TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/6 95/09/0316

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Veröffentlicht am 06.03.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §67d impl;
VStG §51e Abs1;
VStG §51e Abs2;
VStG §51g Abs2;
VStG §51g Abs4;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Mag. J in N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 11. Oktober 1995, Zl. VwSen-250318/5/Kon/Fb, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 3. Juni 1994 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m.

§ 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) zu einer Geldstrafe von S 5.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen bestraft, weil er vom Juli 1993 bis zum 5. November 1993 eine tschechische Staatsbürgerin in seinem Haus in N als Hausmädchen beschäftigt habe, obwohl für diese Ausländerin weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch ein Befreiungsschein bzw. eine Arbeitserlaubnis ausgestellt worden sei. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die genannte Ausländerin angegeben habe, nur Gelegenheitsarbeiten zu verrichten. Sie habe dafür kein Geld bekommen, habe aber gratis wohnen dürfen und Verpflegung (Naturalentlohnung) erhalten. Sie habe etwa 60 Nächte im Haus des Beschwerdeführers verbracht, die andere Zeit sei sie von ihrem Vater abgeholt worden oder per Anhalter nach Hause gefahren. Der Beschwerdeführer habe in einer Stellungnahme angegeben, es sei das primäre Interesse der Ausländerin gewesen, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, weiters habe sich eine Freundschaft zwischen ihr und seinem Sohn, der von ihr bereits Tschechischkenntnisse erworben habe, entwickelt. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt kam zu dem Ergebnis, daß für die Tätigkeit der Ausländerin eine Beschäftigungsbewilligung notwendig gewesen wäre.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er im wesentlichen ausführte, daß die Ausländerin im gegenständlichen Zeitraum nur etwa 60 Nächte in Österreich gewesen sei, was somit eine bloß 40-prozentige Anwesenheit bei seiner Familie bedeute. Hier könne nicht von einem Au-Pair-Verhältnis gesprochen werden. Der tatsächliche Grund für den Aufenthalt der Ausländerin sei es gewesen, daß seinem Sohn die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, die tschechische Sprache in spielerischer Weise zu erlernen. Die Ausländerin hätte hingegen die Möglichkeit gehabt, ihre Deutschkenntnisse zu vertiefen. Wenn nun eine 19-jährige Frau diese Möglichkeit wahrnehme und ohne dies zu bezahlen bei einer Familie wohnen könne und Verpflegung erhalte, dann sei es nur natürlich, daß sie die Hausfrau bei ihrer Tätigkeit auch etwas unterstütze. Der Beschwerdeführer stellte in seiner Berufung den Antrag, die belangte Behörde wolle das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung aufheben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (belangte Behörde) vom 11. Oktober 1995 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Schuldspruchs keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt. Hinsichtlich des Strafausspruches wurde der Berufung insoweit Folge gegeben, als die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf die Dauer von 60 Stunden herabgesetzt wurde. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß es sich bei der Verwendung einer Au-Pair-Kraft um ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG und damit um eine Beschäftigung im Sinne dieses Gesetzes auch dann handle, wenn ein Au-Pair-Mädchen für einen Zeitraum von weniger als einem Jahr beschäftigt werde. Auch der Umstand, daß im vorliegenden Fall die Ausländerin innerhalb des Tatzeitraumes lediglich 60 Nächte in Österreich verbracht habe, stehe dieser Qualifikation ihrer Tätigkeit nicht entgegen, weil die Entlohnung einer Au-Pair-Tätigkeit im wesentlichen in der unentgeltlichen Gewährung von Unterkunft und Verpflegung bestehe und weiters, weil im Rahmen eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses der Beschäftigte auch über ein höheres Maß an Dispositionsmöglichkeit in bezug auf seine Arbeitszeit verfüge.

Die im Spruch des Bescheides der Behörde erster Instanz genannte Ausländerin habe bei ihrer Vernehmung am Gendarmeriepostenkommando am 5. November 1993 angegeben, nur Gelegenheitsarbeiten verrichtet zu haben, wofür sie kein Geld bekommen habe. Sie hätte aber gratis wohnen dürfen und auch Verpflegung bekommen. Sie sei der Meinung gewesen, daß sie in Österreich habe arbeiten dürfen, wenn sie kein Geld dafür bekomme. Sie hätte außerdem nur Gelegenheitsarbeiten durchgeführt. Von einer Vertiefung ihrer Deutschkenntnisse durch den Aufenthalt beim Beschwerdeführer und davon, daß sie dem Sohn des Beschwerdeführers in spielerischer Weise die tschechische Sprache beigebracht habe, sei - so begründete die belangte Behörde ihren Bescheid - in ihren Angaben in der Niederschrift dieser Vernehmung nicht die Rede. Daher sei "das Vorliegen der objektiven Tatseite der gegenständlichen Verwaltungsübertretung als gegeben zu erachten".

Dem Beschwerdeführer hätten zumindest Zweifel kommen müssen, ob die Heranziehung der Ausländerin einer Bewilligungspflicht unterliege. Es liege daher zumindest ein fahrlässiges Verhalten vor, das die Anwendung des § 5 Abs. 2 VStG ausschließe. Über den Beschwerdeführer sei die Mindeststrafe verhängt worden. Die Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe auf 60 Stunden sei im Hinblick darauf, daß die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 Abs. 2 VStG zwei Wochen nicht übersteigen dürfe, erforderlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift, sowie beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind die maßgebenden Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1979, in der Fassung BGBl. Nr. 450/1990, anzuwenden.

Als Beschäftigung gilt gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG die Verwendung a) in einem Arbeitsverhältnis, b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird, c) in einem Ausbildungsverhältnis, d) nach den Bestimmungen des § 18 oder e) überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des AÜG, BGBl. Nr. 196/1988.

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde, ... bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 5.000,-- bis zu S 60.000,--.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid im wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil ein Au-Pair-Verhältnis nicht bestanden habe. Für den Beschwerdeführer sei nicht verständlich gewesen, warum aus dem Bestehen einer Bekanntschaft mit einer Ausländerin ein Beschäftigungsverhältnis konstruiert werden könne, wenn diese Bekannte zu Besuch sei. Der Beschwerdeführer habe sich daher in einem tatbestands- und schuldausschließenden Irrtum befunden. Es sei deswegen kein Au-Pair-Verhältnis vorgelegen, weil sich die genannte Ausländerin im Zeitraum vom Juli 1993 bis November 1993 nur insgesamt 60 Nächte in Österreich aufgehalten habe. Die genannte Ausländerin sei der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig. Bei ihrer Vernehmung vor dem Gendarmerieposten vom 5. November 1993 habe sie sicherlich die ihr vorformulierten Fragen beantwortet, ohne genau abschätzen zu können, welches Gewicht das von ihr unterfertigte Protokoll habe. Ein Dolmetscher sei nicht beigezogen worden. Die belangte Behörde hätte eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen müssen und hiebei einen Dolmetscher beiziehen müssen. Wäre dies erfolgt, so wäre hervorgekommen, daß ein bloßes Bekanntschaftsverhältnis vorliege, das auf wechselseitiger Sympathie beruhe, welches auch den Zweck gehabt habe, daß die Ausländerin die deutsche Sprache erlernen und der Sohn des Beschwerdeführers Tschechisch lernen könne.

Der Beschwerdeführer zeigt einen Verfahrensmangel auf, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt. Gemäß § 51e Abs. 1 VStG in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 hat nämlich der unabhängige Verwaltungssenat, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage oder aufgrund ergänzender Erhebungen ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Gemäß § 51e Abs. 2 VStG kann eine öffentliche mündliche Verhandlung nur dann unterbleiben, wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt. Im Beschwerdefall lag keiner dieser Ausnahmsfälle vor. Der Beschwerdeführer hat auch nicht auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verzichtet - in welchem Falle die belangte Behörde von deren Durchführung gemäß § 51e Abs. 3 VStG hätte absehen dürfen -, vielmehr hat er eine solche ausdrücklich verlangt.

Der Beschwerdeführer hätte bei einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, auf deren Durchführung er gemäß § 51e VStG ein Recht hatte, jedes zweckdienliche Vorbringen erstatten können. Die belangte Behörde hätte sich damit auseinandersetzen müssen, zumal der Beschwerdeführer gemäß § 51g Abs. 2 und 4 VStG an jede hiebei vernommene Person hätte Fragen stellen und sich zu allen Beweismitteln hätte äußern können, und die belangte Behörde hätte gemäß § 51i VStG nach Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung bei Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist; sie hätte auch auf Aktenstücke nur insoweit Rücksicht nehmen dürfen, als sie bei der Verhandlung zulässigerweise verlesen worden wären (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/09/0231, mit weiteren Nachweisen).

Die belangte Behörde hat somit entgegen § 51e VStG die Durchführung der nach Lage des Beschwerdefalles erforderlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung unterlassen und sie hätte bei deren Durchführung zu einem anderen Ergebnis kommen können. Dieser - im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK - wesentliche Verfahrensmangel führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995090316.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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