TE Lvwg Erkenntnis 2021/3/5 VGW-103/040/6332/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.03.2021

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

PassG §10 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Schmid über die Beschwerde der Frau A. B. gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wien, Magistratsabteilung 62, vom 16.04.2020, Zl. …, betreffend Versagung eines Reisepasses nach dem Passgesetz (PassG), zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Absatz 1 und 2 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen.

II. Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der angefochtene Bescheid lautet in seinem Spruch:

„Ihr Antrag auf Ausstellung eines österreichischen Reisepasses lautend auf „di B. A.“ vom 13.10.2019 wird abgewiesen und die Ausstellung eines österreichischen Reisepasses lautend auf „die B. A.“ wird versagt.“

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerdeführerin (kurz BF) mit folgender Beschwerde:

„Ich erhebe gegen den Bescheid vom 17.4.2020, …, fristgemäß Beschwerde und begründe diese wie folgt.

Mit diesem Bescheid wurde mein Antrag auf Ausstellung eines österreichischen Reisepasses lautend auf „Di B. A.“ vom 13.10.2019 abgewiesen und die Paßausstellung verweigert.

Dieser Bescheid wird zur Gänze bekämpft, da er zu Unrecht ergangen ist.

Das bisherige Verfahren ist mangelhaft geblieben, da nicht geprüft wurde, ob ein historischer Adelsbezug meiner Vorfahren vorliegt oder ob diese Bezeichnung in der Vollzugsanweisung von 1919 zum Adelsaufhebungsgesetz 1919 ausdrücklich genannt ist. Es liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor (VfGH E 4050/2019)

Meine Vorfahren waren nie adelig sondern einfache Bauern. Sie sind vor mehr als 100 Jahren aus Italien zugezogen und haben in Kärnten am Land in einem Bauernhof gelebt und gearbeitet. Sie haben keine Funktionen ausgeübt, die dem Adel vorbehalten waren. Somit liegt kein historischer Adelsbezug vor.

Weiters ist das Wort „Di“ nicht in der Vollzugsanweisung von 1919 aufgezählt und daher nicht ausdrücklich verboten. Das Wort „Di“ hat in Österreich keine Bedeutung im Zusammenhang mit dem Adel, der durchschnittliche Österreicher fasst die Bedeutung als Namensbestandteil ohne eigenem Sinn auf und kommt nicht auf den Gedanken, dass es sich um eine frühere Adelige handelt. In der italienischen Sprache hat das Wort „Di“ viele Bedeutungen, hauptsächlich ist es eine Ortsbezeichnung, In früheren Jahrhunderten wurden den Leuten oft die Herkunftsbezeichnung zum Namen dazu gegeben, wenn er ein „Zugereister“ (Zugezogener) war.

Die Rechtsmeinung der BMI ist nur eine bloße Meinung und keine taugliche Begründung für die Entscheidung, sie entbindet die belangte Behörde nicht von den vom Verfassungsgericht gebotenen Erhebungen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Ich beantrage daher die Abänderung des angefochtenen Bescheides auf Stattgebung meines Antrages auf Ausstellung eines österreichischen Reisepasses lautend auf „Di B. A.“, in eventu Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Rückverweisung des Verfahrens an die belangte Behörde zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung, sowie die Anberaumung einer Verhandlung.“

Mit Beschluss vom 29.12.2020 wurde folgendes Parteiengehör:

„In Angelegenheit der Beschwerde der Frau A. B. (Beschwerdeführerin, kurz BF) gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wien, Magistratsabteilung 62, vom 16.04.2020, Zl. …, betreffend Versagung eines Reisepasses nach dem Passgesetz, teilt Ihnen das Verwaltungsgericht nachstehend seine vorläufige Rechtsansicht mit. Die BF stellte ursprünglich einen Antrag auf Ausstellung eines Reispasses unter dem Namen A. di B.. Nachdem die Passbehörde der BF ihre Rechtsansicht dazu bekannt gab, änderte diese ihren Antrag dahingehend ab, dass sie einen Reisepass auf den Namen A. B. begehrte und gleichzeitig am Antragsformular handschriftlich vermerkte, dass sie „auf den Adelstitel di“ verzichtet. Diesem Antrag gab die Passbehörde statt und stellte der BF einen Reisepass mit einer Gültigkeitsdauer von 10 Jahren aus. Die BF ergriff keine Rechtsmittel gegen die Ausstellung des Reisepasses auf A. B.. Im gegenständlichen Verfahren begehrt die BF die Ausstellung eines Reisepasses mit dem Namen A. di B.. Die Passbehörde wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dass der Namensteil „di“ nach dem „Adelsaufhebungsgesetz“ in Österreich nicht geführt werden darf. Das Verwaltungsgericht Wien vertritt vorläufig die Rechtsansicht, dass die BF mit ihrem zweiten Antrag lediglich die Richtigkeit der ersten Entscheidung der Passbehörde (die Ausstellung des Reisepasses auf A. B.) bestreitet und diese Entscheidung beseitigen möchte. Dem steht aber der Rechtsgrund der entschiedenen Sache entgegen. Zudem ergibt sich aus § 10 Passgesetz, dass für eine Person nur ein Reisepass auszustellen ist. Die dort genannten Gründe für einen weiteren Reisepass hat die BF nicht geltend gemacht. Aus diesen Überlegen beabsichtigt das Verwaltungsgericht – vorbehaltlich neuer Argumente seitens der Parteien – der Beschwerde nicht stattzugeben.“

Die belangte Behörde äußerte sich nicht; die BF gab eine Stellungnahme ab.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Festgestellt wird, dass im behördlichen Akt ein Antrag („Niederschrift – Reisepass“) vom 7.6.2019 einliegt, mit dem ein Reisepass auf den Namen A. B. begehrt wird. Handschriftlich ist auf diesem Antragsformular vermerkt „Ich erkläre mich einverstanden, die Adelsbezeichnung „DI“ in meinem Familiennamen gemäß Adelsaufhebungsgesetz im RP nicht eintragen zu lassen. Unmittelbar unter diesem Text findet sich die Unterschrift der BF (siehe Blatt 1). Auf der Übernahmebestätigung (Blatt 2) steht direkt über der Unterschrift der BF handschriftlich vermerkt: „Ich stimme der sofortigen Entwertung d. RP Nr. … lt. auf DI B. zu.“ Aus dem E-Mail vom 18.6.2019 (Blatt 9) ergibt sich, dass der Antrag ursprünglich mit dem Namen „DI B.“ eingebracht und nach Rechtsbelehrung auf „B.“ abgeändert wurde. Der BF wurde ein Reisepass mit der Nr. … am 7.6.2019 auf den Namen A. B. ausgestellt und ausgefolgt. Mit Schreiben vom 13.10.2019 beantragte die BF die Änderung des Nachnamens im Reisepass auf „Di B.“.

Diese Feststellungen gründen auf dem unbedenklichen Akteninhalt. Die Dokumentation der Behörde steht im Einklang mit den Ausführungen der BF.

Rechtlich folgt daraus:

Der BF wurde entsprechend ihres (geänderten) Antrages ein Reisepass auf A. B. ausgestellt. Mag diese Antragsänderung auch aufgrund einer Rechtsbelehrung durch die Behörde vorgenommen worden sein, erfolgte diese doch aus freien Stücken.

Aus § 10 Absatz 1 Passgesetz ergibt sich, dass grundsätzlich pro Person nur ein Reisepass ausgestellt werden darf. Die dort dargestellten Ausnahmen treffen auf die BF nicht zu. Die Ausstellung eines neuen Reisepasses – neben den schon ausgefolgten – ist daher rechtlich nicht möglich.

Eine Namensänderung im Reisepass wäre möglich, wenn sich der Name seit der Ausstellung des Reisepasses am 7.6.2019 geändert hätte. Dies trifft nicht zu.

Bei der Ausstellung eines Reisepasses handelt es sich um die Erlassung eines Bescheides. Die Urkunde „Reisepass“ gilt als Bescheid (vgl. diesbezüglich VwGH vom 31.1.2017, Ra 2015/03/0066).

Offenbar – so wird von der BF im Verfahren vorgebracht – wurde die BF auch mündlich darüber informiert, dass sie „an oberer Stelle“ eine andere Entscheidung beantragen könne. Die Zustellung eines abweisenden Bescheides (bezüglich „Di“) wurde nicht beantragt.

Die Passbehörde hat daher mit der Ausstellung des Reisepasses ohne „Di“ klar zu erkennen gegeben, dass sie die Ausstellung eines Reisepasses mit diesem Namensteil bzw. Adelstitels (diese Frage kann hier aus formellen Gründen nicht geklärt werden und würde überdies eines Sachverständigengutachtens bedürfen) verweigert. Ein Rechtsmittel wurde von der BF nicht ergriffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage der entschiedenen Sache jüngst judiziert (Erkenntnis vom 26.1.2021, Ro 2020/07/0010-3; auszugsweise Wiedergabe):

„25 Aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft folge grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung, die selbstverständlich auch von den Verwaltungsgerichten zu beachten sei.

38 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung darf auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden. Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens, wobei die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens allgemein anzuwenden sind.

40 Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl. zu all dem VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050, mwN).

41 Daher war auch das Verwaltungsgericht an die Rechtskraft des Bescheids gebunden, ohne die Richtigkeit desselben noch einmal überprüfen zu dürfen.“

Dieser Rechtsprechung des Höchstgerichts folgend, ist von der Verwaltungsbehörde bereits rechtsverbindlich über die Frage des Familiennamens entschieden worden. Es ist weder ein neuer Sachverhalt hervorgekommen, der der Behörde bzw. der BF nicht schon zum Zeitpunkt der Beantragung des Reisepasses im Jahr 2019 bekannt gewesen wäre, noch hat sich die Rechtslage geändert. Der BF wäre ab Ausstellung des Reisepasses eine vierwöchige Frist zur Einbringung einer Beschwerde offen gestanden. Sollte ein Rechtsirrtum bei der BF vorgelegen sein, hätte ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt werden können. All diese Fristen sind abgelaufen.

Die Behörde ist im Ergebnis zurecht davon ausgegangen, dass die beantragte Namensänderung im gültigen Reisepass nicht möglich ist. Die Beschwerde ist daher gemäß § 28 Absatz 1 und 2 VwGVG abzuweisen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Vor allem liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Reisepass; Ausstellung; Bescheidcharakter; entschiedene Sache; ne bis in idem; res iudicata; Wiederholungsverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.103.040.6332.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.08.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten