführt hätten (vgl. etwa VwGH 22.10.2020, Ra 2018/11/0126 mit Verweis auf VwGH 26.4.2013, 2011/11/0051; 19.2.2014, 2013/08/0275; 14.3.2019, Ra 2018/18/0403; 4.3.2020, Ra 2020/18/0069). Das Rechtinstitut der Wiederaufnahme dient weder der allgemeinen Überprüfung eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens noch hat es den Zweck, es zu ermöglichen, dass allfällige Versäumnisse einer Partei im Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung von (außerordentlichen) Rechtsmitteln im Wege über die Wiederaufnahme nachgeholt werden. Ebensowenig dient die Wiederaufnahme dazu, eine allfällige Mangelhaftigkeit des früheren Verfahrens nachträglich geltend zu machen (vgl. etwa VwGH 24.9.2014, 2012/03/0165; VfSlg. 18.919/2009).

Im Gegensatz zur gerichtlich strafbaren Handlung kann vom Erschleichen eines Erkenntnisses nur dann gesprochen werden, wenn das Erkenntnis seitens einer Verfahrenspartei durch eine vorsätzliche (also schuldhafte), verpönte Einflussnahme auf die Entscheidungsunterlagen veranlasst wird (VwGH 8.9.1998, 98/08/0090; 7.9.2005, 2003/08/0171). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Erschleichung nur von der Partei oder ihrem Vertreter vorgenommen werden, da im Tatbestand „Erschleichen“ ein „Sichzuwenden“ liegt, wofür jedenfalls die Behörde nicht in Betracht kommt (VwGH 19.2.1992, 91/12/0296; vgl. auch VwGH 8.11.1995, 93/12/0178; 28.9.2000, 99/09/0063). Der Verwaltungsgerichtshof rekurriert bei dieser Auslegung auf die „naheliegende Bestimmung des § 530 Abs. 1 Z. 3 ZPO, der von strafbaren Betrugshandlungen des Gegners oder eines Parteienvertreters spricht“ (VwGH 19.2.1992, 91/12/0296).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt das „Erschleichen“ eines Erkenntnisses dann vor, wenn dieses in der Art zustande gekommen ist, dass beim Verwaltungsgericht von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Erkenntnis zugrunde gelegt worden sind (Kausalzusammenhang zwischen den unrichtigen Angaben und dem Entscheidungswillen), wobei das Verschweigen wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist (VwGH 25.4.1995, 94/20/0779; 29.1.2004, 2001/20/0346; 8.6.2006, 2004/01/0470).

Gegenständlich war es der nunmehrige Antragsteller, der ein Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht veranlasst, eingeleitet, angestrebt bzw. eine Handlung gesetzt, die auf die Erlassung eines Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts gerichtet war, indem er eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 26.02.2019 einbrachte, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.10.2019, W122 2218207-1, als unbegründet abgewiesen wurde.

Weder das Militärkommando Wien noch der zuständige Richter konnte daher in keiner denkmöglichen Weise eine vorsätzliche (also schuldhafte), verpönte Einflussnahme auf die Entscheidungsunterlagen des Bundesverwaltungsgerichts bewerkstelligen bzw. objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht machen, die als Erschleichung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts erkennbar wären.

3.4 Zum Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes der Z 2:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist Voraussetzung für die Stattgabe des Wiederaufnahmeantrags nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG 2014 insbesondere, dass die neuen Tatsachen oder Beweismittel ohne Verschulden der Partei nicht schon im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemacht werden konnten (vgl. VwGH 10.11.2020, Ra 2020/01/0195, mwN). Hat die Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht, obwohl ihr dies bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit möglich gewesen wäre, liegt ein ihr zuzurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (vgl. VwGH 1.7.2020, Ra 2017/06/0102; 24.6.2015, 2012/10/0243; jeweils mwN).

Wenn der Antragsteller vorbringt, er habe aufgrund der Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wesentliche Beweise nicht vorbringen können, ist dem entgegen zu halten, dass die erste Aufforderung der Behörde zur neuerlichen Stellung gemäß § 18b Abs. 4 zweiter Satz WG 2001 am 27.03.2019 erfolgte. Bis zur Vorlage der Beschwerde am 30.04.2019 an das Bundesverwaltungsgericht war es dem Antragsteller möglich, von ihm als bedeutend erachtete Beweise der Behörde vorzulegen; in der Folge hätten diese bis zur Entscheidung am 25.10.2019 direkt beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht werden können. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsteller dies nicht getan hat, obwohl es ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit möglich gewesen wäre weitere Beweise vorzubringen, sondern bis zu einer Durchführung einer mündlichen Verhandlung zuwarten wolle. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Antragsteller genannten Beweise im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht bereits im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht geltend gemacht wurden.

3.5 Zum Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes der Z 3:

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 3 VwGVG liegt ein Wiederaufnahmegrund vor, wenn das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Der Antragsteller erkennt einen Wiederaufnahmegrund nach Z 3 darin, dass aufgrund der Veränderung seines Gesundheitszustandes seit der erstmaligen Feststellung seiner Tauglichkeit vom XXXX amtswegig ein Verfahren nach § 18b Abs. 4 zweiter Satz WG 2001 eingeleitet worden sei und seine Tauglichkeit erneut geprüft werden müsse.

Bei der Prüfung des der Behörde vom Beschwerdeführer vorgelegten klinisch-psychologischen Befundes vom 15.04.2019, ausgestellt von XXXX , kam der medizinische Sachverständige der Behörde zu dem Ergebnis, dass die beim Antragsteller vorliegende Gesundheitseinschränkung nicht derart erheblich sei, dass eine Änderung seiner Eignung zum Wehrdienst angenommen werden könne. Die Behörde verwies in ihrem Schreiben auf die bei Antritt des Präsenzdienstes durchzuführende militärärztliche Einstellungsuntersuchung, bei der seine Dienstfähig erneut überprüft werden würde, bei der der Antragsteller erneut die Möglichkeit hätte, weitere ärztliche Atteste, Befunde oä vorzulegen. Trotz des wiederholten Hinweises seitens der Behörde auf die weiterhin bestehende Gültigkeit des Einberufungsbefehls leistete der Antragsteller diesem nicht Folge und konnte daher auch nicht militärärztlich untersucht werden.

Somit liegt im gegenständlichen Fall keine Entscheidung der Behörde über die allenfalls anzunehmende Vorfrage der Tauglichkeit des Antragstellers vor, von der die Beurteilung der Beschwerde betreffend die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes abhängig gewesen wäre und ist das Vorliegen dieses Wiederaufnahmegrundes ebenfalls zu verneinen.

Dem Wiederaufnahmeantrag ist daher mangels Erfüllung der dafür normierten Voraussetzungen nicht stattzugeben.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Befreiungsantrag Gesundheitszustand Grundwehrdienst mündliche Verhandlung Sachverständigengutachten Wiederaufnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W122.2218207.2.00

Im RIS seit

01.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten