TE Vwgh Erkenntnis 2021/8/5 Ra 2021/18/0021

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Veröffentlicht am 05.08.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §69 Abs1 Z1
AVG §69 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des G H vertreten durch Mag. Eva Velibeyoglu, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Columbusgasse 65/22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juli 2020, I422 2227488-1/10E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen aus Kamerun, wurde mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom
3. Jänner 2019 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und seine Flüchtlingseigenschaft festgestellt. In einem Aktenvermerk hielt die Behörde fest, dass der Revisionswerber in glaubwürdiger Weise angegeben habe, ihm würde in seinem Herkunftsstaat wegen Bisexualität asylrelevante Verfolgung drohen. Deshalb sei in Verbindung mit der allgemeinen Situation in Kamerun davon auszugehen, dass er bei Rückkehr nach Kamerun tatsächlich einer asylrelevanten Verfolgung bzw. Gefahr für sein Leben ausgesetzt wäre.

2        Mit Schreiben vom 8. April 2019 teilte die Österreichische Botschaft Abuja dem BFA mit, die Ehefrau des Revisionswerbers habe an diesem Tag zusammen mit ihren minderjährigen Töchtern an der Botschaft wegen Familiennachzugs nach Österreich vorgesprochen. Das Interview sei auf Englisch geführt worden, welches die Ehefrau gut beherrsche. Sie habe erzählt, dass ihr Gatte (der Revisionswerber) für mehr als zehn Jahre in Yaounde bei einer Firma als Elektriker gearbeitet habe. Dann sei es zu „Anschuldigungen“ gekommen. Zuerst habe sie nur den Vorwurf der Homosexualität erwähnt und dann hinzugefügt, dass auch der Vorwurf von Diebstahl (Firmenmaterial) im Raum gestanden sei. Danach habe sie angegeben, dass das eigentliche Problem der nachgewiesene Diebstahl und nicht der Vorwurf der Homosexualität gewesen sei. Nachdem der Revisionswerber schon in Kamerun eine schwangere Ehefrau gehabt habe, wäre der Vorwurf der Homosexualität leicht zu entkräften gewesen. Somit müsse die Botschaft davon ausgehen, dass der Revisionswerber in Kamerun lediglich bezüglich des Diebstahls und (möglicherweise) Hehlerei mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sei. Daraus jedoch einen Asylgrund abzuleiten, sei für die Botschaft schwer nachvollziehbar. Die Botschaft rege daher eine Wiederaufnahme des Asylverfahrens an.

3        Das BFA konfrontierte den Revisionswerber in weiterer Folge mit den Angaben seiner Ehefrau. Dieser führte aus, in Kamerun wegen seiner Bisexualität ein Doppelleben geführt zu haben. Sein Fluchtgrund sei die Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung gewesen. Den Vorwurf eines Diebstahls habe es aber auch einmal gegeben. Zu den Angaben seiner Ehefrau meinte der Revisionswerber, sie habe unter Stress gestanden und die an sie gestellten Fragen nicht verstanden. Sie spreche kein Englisch. Auch habe sie keine Details genannt und über die Homosexualität des Revisionswerbers vor den Kindern nicht sprechen wollen.

4        Mit Bescheid vom 17. Dezember 2019 nahm das BFA das Asylverfahren des Revisionswerbers gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG (Erschleichen des Asylstatus durch unwahre Behauptungen über die angebliche Bisexualität) wieder auf, wies den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kamerun zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

5        Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), in der er darauf hinwies, dass die Ehefrau des Revisionswerbers französischsprachig und durch das Interview an der Österreichischen Botschaft in englischer Sprache überfordert gewesen sei. Es sei „logisch“, dass die Ehefrau die Ereignisse aus einer anderen Perspektive wahrgenommen habe und über die Bisexualität des Revisionswerbers vor den Kindern nicht habe sprechen wollen. Zwischen ihren Angaben und jenen des Revisionswerbers, die zu Asyl geführt hätten, gebe es keine wesentlichen Unterschiede. Zum Beweis wurde u.a. die Einvernahme der Ehefrau sowie die Beischaffung der Unterlagen über die Befragung der Ehefrau an der Österreichischen Botschaft Abuja beantragt.

6        Das BVwG richtete am 12. Mai 2020 eine Anfrage an die Österreichische Botschaft Abuja, ob weitere Unterlagen, insbesondere ein detailliertes Befragungsprotokoll, über die Einvernahme der Ehefrau des Revisionswerbers vorlägen und ersuchte gegebenenfalls um Übermittlung des Befragungsprotokolls. Außerdem wurde angefragt, ob es - wie vom Revisionswerber behauptet - sprachliche Probleme bei der Befragung gegeben habe.

7        Zu dieser Anfrage teilte die Österreichische Botschaft Abuja am 13. Mai 2020 mit, ihre Anregung zur Wiederaufnahme des Verfahrens habe auf einem Interview mit der Ehefrau des Revisionswerbers beruht. Ein detailliertes Befragungsprotokoll existiere nicht. Was vorliege, seien lediglich die handschriftlichen Aufzeichnungen einer Bediensteten, die an der Befragung beteiligt gewesen sei. Die Ehefrau des Revisionswerbers habe angegeben, seit fünf Jahren als Lehrerin in einer Volksschule zu arbeiten. Da in Kamerun sowohl Französisch als auch Englisch Amtssprachen seien und beide Sprachen bereits ab der Volksschule gelehrt würden, könne die Botschaft davon ausgehen, dass die Genannte in beiden Sprachen unterrichte. Das gesamte Interview sei in englischer Sprache geführt worden. Bedenken, dass die Genannte dem Interview nicht habe folgen können, bestünden von Seiten der Botschaft nicht.

8        Am 15. Juni 2020 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, in der dem Gericht u.a. ein Schreiben der Ehefrau des Revisionswerbers vom 29. November 2019 übergeben wurde. In diesem führte die Ehefrau zusammengefasst aus, sie habe sich in der Österreichischen Botschaft Abuja auf Englisch verständigen müssen, obwohl es sich dabei nicht um ihre gewohnte Alltagssprache handle. Die einvernehmende Frau habe von ihr verlangt, Englisch zu sprechen, anderenfalls würde sie nach Hause zurückgeschickt und könne zu einem späteren Termin mit Dolmetscher wiederkommen. Angesichts der damit verbundenen Belastungen (Flugtickets, Stress für die Kinder, schwieriger Ortswechsel und Panik) habe sie widerwillig akzeptiert, die Befragung in Englisch durchzuführen, wodurch sie nicht einmal alle Fragen, die ihr gestellt worden seien, verstanden habe. Bei der Befragung habe man von ihr wissen wollen, weshalb ihr Ehemann die Firma, bei der er in Kamerun beschäftigt gewesen sei, verlassen habe. Sie habe angegeben, dass sein Team, mit dem er zusammengearbeitet habe, ungerechtfertigter Weise des Diebstahls von Elektrokabeln bezichtigt worden sei. Sie habe niemals ausgesagt, ihr Mann habe das Elektrokabel entwendet. In der Folge sei sie zu den Ausreisegründen ihres Ehemanns befragt worden. Sie habe geantwortet, ihr Mann habe ein Doppelleben geführt, er sei bisexuell und würde in Kamerun als Homosexueller angesehen, was einer Straftat entspreche und unter Strafe stehe. Sie habe sexuelle Handlungen ihres Ehemanns mit dem Pfarrer der Gemeinde beobachtet; in der Folge hätten aufgebrachte Bewohner des Viertels versucht, ihren Ehemann und den Pfarrer lebendig unter Autoreifen zu verbrennen. Sie habe die Polizei gerufen, die ihren Ehemann mitgenommen habe. Später habe dieser sie informiert, geflohen zu sein. Sie wolle nochmals darauf hinweisen, dass sie die Fragen nicht verstanden habe, weil ihr Englisch nicht ausreichend sei und bei der Einvernahme auf sie Druck ausgeübt worden sei. Sie hoffe, mit diesem Schreiben zur Aufklärung der Geschehnisse bei der Botschaft beigetragen zu haben.

9        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

10       Begründend stellte das BVwG fest, dass der Revisionswerber weder homo- noch bisexuell sei und seinen Herkunftsstaat auch nicht wegen seiner sexuellen Orientierung verlassen habe. Beweiswürdigend setzte sich das BVwG umfangreich mit den Angaben des Revisionswerbers im seinerzeitigen Asylverfahren auseinander und bemühte sich, Ungereimtheiten in seinen Aussagen aufzuzeigen. Dafür, dass es sich beim vorgebrachten Fluchtmotiv um einen vorgeschobenen Ausreisegrund handelte, sprächen insbesondere die Angaben der Ehefrau des Revisionswerbers vor der Österreichischen Botschaft Abuja und das unmittelbare Verhalten des Revisionswerbers nach Erhalt des Asylstatus: So habe der Revisionswerber bereits in einer Einvernahme durch das BFA am 24. August 2018 von firmeninternen Problemen gesprochen, ohne jedoch im Detail darauf einzugehen. Von der weitreichenden Bedeutung dieser Firmenangelegenheiten habe das BFA schließlich durch das Schreiben der Österreichischen Botschaft Abuja vom 8. April 2019 erfahren. Demzufolge habe die Ehefrau des Revisionswerbers ausgeführt, dass das eigentliche Problem des Revisionswerbers in Kamerun nicht der Vorwurf der Homosexualität gewesen sei, sondern ein nachgewiesener Diebstahl im Unternehmen des Revisionswerbers. Der Revisionswerber habe versucht, die Angaben der Ehefrau abzuschwächen, weil sie bei der Einvernahme unter Stress gestanden sei, Englisch sprechen habe müssen und vor den gemeinsamen Kindern nicht über die Homosexualität des Revisionswerbers habe sprechen wollen. Diesen Einwänden sei nicht zu folgen, weil die Ehefrau trotz Anwesenheit der Kinder die Homosexualität zumindest angesprochen habe. Die Botschaft habe in ihrer Stellungnahme auch schlüssig dargelegt, dass die Ehefrau die englische Sprache gut beherrschte. Die Angaben der Ehefrau ließen auch nicht auf Verständnisschwierigkeiten schließen. Sie werde vom BVwG als persönlich glaubwürdig erachtet und es sei ihren getätigten und nachvollziehbaren Angaben grundsätzlich zu folgen. Der anderslautenden Stellungnahme der Ehefrau vom 29. November 2019 sei nicht zu folgen; vielmehr sehe das Gericht darin einen Versuch, das Scheitern des Familiennachzugs nachträglich zu verhindern. Dem Antrag in der Beschwerde, Unterlagen von der Botschaft beizuschaffen, sei entsprochen worden. Laut Auskunft der Botschaft existiere aber kein detailliertes Befragungsprotokoll. Es hätten sich für das BVwG keinerlei Zweifel ergeben, dass die handschriftlichen Notizen der Botschaftsmitarbeiterin in der Stellungnahme der Botschaft (gemeint offenbar: vom 8. April 2019) ihren Niederschlag gefunden hätten. Unter Verweis auf die vorangegangenen Ausführungen zur mangelnden Glaubhaftigkeit der Angaben des Revisionswerbers einerseits und zur Schlüssigkeit und persönlichen Glaubwürdigkeit der Ehefrau andererseits, erachte es das BVwG somit als nicht erforderlich, weitere Ermittlungen zu den Angaben der Ehefrau zu tätigen.

11       Rechtlich folgerte das BVwG, dass in Ansehung des Akteninhalts, der Angaben des Revisionswerbers und seiner Ehefrau vor der Österreichischen Botschaft Abuja davon auszugehen sei, dass der Revisionswerber im Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich seines Fluchtgrundes, im Genaueren seiner behaupteten Bisexualität, unrichtige Angaben gemacht sowie entscheidungswesentliche Tatsachen für seine Ausreise, wie eben den firmeninternen Diebstahl, verschwiegen habe. Diese Angaben zu seinem Fluchtgrund seien von wesentlicher und nicht bloß untergeordneter Bedeutung gewesen. Die Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens über den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG seien somit erfüllt; sein Antrag auf internationalen Schutz im Übrigen nicht berechtigt gewesen.

12       Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit und in der Sache u.a. geltend macht, das BVwG habe nur in eine Richtung (nämlich zu Lasten des Revisionswerbers) ermittelt und - entgegen seinem Beweisantrag - die vorhandenen Unterlagen (handschriftliche Aufzeichnungen) über die Befragung der Ehefrau des Revisionswerbers nicht beigeschafft. Das BVwG stütze sich letztlich auf behauptete handschriftliche Unterlagen über die Befragung der Ehefrau des Revisionswerbers, deren Inhalt unbekannt sei. Auch die Botschaftsmitarbeiterin, die diese Aufzeichnungen gemacht haben soll, bleibe im Dunkeln. Insgesamt bleibe das BVwG den Nachweis dafür schuldig, dass der Revisionswerber entgegen der ursprünglichen Feststellung im Asylverfahren nicht homosexuell veranlagt sei.

13       Das BFA hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.

14       Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

15       Die Revision ist zulässig und begründet.

16       Gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG kann die Wiederaufnahme eines Verfahrens von Amts wegen verfügt werden, wenn der (verfahrensbeendende) Bescheid - hier die Zuerkennung des Asylstatus durch das BFA mit Bescheid vom 3. Jänner 2019 - durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist.

17       Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt das „Erschleichen“ eines Bescheides vor, wenn dieser in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind, wobei die Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Lage bestehen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere, der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen (vgl. etwa VwGH 6.4.2020, Ra 2019/01/0169, mwN).

18       Im gegenständlichen Fall ging das BVwG davon aus, dass diese Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Asylverfahrens des Revisionswerbers durch das BFA gegeben gewesen seien, dass der Revisionswerber seine Bisexualität nur vorgeschützt habe und seinen Herkunftsstaat in Wirklichkeit zur Vermeidung einer Strafverfolgung wegen eines Diebstahls verlassen habe.

19       Zur Begründung dieser Einschätzung nahm das BVwG zunächst auf die Angaben des Revisionswerbers im Asylverfahren Bezug und würdigte diese als unglaubhaft; dies abweichend vom BFA, das die Angaben des Revisionswerbers seinerzeit als glaubhaft einschätzte und deshalb Asyl gewährte. Allein dies rechtfertigt die Wiederaufnahme des Verfahrens schon deshalb nicht, weil damit eine Irreführungsabsicht des Revisionswerbers nicht dargelegt wird.

20       Im Folgenden stütze sich das BVwG tragend auf das Schreiben der Österreichischen Botschaft Abuja vom 8. April 2019 und die dort wiedergegebenen angeblichen Auskünfte der Ehefrau des Revisionswerbers, wonach „das eigentliche Problem [des Revisionswerbers] der nachgewiesene Diebstahl und nicht der Vorwurf der Homosexualität“ gewesen sei.

21       Zu Recht macht die Revision geltend, dass dem BVwG mit Ausnahme des Schreibens der Botschaft, in dem diese Ausführungen enthalten waren, keine Beweise vorlagen, um die tatsächlichen Angaben der Ehefrau des Revisionswerbers überprüfen zu können. Dem Verwaltungsgericht wurde von der Botschaft weder ein (allenfalls von der Ehefrau unterfertigtes) Protokoll ihrer Befragung noch (zumindest) die handschriftlichen Aufzeichnungen einer Botschaftsmitarbeiterin übermittelt, die dem Schreiben der Österreichischen Botschaft Abuja zugrunde gelegen haben sollen. Es ist nicht einmal aktenkundig, um welche Botschaftsmitarbeiterin es sich gehandelt hat, welche die entsprechenden Aufzeichnungen gemacht haben soll bzw. ob sie oder wer sonst die Befragung durchgeführt hat. Auf dieser Grundlage ist nicht nachvollziehbar, wenn das BVwG ausführt, es ergäben sich keinerlei Zweifel, dass die handschriftlichen Notizen der Botschaftsmitarbeiterin im Schreiben der Österreichischen Botschaft Abuja ihren Niederschlag gefunden hätten und der Wahrheit entsprächen. Dies umso mehr, als die Ehefrau des Revisionswerbers in dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreiben eine davon abweichende Darstellung ihrer Aussage bei der Österreichischen Botschaft machte und auch der Revisionswerber weiterhin seine sexuelle Orientierung als entscheidenden Grund für die Flucht aus Kamerun anführte. Weshalb das BVwG von der Beischaffung weiterer Unterlagen und/oder einer förmlichen Einvernahme der Ehefrau des Revisionswerbers im Rechtshilfeweg Abstand nahm, erweist sich bei dieser Beweislage als nicht verständlich und begründet eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung zu Lasten des Revisionswerbers.

22       Auch liegt ein relevanter Begründungsmangel vor, wenn das BVwG die Ehefrau des Revisionswerbers als „persönlich glaubwürdig“ bezeichnete, dabei aber offensichtlich nur die von der Botschaft angeführten Angaben der Ehefrau im Auge hatte, während das Verwaltungsgericht gleichzeitig die schriftlichen Beteuerungen der Ehefrau, Derartiges nicht gesagt zu haben, als Schutzbehauptungen abtat.

23       Der Revision ist aber auch dahingehend Recht zu geben, dass die Feststellung des BVwG, der Revisionswerber sei nicht bisexuell, selbst in den von der Botschaft angeführten Angaben der Ehefrau keine Deckung findet, zumal sie die homosexuelle Orientierung des Revisionswerbers nicht in Abrede stellte.

24       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

25       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 5. August 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180021.L01

Im RIS seit

01.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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