TE Lvwg Erkenntnis 2021/4/15 LVwG-751310/2/MZ/CK

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Veröffentlicht am 15.04.2021
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Entscheidungsdatum

15.04.2021

Norm

§7 EpidemieG
Art6 PersFrG
Art5 EMRK

Text

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich fasst durch seinen Richter Dr. Zeinhofer über den Haftprüfungsantrag gem Art 6 Abs 1 BVG Pers. Freiheit des mj. E B, vertreten durch K B, diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. T T, X, den

BESCHLUSS

I.       Der Haftprüfungsantrag gem Art 6 Abs 1 Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit wird als unzulässig zurückgewiesen.

II.      Gegen diese Entscheidung ist eine Revision unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.1. Mit Eingabe vom 10. April 2021 stellte der Antragsteller (in der Folge: AS) einen Antrag auf Haftprüfung gemäß Art 6 Abs 1 Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (in der Folge: BVG Pers. Freiheit) und begehrte neben der Feststellung, dass der Freiheitsentzug rechtswidrig sei die Anordnung der sofortigen Freilassung des AS und der sofortigen Beendigung der Absonderung.

Begründend führte der rechtsfreundlich vertretene AS im Wesentlichen aus, dass er durch die Kundmachung der Aufhebung des § 7 Abs 1a zweiter Satz EpidemieG am 9. April 2021 durch den Bundeskanzler in BGBl I 64/2021 nun am 10. April 2021 nicht mehr zur Einbringung eines Antrags auf Überprüfung der Absonderung beim Bezirksgericht berechtigt sei. Auf die gemäß § 7 Abs 1a EpidemieG bescheidmäßig angeordnete Quarantäne seien die Bestimmungen über das Haftprüfungsverfahren der Art 5 Abs 4 EMRK sowie Art 6 BVG Pers. Freiheit unmittelbar anwendbar. Der Gesetzgeber habe den nunmehr aufgehobenen § 7 Abs 1a zweiter Satz EpidemieG ausdrücklich zum Zweck der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art 6 Abs 1 BVG Pers. Freiheit geschaffen. Es sei nach Aufhebung durch den VfGH nicht ersichtlich, dass ein dem Art 5 Abs 4 EMRK und Art 6 Abs 1 BVG Pers. Freiheit entsprechender Rechtsweg einfachgesetzlich eingeräumt wäre, was auch nicht erforderlich sei. Das Landesverwaltungsgericht sei als jenes Gericht, welches über die Rechtmäßigkeit von Bescheiden zu befinden habe, verpflichtet, den verfassungsgesetzlich eingeräumten Rechtsschutz für den AS zur Verfügung zu stellen. Gemäß Art 6 BVG Pers. Freiheit habe die Entscheidung binnen einer Woche zu ergehen.

I.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den unmittelbar bei ihm eingebrachten Antrag samt dem beigefügten Absonderungsbescheid. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der Antrag zurückzuweisen war, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen.

I.3.    Es steht folgender entscheidungsrelevanter S a c h v e r h a l t fest:

Der AS ist beginnend mit 8. April 2021 bis einschließlich 22. April 2021 mit Mandatsbescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 9. April 2021, GZ: Pol-303-SR05-2997-2021/1, gemäß § 7 bzw § 17 EpidemieG abgesondert.

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem, dem Antrag beigefügten Absonderungsbescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels.

III. Rechtsgrundlagen:

III.1. Gemäß § 7 Abs 1a EpidemieG, BGBl 186/1950 idF BGBl I 64/2021, können zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs. 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Jede Anhaltung, die länger als zehn Tage aufrecht ist, ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des § 17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde.

III.2. Gemäß Art 6 Abs 1 BVG Pers. Freiheit, BGBl 684/1988, hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

IV. In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:

IV.1. Der VfGH hob mit Erkenntnis vom 10. März 2021, G 380/2020-17 ua, § 7 Abs  1a zweiter Satz EpidemieG, BGBl 186/1950 idF BGBl I 63/2016, wegen des Widerspruchs zum Bestimmtheitsgebot gem Art 18 B-VG als verfassungswidrig auf. Dieser zweite Satz lautete: „Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen.“

Begründend führte der VfGH im Wesentlichen aus, dass § 7 Abs 1a zweiter Satz EpidemieG (im Unterschied zu dessen viertem Satz) hinsichtlich der Überprüfung der Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung durch das Bezirksgericht auf die „Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes“ insgesamt verweise. Der 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes sehe aber nicht bloß ein anderes System zur Verfügung und Kontrolle von Freiheitsbeschränkungen, sondern in diesem System wiederum unterschiedliche Verfahrensarten vor. Der VfGH vermöge angesichts des pauschalen Verweises in § 7 Abs 1a zweiter Satz EpidemieG auf den 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes schon nicht mit der für die Festlegung von Behördenzuständigkeiten erforderlichen Deutlichkeit zu erkennen, worin der Prüfungsgegenstand des Bezirksgerichts – und damit dessen Zuständigkeitsumfang – genau liegen solle, insbesondere, ob sich die Prüfung des Bezirksgerichts auch auf einen allfälligen Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde oder lediglich auf eine nachfolgende Anhaltung zu beziehen habe und gegebenenfalls in welchem Verhältnis die Kognitionsbefugnis des Bezirksgerichts zu einer allenfalls verbleibenden Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte stehe.

Der VfGH führte weiters aus, dass selbst wenn man mit der Bundesregierung den Verweis auf den 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes bloß als Verweis auf das Verfahren nach § 17 Abs 4 Tuberkulosegesetz und die daran anknüpfenden Regeln beziehen wollte (wobei unklar bliebe, warum dies – im Unterschied zu § 7 Abs 1a vierter Satz EpidemieG – durch einen Verweis auf den gesamten 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes angeordnet werden sollte), der genaue Prüfungsgegenstand nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar wäre; weiters bliebe unklar, ob die Sondervorschriften des § 20 Tuberkulosegesetz (wie die Bundesregierung meint) allgemein oder aber nur in Fällen von Freiheitsentziehungen in Form der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zur Anwendung kommen sollten.

Zusammenfassend gesprochen lag der Grund für die Aufhebung des § 7 Abs  1a zweiter Satz EpidemieG durch den VfGH in dem nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennbaren Prüfungsgegenstand des Bezirksgerichtes.

IV.2. Nunmehr sieht § 7 Abs 1a EpidemieG kein Antragsrecht für die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung mehr vor. Unberührt durch das VfGH-Erkenntnis blieben allerdings die gesetzlichen Normierungen, wonach jede Anhaltung, die länger als zehn Tage aufrecht ist, dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde, die sie verfügt hat, anzuzeigen ist. Das Bezirksgericht hat nach aufrechter Gesetzeslage auch weiterhin von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des § 17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde.

IV.3. Der AS versucht nunmehr nach Aufhebung des zweiten Satzes des § 7 Abs 1a EpidemieG durch den VfGH seinen Antrag unmittelbar auf Art 6 Abs 1 BVG Pers. Freiheit zu gründen und eine Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich zu konstruieren. Art 6 Abs 1 BVG Pers. Freiheit sieht jedoch nur vor, dass jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren hat, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

Insgesamt lässt sich daher weder aus dem BVG Pers. Freiheit bzw dem EpidemieG noch aus dem genannten Erkenntnis des VfGH schließen, dass die Landesverwaltungsgerichte die zuständigen Gerichte zur Prüfung der Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung wären. Auch können die Landesverwaltungsgerichte nicht iSd Art 131 B-VG zuständig gemacht werden, da es an jeglicher gesetzlichen Normierung in einem Materiengesetz fehlt.

IV.4. Im Ergebnis war daher der Haftprüfungsantrag des AS gem Art 6 Abs 1 BVG Pers. Freiheit als unzulässig zurückzuweisen.

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Klar lässt sich aus keinem Gesetzeswortlaut die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich zur Prüfung der Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung ableiten.

Schlagworte

Haftprüfungsantrag; Antragsrecht; Beschwerde; Absonderung; Quarantäne; Freiheitsbeschränkung; Zuständigkeit

Anmerkung

Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2021:LVwG.751310.2.MZ.CK

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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