TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/16 96/03/0370

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Veröffentlicht am 16.04.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §39 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des H in I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 3. Oktober 1996, Zl. 16/145-3/1996, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 26. Juli 1996 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, sein Verhalten als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Pkws sei am 19. April 1996 um ca. 15.45 Uhr in Innsbruck an einer näher bezeichneten Örtlichkeit mit einem Verkehrsunfall mit Personenverletzung in ursächlichem Zusammenhang gestanden, trotzdem habe er es unterlassen, die nächste Polizeidienststelle davon sofort zu verständigen, nachdem ihm gegen 19.30 Uhr die Verletzung einer namentlich bezeichneten Person zur Kenntnis gebracht worden sei. Er habe dadurch die Bestimmung des § 4 Abs. 2 StVO 1960 verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960 verhängt wurde.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Oktober 1996 wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen und der Spruch des Erkenntnisses dahin modifiziert, daß nach dem oben angeführten Wortlaut weiters eingefügt wurde: "Eine Meldung über den Personenschadenunfall wurde erst am 23.4.1996 per Telefax gemacht".

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen dessen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 2 StVO 1960 haben jene Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhange steht, unter anderem sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen (Satz 2). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Wort "sofort" nach seiner eigentümlichen Bedeutung, also streng auszulegen, sodaß etwa eine Meldung erst ca. eine halbe Stunde nach dem Unfall als nicht ausreichend erkannt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Feber 1990, Zl. 85/18/0185, mit weiteren Judikaturhinweisen). Sinn der genannten Bestimmung sei es, daß die verständigte Sicherheitsdienststelle sofort die notwendigen Erhebungen am Unfallort veranlassen bzw. vornehmen kann (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1989, Zl. 89/03/0150). Dieser Zweck könne nicht mehr erreicht werden, wenn die Verständigung der Sicherheitsdienststelle erst so spät erfolgen kann, daß eine Unfallsaufnahme an Ort und Stelle nicht mehr zielführend ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1995, Zl. 94/03/0150). Im letztgenannten Erkenntnis führte der Gerichtshof aus, es ginge am Zweck dieser Bestimmung vorbei, eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 2 StVO 1960 auch dann noch anzunehmen, wenn ein an einem Verkehrsunfall ursächlich Beteiligter von den Verletzungen anderer Beteiligter erst drei Tage nach dem Unfall erfahre, weil diesfalls auch bei einer Verständigung der Sicherheitsdienststelle eine "Unfallsaufnahme" an Ort und Stelle nicht mehr zielführend sei. In seinem Erkenntnis vom 10. November 1989, Zl. 89/18/0121, erachtete der Verwaltungsgerichtshof eine Meldung zweieinhalb Tage nach dem Unfall als nicht mehr zielführend, weil nicht zu erkennen sei, welchen Zweck diese Meldung haben hätte sollen, zumal die Beteiligten nach dem Unfall übereinstimmend angegeben hätten, daß "niemand verletzt worden sei", und einander die Identität nachgewiesen hätten, weshalb die Polizei vom Verkehrsunfall nicht verständigt worden sei. In seinen Erkenntnissen vom 24. Juni 1971, Zl. 1973/70, und vom 9. Mai 1980, Zl. 1765/78, hatte der Verwaltungsgerichtshof die Verständigungspflicht nach längstens zwölf Stunden noch für gegeben erachtet.

Im vorliegenden Beschwerdefall ist unbestritten, daß das Verhalten des Beschwerdeführers am Unfallort mit einem Verkehrsunfall am 19. April 1996 um ca. 15.45 Uhr in ursächlichem Zusammenhang stand. Ferner ist unbestritten, daß der "Unfallsgegner" dem Beschwerdeführer an Ort und Stelle erklärte, nicht verletzt zu sein, daß sich jedoch nachträglich herausstellte, daß jener eine Gehirnerschütterung erlitten habe.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid von der - vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen - Feststellung aus, noch am Unfallstag habe der Vater des Unfallszweitbeteiligten den Beschwerdeführer angerufen und ihm mitgeteilt, seinem Sohn sei schlecht und er fahre jetzt mit ihm in die Klinik. Auch wenn der Beschwerdeführer dann nicht wegen "näherer Angaben über eine allfällige Verletzung" zurückgerufen worden sei, hätte ihn auf Grund des vorerwähnten Telefonates gemäß § 4 Abs. 2 StVO 1960 die Verpflichtung getroffen, "noch am gleichen Abend" eine Verständigung der Polizei (Journaldienst) durchzuführen, was er unterlassen habe. Die erst am 23. April 1996 mit Telefax vorgenommene Meldung sei verspätet gewesen.

Der Beschwerdeführer wendet demgegenüber im wesentlichen ein, er habe von der Verletzung des Unfallszweitbeteiligten erst am 21. April 1996 erfahren, zu einem Zeitpunkt, zu welchem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Meldung als nicht mehr zielführend erachtet wird. Bei dem Anruf am Unfallstag (um 19.45 Uhr) sei ihm nur eine "Verdachtsdiagnose" eines medizinischen Laien mitgeteilt worden, die eine Meldungspflicht nicht ausgelöst habe. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten auch nicht die Schadenabwicklung gefährdet, sondern es sei diese schon zur Gänze erledigt.

Dieses Vorbringen läßt für den Standpunkt des Beschwerdeführers jedoch nichts gewinnen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht die Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960 auch bei geringfügigen, nicht nennenswerten Verletzungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1990, Zl. 90/03/0121, uva.). Der Hinweis des Vaters noch am Abend des Unfallstages unter erkennbarer Bezugnahme auf den Unfall, dem Unfallszweitbeteiligten sei schlecht und er fahre mit seinem Sohn jetzt in die Klinik, mußte beim Beschwerdeführer bei verständiger Würdigung dieser Mitteilung die Vermutung erwecken, der Unfallszweitbeteiligte habe doch - entgegen seinen ersten Angaben an der Unfallstelle - eine Verletzung davongetragen, auch wenn ihm die genaue Art derselben noch nicht mitgeteilt wurde. Damit war die Verständigungspflicht im Sinne der zuvor genannten gesetzlichen Bestimmung ausgelöst. Die Mitteilung durch den Vater des Unfallszweitbeteiligten an den Beschwerdeführer erfolgte rund vier Stunden nach dem Unfall. Damit ist im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die wie erwähnt auch noch zwölf Stunden nach dem Unfall eine Meldung als zielführend erachtet, davon auszugehen, daß polizeiliche Erhebungen zum Sachverhalt noch ein Ergebnis erbracht hätten.

Auf die von der belangten Behörde - in Erwiderung eines entsprechenden Vorbringens des Beschwerdeführers - in den angefochtenen Bescheid aufgenommenen Ausführungen, daß ihm darüber hinaus am 21. April 1996 mitgeteilt worden sei, der Unfallszweitbeteiligte habe ein "Schleudertrauma" erlitten, muß daher nicht mehr eingegangen werden. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ist unerheblich.

Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Meldepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996030370.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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