TE Bvwg Beschluss 2021/5/3 W136 2235094-1

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Veröffentlicht am 03.05.2021
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Entscheidungsdatum

03.05.2021

Norm

B-VG Art135 Abs4
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art89 Abs2
ZDG §34 Abs3
ZDG §34 Abs4
ZDG §77 Abs1 Z2

Spruch


W136 2235094-1/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER im Verfahren über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid des Heerespersonalamtes vom 31.08.2020, GZ P1546369/4-HPA/2020, betreffend Wohnkostenbeihilfe:

Das Bundesverwaltungsgericht stellt gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den

Antrag

§ 34 Abs. 3 erster und dritter Satz und Abs. 4 sowie die Wortfolge „§ 34 Abs. 3“ in § 77 Abs. 1 Z 2 des Bundesgesetzes über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986 - ZDG), BGBl. Nr. 679/1986, in der Fassung BGBl. I Nr. 163/2020

als verfassungswidrig aufzuheben.


Text


Begründung:

I. Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 13.07.2020 einer näher genannten Einrichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zugewiesen. Mit Bescheid des Heerespersonalamtes vom 31.08.2020 wurde sein Antrag auf Zuerkennung von Wohnkostenbeihilfe gemäß § 34 ZDG 1986 iVm § 31 Abs. 1 HGG 2001 mangels Bestehens einer kostenpflichtigen Wohnung zum Zeitpunkt der Genehmigung des Zuweisungsbescheides abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde und führte begründend aus, dass er zum Zeitpunkt der Genehmigung des Zuweisungsbescheides schon in der antragsgegenständlichen Wohnung gewohnt habe, aber sich erst später umgemeldet habe.

II. Zur Zulässigkeit des Antrages

II.1. Zum anfechtungsberechtigten Gericht

Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß Art. 89 in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a des Bundes-Verfassungsgesetzes (in Folge: B-VG) verpflichtet, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes zu stellen, gegen dessen Anwendung es aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat.

Derartige Bedenken sind seitens des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf die im Spruch angeführte Norm entstanden.

2. Zum zur Anfechtung zuständigen Spruchkörper

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist; da eine solche Norm nicht zu finden ist, ist gegenständlich zur Behandlung der anhängigen Beschwerde und somit zu Anfechtung die unterfertigende Einzelrichterin zuständig.

3. Zur Präjudizialität

Gemäß § 27 1. Fall VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. § 27 VwGVG ist daher zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht – hier das Bundesverwaltungsgericht – immer zu überprüfen hat, ob die zuständige Behörde entschieden hat.

Daher sind die angefochtenen Normen, die die Zuständigkeit der Behörde regeln, im gegenständlichen Verfahren für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts präjudiziell.

III. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften:

§§ 1 Abs. 5, 34 und 77 ZDG lauten auszugsweise (die antragsgegenständlichen Normen und die Zeichenfolge sind hervorgehoben):

"Abschnitt I

Allgemeine Grundsätze

§ 1. (Verfassungsbestimmung) […]

(5) Der Zivildienst ist außerhalb des Bundesheeres zu leisten.

[…]

§ 34. (1) Der Zivildienstpflichtige, der
1.         einen ordentlichen Zivildienst oder
2.         einen außerordentlichen Zivildienst gemäß § 8a Abs. 6 im Anschluss an einen in Z 1 genannten Zivildienst leistet,

hat Anspruch auf Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe, wie er einem Wehrpflichtigen nach § 23 HGG 2001 zusteht.

(2) Auf den Familienunterhalt, den Partnerunterhalt und die Wohnkostenbeihilfe sind die Bestimmungen des 5. Hauptstückes des HGG 2001 sowie dessen §§ 50, 51 Abs. 1, 54 Abs. 1 bis 5 und 55 nach Maßgabe des Abs. 3 anzuwenden. Dabei treten an die Stelle
1.         der militärischen Dienststelle die Einrichtung, die im Zuweisungsbescheid angegeben ist (§ 11 Abs. 1) und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 163/2013)
3.         der Wirksamkeit der Einberufung im Sinne des § 23 Abs. 3 HGG 2001 die Genehmigung des Zuweisungsbescheides.

(3) Zur Erlassung von Bescheiden über Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe von Zivildienstpflichtigen ist das Heerespersonalamt zuständig. Der Antrag auf Zuerkennung oder Änderung von Familienunterhalt, Partnerunterhalt oder Wohnkostenbeihilfe kann auch bei der Gemeinde eingebracht werden, in der der Zivildienstpflichtige seinen Hauptwohnsitz hat. Diese hat den Antrag an das Heerespersonalamt weiterzuleiten. Die Auszahlung des Familienunterhalts, des Partnerunterhaltes und der Wohnkostenbeihilfe erfolgt durch die Zivildienstserviceagentur. Die dem Zivildienstleistenden gebührenden Geldleistungen sind so rechtzeitig zu überweisen, dass ihm diese am Dienstantrittstag für den laufenden Monat, für die übrige Zeit jeweils am ersten jeden Monats im Voraus zur Verfügung stehen.

(4) Über Beschwerden gegen Bescheide des Heerespersonalamtes gemäß Abs. 3 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.

§ 77. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist hinsichtlich

[…]

2. des § 5 Abs. 1 bis 3, 4 letzter Halbsatz, § 6 Abs. 5, § 32 Abs. 6, § 34 Abs. 3 sowie § 76a Abs. 2 der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport;

[…] betraut.“

IV. Verfassungsrechtliche Bedenken:

IV.1. Die antragsgegenständlichen Normen sehen die Zuständigkeit des Heerespersonalamtes zur Erlassung von Bescheiden über Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe von Zivildienstpflichtigen vor. Davor waren die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig, über derartige Anträge von Zivildienstpflichtigen mit Bescheid abzusprechen.

Diese Zuständigkeit des Heerespersonalamtes wurde mit Art 86 des Budgetbegleit-Gesetzes 2011, BGBl. I. Nr. 111/2010, als Novelle zum Zivildienstgesetz 1986 normiert. Die Erläuternden Bemerkungen dazu (981 dB, XXIV GP) sehen Folgendes vor:

„Eine diesbezügliche Kompetenzverteilung von den Bezirksverwaltungsbehörden zum Heerespersonalamt (HPA) erscheint wesentlich praktikabler, als die Entscheidungskompetenz zur Zivildienstserviceagentur (ZISA) zu verlagern, zumal das HPA seit Jahren mit diesen Tätigkeiten vertraut ist und über entsprechendes Fachwissen bzw. Infrastruktur verfügt. Darüber hinaus wird damit einer Forderung der Landeshauptleutekonferenz entsprochen.“

IV.2. Mit Beschluss vom 04.03.2021, GZ E 3310/2020-18, hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. b B-VG die Verfassungsmäßigkeit der Zeichenfolge "51 Abs. 1," in § 34b Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986 – ZDG), BGBl. Nr. 679 (WV), in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020 von Amts wegen zu prüfen.

Zusammengefasst äußerte der Verfassungsgerichthof mit diesem Beschluss seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in § 34b Abs. 2 ZDG erfolgten Zuweisung einer Vollzugs-aufgabe im Rahmen des Zivildienstes an das Heerespersonalamt – in diesem Fall die Festsetzung der Entschädigung und Fortzahlung der Dienstbezüge von Zivildienst Leistenden. Diese sah der Verfassungsgerichtshof darin, dass diese Bestimmung im Widerspruch zur Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 5 ZDG stehen dürfte, welcher auch der Inhalt zukomme, wonach die Vollziehung der Bestimmungen des ZDG angesichts der vom (Verfassungs-)Gesetzgeber angestrebten Entflechtung des Zivildienstes vom Wehrdienst – bis auf punktuelle Ausnahmen – staatlichen Behörden außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des für militärische Angelegenheiten zuständigen Bundesministers zugewiesen sein muss.

In diesem Rahmen wird darauf verzichtet, die vom Verfassungsgerichtshof erkannten Bedenken vollumfänglich zu wiederholen, zumal sie dem Verfassungsgerichtshof bekannt sind.

IV.3. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes treffen die oben angeführten vom Verfassungsgerichtshof erkannten Bedenken der Verfassungsmäßigkeit in gleicher Art auch auf die in § 34 Abs. 3 ZDG normierte Zuweisung der Vollzugsaufgabe der Erlassung von Bescheiden über Familienunterhalt, Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe von Zivildienstpflichtigen an das Heerespersonalamt zu.

V. Aussetzung des Verfahrens

Gemäß § 34 Abs. 2 Z 2 VwGVG wird das gegenständliche Verfahren ausgesetzt.

Schlagworte

Gesetzprüfungsantrag Präjudizialität Wohnkostenbeihilfe Zivildienst Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W136.2235094.1.00

Im RIS seit

25.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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