RS Vfgh 2021/5/10 UA5/2021

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Veröffentlicht am 10.05.2021
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art53
B-VG Art138b Abs1 Z4
GOG-NR §108
VO-UA §24, §25, §27
VfGG §7 Abs1, §56f

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags von Mitgliedern des Ibiza-Untersuchungsausschusses auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit betreffend die – nicht hinreichend bestimmte – Aufforderung an den Bundeskanzler zur Vorlage von Mobiltelefonnachrichten bestimmter Personen; keine Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof der nicht eindeutigen Aufforderung (Gesetzesbestimmung, Datum) zur Beweismittelvorlage; keine Interpretation der – den Prozessgegenstand des Verfassungsgerichtshofes bildenden – Aufforderung

Rechtssatz

Unzulässigkeit des Antrags auf Vorlage vollständiger SMS, Whatsapp-, iMessage-, Telegram- oder Signal-Nachrichten des auf die ÖVP Bundespartei angemeldeten Mobiltelefons des Bundeskanzlers, sofern (näher bestimmte) Personen an der Kommunikation teilnahmen.

Das Konzept des (Verfassungs-)Gesetzgebers, das Art53 Abs3 und Art138b Abs1 Z4 B-VG zugrunde liegt und das in §27 VO-UA sowie in §56f VfGG näher ausgestaltet wird, lässt deutlich erkennen, dass der VfGH auf Antrag über Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung erkennt, dem Untersuchungsausschuss Informationen vorzulegen, im konkreten Fall näher bezeichnete Nachrichten eines bestimmten Mobiltelefons. Einem solchen Antrag hat zwingend die an das Organ gerichtete (schriftlich begründete) Aufforderung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder voranzugehen, innerhalb einer (Nach-)Frist von zwei Wochen der Verpflichtung zur unverzüglichen Entsprechung von Beweisbeschlüssen und/oder ergänzenden Beweisanforderungen nachzukommen, wenn das Organ dieser (in der Aufforderung näher zu umschreibenden) Verpflichtung nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder bis dahin nicht oder ungenügend nachgekommen ist. Diese Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA stellt den äußersten Rahmen eines möglichen Gegenstandes des Verfahrens nach Art138b Abs1 Z4 B-VG dar. Ein Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs an den VfGH konkretisiert schließlich das Vorliegen und den Umfang der Meinungsverschiedenheit und damit den Prozessgegenstand des VfGH. Der Gegenstand seiner Entscheidung ist jedenfalls durch den Umfang der Meinungsverschiedenheit begrenzt.

Da eine Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA den äußersten Rahmen des durch einen etwaigen Antrag gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG konkretisierten Prozessgegenstandes des VfGH bildet, hat sie hinreichend bestimmt zu sein, um einerseits dem vorlagepflichtigen Organ die Erfüllung seiner Vorlageverpflichtung bzw seiner Behauptungs- und Begründungspflicht im Falle der Nicht- oder teilweisen Vorlage von angeforderten Akten und Unterlagen sowie andererseits dem VfGH die Nachprüfung zu ermöglichen, ob sich ein nachfolgender Antrag innerhalb dieses Rahmens hält.

Die dem vorliegenden Antrag gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG zugrunde liegende Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA vom 16.03.2021 an den Bundeskanzler schränkt die darin enthaltene Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen um jene (näher bezeichneten) Nachrichten ein, die "bereits von der Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA vom 04.03.2021 erfasst sind".

Die bezogene Aufforderung existiert jedoch nicht: Unterstellt man, dass eine der beiden Angaben (Gesetzesbestimmung und Datum) richtig ist, kommt einerseits das in der 37. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses wirksam gewordene Verlangen gemäß §25 Abs2 VO-UA vom 04.03.2021 in Frage (diesfalls wäre das Datum richtig, die Gesetzesbestimmung jedoch falsch), andererseits die in der 38. Sitzung dieses Untersuchungsausschusses wirksam gewordene Aufforderung gemäß §27 Abs4 VO-UA vom 10.03.2021 (diesfalls wäre die Gesetzesbestimmung richtig, das Datum jedoch falsch). Erst in ihrem Antrag an den VfGH nehmen die Einschreiter eine Richtigstellung des Datums vor.

Da dem VfGH eine Interpretation der Aufforderung verwehrt ist und somit der äußerste Rahmen des verfassungsgerichtlichen Verfahrens nicht hinreichend bestimmt ist, ist dem VfGH die Nachprüfung verwehrt, ob sich der vorliegende Antrag gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG innerhalb dieses Rahmens hält.

Entscheidungstexte

  • UA5/2021
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 10.05.2021 UA5/2021

Schlagworte

VfGH / Untersuchungsausschuss, VfGH / Prüfungsgegenstand, Auslegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:UA5.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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