TE Vwgh Beschluss 2021/2/5 Ra 2020/21/0392

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Veröffentlicht am 05.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §60 Abs2 Z1
AVG §37
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A E S S, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29. Juli 2020, I407 2212423-2/7E, betreffend Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Libyens, hält sich seit Oktober 2012 im Bundesgebiet auf. Ihm waren bis zum 10. Juli 2018 - wiederholt verlängerte - Aufenthaltstitel als Studierender erteilt worden. Am 5. Juni 2018 stellte er insoweit einen (mit der Absicht, weiter in Österreich zu bleiben und hier arbeiten zu wollen, begründeten) Verlängerungsantrag, der mangels Studienerfolgs und mangels weiterer Inskription rechtskräftig abgewiesen wurde.

2        Herauf beantragte der Revisionswerber am 16. November 2018 die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 17. Dezember 2018 ab. Es erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Libyen zulässig sei, und bestimmte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

3        Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit am 16. Mai 2019 mündlich verkündetem und mit 29. Mai 2019 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass gemäß § 50 iVm § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers in den Herkunftsstaat Libyen (wegen der dort vorliegenden volatilen Sicherheitslage) nicht zulässig sei.

4        Am 24. Juli 2019 beantragte der Revisionswerber die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005.

Bei einer niederschriftlichen Befragung führte er dazu am 14. November 2019 aus, sein Studium in Graz sei „derzeit eingefroren“, die Studiengebühr sei nämlich „etwas viel“ für ihn.

5        Diesen Antrag wies das BFA mit Bescheid vom 10. Dezember 2019 gemäß § 56 AsylG 2005 ab.

Dabei ging das BFA insbesondere davon aus, dass der unbescholtene, unverheiratete und kinderlose, ohne Angehörige in Österreich lebende Revisionswerber, der im Herkunftsstaat nach dem Schulbesuch eine Ausbildung zum Koch absolviert habe, auch nach dem Zeitraum, in dem ihm Aufenthaltstitel erteilt worden waren, im Bundesgebiet verblieben sei. Er habe gute Deutschkenntnisse, gehe keiner Berufstätigkeit nach, werde von seiner Familie aus Libyen versorgt und verfüge über keinen Krankenversicherungsschutz.

Auch habe er keinen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Wohnung nachweisen können. Dies folgerte das BFA daraus, dass der von ihm vorgelegte Mietvertrag für Zwecke eines Studiums geschlossen worden sei und darin dezidiert festgehalten werde, dass dieser bei Beendigung bzw. Abbruch des Studiums oder eines entsprechenden Studienabschnitts ende. Abgesehen davon bilde ein Studentenzimmer (in einer Wohngemeinschaft) keine ortsübliche Unterkunft für einen (wie von ihm künftig beabsichtigt) arbeitenden Menschen.

Ein von ihm vorgelegter Arbeitsvorvertrag lasse keine seriöse Prognose über die künftige Selbsterhaltungsfähigkeit zu. Da er bereits während des Studiums nicht selbsterhaltungsfähig gewesen und neben seiner erwähnten (parallel zum Studium zum Teil ganztags ausgeübten) Arbeit von seiner Familie mitfinanziert worden sei, könne von einer Selbsterhaltungsfähigkeit auch für die Zukunft nicht ausgegangen werden. Zudem sei in dem mit einem Gastronomieunternehmen geschlossenen Arbeitsvorvertrag eine einmonatige Probezeit vereinbart worden, während der beide Parteien den Vertrag jederzeit kündigen könnten. Von einem gesicherten Einkommen oder einer sicheren Weiterbeschäftigung könne insgesamt nicht ausgegangen werden.

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 lägen somit nicht vor. Da der Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet jedoch seit dem 15. Juni 2019 geduldet und im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Situation eingetreten sei, werde keine Rückkehrentscheidung erlassen.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. Juli 2020 wies das BVwG eine dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - ohne Durchführung der darin beantragten mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der gesunde, arbeitsfähige und strafgerichtlich unbescholtene Revisionswerber gehe seit der Beendigung seiner letzten Vollzeitbeschäftigung (am 23. August 2018) keiner Erwerbstätigkeit nach. Er bestreite seinen Lebensunterhalt aus Ersparnissen sowie Unterstützungszahlungen durch seine Familie. Für den Fall der Erteilung einer „Aufenthaltsbewilligung“ bestehe ein aufschiebend bedingter Arbeitsvorvertrag zwischen ihm und einem Gastronomiebetrieb. Er bewohne nach wie vor ein Zimmer in einer Studenten-Wohngemeinschaft, wobei der Mietvertrag den Passus enthalte, dass das Mietverhältnis zum Zweck eines Studiums geschlossen worden sei und bei Beendigung oder Abbruch des Studiums ende. Er führe nach wie vor kein Familienleben, sei ledig und kinderlos, habe jedoch Freundschaften geknüpft.

Zwar bestünde nunmehr ein ausreichender Krankenversicherungsschutz des Revisionswerbers, doch fehle ihm nach wie vor ein Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft. Da das eingegangene Mietverhältnis mit einem aufrechten Studium verbunden sei, das der Revisionswerber nach eigenen Angaben nicht mehr betreibe, sei nämlich davon auszugehen, dass die Grundlage für diesen Mietvertag weggefallen sei. Weiters sei der Revisionswerbers mangels eigener Einkünfte nicht selbsterhaltungsfähig. Finanzielle Unterstützungen seiner Verwandten rechtfertigten keine positive Prognosebeurteilung, ebenso wenig (der Sache nach aus den bereits vom BFA dargestellten Gründen) der Arbeitsvorvertrag. Somit seien die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG 2005 zu verneinen.

Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben können, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine. Das BFA habe den Sachverhalt in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben. Das BVwG habe sich dessen Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung angeschlossen. Darüber hinaus sei im Rahmen der Beschwerde kein konkretes klärungsbedürftiges Sachverhaltsvorbringen erstattet, sondern im Wesentlichen die rechtliche Beurteilung des BFA bekämpft worden.

8        Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision erweist sich als unzulässig:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

11       Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber geltend, das BVwG hätte hinsichtlich der Feststellung, dass er sein Studium aktuell nicht mehr betreibe, sowie mit der damit im Zusammenhang stehenden Verneinung einer ortsüblichen Unterkunft und hinsichtlich der wiedergegebenen Ausführungen zum Dienstvorvertrag die verwaltungsbehördliche Beweiswürdigung des BFA nicht bloß unwesentlich ergänzt, was die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber erfordert hätte.

12       Dieser Vorwurf trifft allerdings im Ergebnis nicht zu. Denn auch zusätzliche beweiswürdigende Überlegungen des BVwG würden - entgegen der Revision - die Verhandlungspflicht nur dann auslösen, wenn damit die tragenden verwaltungsbehördlichen Erwägungen nicht bloß unwesentlich ergänzt worden wären (vgl. dazu etwa VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0065, Rn. 14, mwN). Davon kann im vorliegenden Fall jedoch nicht die Rede sein.

13       Soweit der Revisionswerber auf seine bisherige Bewährung in der Gastronomie hinweist, ist das schon deshalb nicht entscheidungswesentlich, weil allein das Nichtbestehen eines Rechtsanspruchs auf eine ortsübliche Unterkunft eine seinem Antrag stattgebende Entscheidung verhindert.

14       Insoweit ist der Revisionswerber darauf hinzuweisen, dass es einem Fremden obliegt, initiativ und untermauert durch entsprechende Bescheinigungsmittel einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nachzuweisen (vgl. etwa VwGH 9.9.2014, Ro 2014/22/0032, mwN).

Derartige Ausführungen sind, selbst nachdem bereits das BFA im Bescheid vom 10. Dezember 2019 (laut Rn. 5) einen gesicherten Anspruch unter anderem mit Hinweis auf den Inhalt des Mietvertrages und das aktuell nicht mehr betriebene Studium verneint hatte, weder dem Beschwerdeverfahren vor dem BVwG noch der vorliegenden Revision zu entnehmen, zumal sowohl in der Beschwerde als auch in der Revision eingestanden wurde, dass der Revisionswerber sein Studium aus finanziellen Gründen habe „ruhen“ lassen.

15       Insgesamt zeigt die Revision somit keine für den Ausgang des Verfahrens wesentliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 5. Februar 2021

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210392.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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